Südumfahrung Markdorf: Über diese Dinge könnte man reden

 

Das ist Kirchturmpolitik: Die Debatte um die geplante und umstrittene Südumfahrung Markdorf wird zu sehr entlang lokaler Befindlichkeiten geführt. Darüber wird aber das dringend nötige Gesamtverkehrskonzept für die Region aus den Augen verloren, meint SÜDKURIER-Redakteur Helmar Grupp

Das Regierungspräsidium sieht derzeit keinen Anlass, den Vertrag vom Sommer 2013 zwischen Landrat Lothar Wölfle und Ex-Bürgermeister Bernd Gerber zu Bau und Finanzierung der Südumfahrung zu prüfen. Das ist ein Fingerzeig. Die Umweltgruppe (UWG) Markdorf möchte im Markdorfer Gemeinderat am 4. April den Antrag für eine solche Prüfung stellen. Sollte ihm stattgegeben werden, müsste die Behörde die Prüfung vornehmen. Ungeachtet der Frage der Rechtswirksamkeit haben wir kommentiert, dass Wölfle und Bürgermeister Georg Riedmann gemeinsam die Südumfahrungs-Pläne nochmals aufschnüren sollten. Zur Präzisierung: Damit war nicht die Annullierung des Vertrages gemeint, wie es die UWG fordert. Es geht um die Planung und um den Zeitrahmen. Und dort gibt es, acht Jahre nach deren offizieller Einleitung, inzwischen einige offene Fragen zu klären und aufgekommene Probleme anzugehen. So sollte, als nur ein Beispiel, die geplante östliche Anbindung der Umfahrung zwischen Lipbach und Markdorf auf Höhe der Firma Wagner neu überdacht werden, um eine Zweigleisigkeit der Bahn zu ermöglichen. Planung und Bauabwicklung macht der Kreis – aber "im Benehmen mit der Stadt", wie es in dem Vertrag eindeutig heißt. Also ein Fall für Landrat und Bürgermeister.

Dann der Zeitpunkt: Alle Gutachten sagen aus, dass eine Südumfahrung als Alleinmaßnahme ihre Entlastungsfunktion nicht wie vorgesehen erfüllen kann. Die Umfahrung Bermatingen liegt auf Eis, aber sie ist planerisch begonnen und Gespräche laufen. Ob und wo eine Umfahrung Kluftern kommt, wird sich in den nächsten Monaten entscheiden. Und wie es weitergeht beim Weiterbau der B-31-neu zwischen Meersburg und Immenstaad dürfte in 2020 oder 2021 beantwortet sein. Der Planfeststellungsbeschluss für die Südumfahrung gilt aber bis 2024. Zudem ging man auch zu Zeiten des Bürgerentscheids 2003 immer von einem Bau aller Entlastungsstraßen – also Kluftern, Markdorf, Salem/Bermatingen – aus, als Gesamtkonzept für die Region. Das ist das, was dessen Kritiker seit Jahren als ein Netz von Hinterlandtrassen rügen.

Warum also nicht zuerst Klarheit schaffen für das Gesamtkonzept, bevor man losgelöst mit dem Bau der Südumfahrung beginnt? Warum nun nicht die Kraft dafür aufwenden, eine baldige und gute Lösung für Kluftern, für die B 31 und vielleicht auch für Bermatingen zu finden? Warum nicht zuerst gemeinsam in der Nachbarschaft respektive im B-31-Forum des Regierungspräsidiums ausloten, wie man Ittendorf bei einem Bau der Südumfahrung dann beim Weiterbau der B-31-neu entlasten könnte? Dabei ginge es dann um den westlichen Anschluss: Die linienbestimmte und favorisierte Trasse wird südlich von Ittendorf angebunden. Wird die Südumfahrung gebaut, sollte dieser Anschluss in der politischen Diskussion nicht mehr weiterverfolgt werden. Dann müsste man wieder einen seenäheren Anschluss weiter im Süden ins Auge fassen. Den lehnen die Nachbargemeinden am See aber ab. Also muss darüber wieder geredet werden. Das sind die Themen und Szenarien, über die Wölfle und Riedmann sprechen könnten und zu denen sie ihre Gremien auch einbeziehen könnten.

Die aktuelle LGVFG-Förderung läuft 2020 aus. Wenn nicht mehr genügend Geld im Topf sein sollte, müsste die Förderung für die nächste Periode neu beantragt werden. Dann hätte sich die Frage nach einem baldigen Baubeginn ohnehin erledigt. Aber eben weil sich die Bedingungen seit 2003 so gravierend verändert haben, ist es nun umso mehr die Pflicht aller Entscheidungsträger, allen voran des Landkreises, das Projekt Südumfahrung so zu steuern, dass es seinem eigentlichen Ziel, für eine signifikante Entlastung zu sorgen, tatsächlich noch so nahe wie möglich kommen kann – ohne Scheuklappen für eventuell nötige Änderungen, wie gesagt. Bei den aktuell 24,6 Millionen Euro Gesamtkosten wird es ohnehin nicht bleiben. Aber das ist wieder ein anderes Thema.

Abgesehen davon: Verträge sind grundsätzlich nicht sakrosankt. Jeder Vertrag kann geändert oder aufgelöst werden, wenn sich die Partner darüber einigen. Worauf es ankommt, ist, dass man die Beurteilung eines Vertrages und seiner Sinnhaftigkeit immer an der aktuellen Sachlage und dem aktuellen und zum aktuellen Zeitpunkt absehbar künftigen Bedarf orientiert. Beides kann sich im Laufe längerer Zeiträume ändern, und dann muss auch das Nachdenken über eine Vetragsanpassung erlaubt sein.