Südumfahrung-Vertrag ging am Markdorfer Gemeinderat vorbei

 

 

Die schriftliche Fixierung der Kostenteilung vom Sommer 2013: Markdorfer Stadträte und auch der Kreistag waren nicht informiert. Damit haben weder das Landratsamt noch Ex-Bürgermeister Bernd Gerber ein Problem: Mit dem Vertrag sei ein Grundsatzbeschluss, der ungefähr zehn Jahre zuvor von den Kreisräten gefällt worden sei, umgesetzt worden, ein neuer Beschluss sei daher nicht nötig gewesen, heißt es aus der Kreisbehörde. "Es war nur der Vollzug der seit 2008 bestehenden Beschlusslage", sagt auch Gerber. Stadträte in Markdorf sehen das anders: Bei der SPD und der Umweltgruppe ist man empört über das damalige Vorgehen.

In die Ausarbeitung und den Abschluss des Vertrages zur Kostenteilung für die Südumfahrung Markdorf zwischen der Stadt Markdorf und dem Landratsamt (der SÜDKURIER berichtete am Samstag exklusiv) waren im Sommer 2013 weder der Markdorfer Gemeinderat noch der Kreistag eingebunden. Die Stadträte hatten erst jetzt anlässlich einer nichtöffentlichen Sitzung von der Existenz des Vertrages erfahren. Diesen Sachverhalt bestätigt auch Ex-Bürgermeister Bernd Gerber im Gespräch mit dem SÜDKURIER. Gerber sieht indes kein Problem darin, dass der Gemeinderat seinerzeit nicht eingeweiht gewesen war. Gerber und Landrat Lothar Wölfle hatten den Vertrag im Juli/August 2013 unterzeichnet. Im September 2013 hatte Georg Riedmann sein Amt als Bürgermeister und Nachfolger von Gerber angetreten.

"Die Kostenteilung bei der Südumfahrung war immer schon Beschlusslage im Gemeinderat gewesen, seit dem Beschluss zum Beginn des Planfeststellungsverfahrens im Mai 2008", sagt Gerber. Insofern sei der Abschluss des Vertrages "nur der Vollzug dieser Beschlusslage" gewesen. Eine Notwendigkeit, dass der Gemeinderat im Sommer 2013 über den Vertragsabschluss nochmals informiert oder dazu eingebunden hätte werden müssen, habe in seinen Augen nicht bestanden. "Es ist keineswegs so, dass wir da nach eigener Willkür gehandelt hätten", sagt Gerber. Dies sieht man auch im Landratsamt so: Der Kreistag habe Anfang der 2000er-Jahre einen Grundsatzbeschluss zur Kostenteilung gefällt, so Sprecher Robert Schwarz auf Anfrage. Der Vertrag setze genau diesen um. "Einen erneuten Beschluss dazu brauchte es also nicht und gab es auch nicht", so Schwarz.

Riedmann möchte sich auf Anfrage aktuell nicht äußern und bittet um Verständnis. Das Thema sei auf der Agenda der nächsten öffentlichen Gemeinderatssitzung am 7. März und vorab wolle er deshalb mit einer eigenen Stellungnahme dazu nicht in die Öffentlichkeit treten. Der Gemeinderat, so Riedmann, habe für ihn das Recht auf den ersten Zugriff auf eine offizielle Information aus der Stadtverwaltung.

In den Reihen der Stadträte ist man hingegen nicht erfreut darüber, im Sommer 2013 bei der Entscheidung außen vor gelassen worden zu sein. "Für mich gehört solch ein Vertrag ganz klar in die Gremien", sagt SPD-Fraktionschef Uwe Achilles. Dass es überhaupt einen Vertrag gäbe, habe er zum ersten Mal in der Einladung zu der jüngsten nichtöffentlichen Sitzung Mitte Februar erfahren. "Da war ich dann gelinde gesagt schon mehr als erstaunt", sagt er. Er werde darauf in der Sitzung am 7. März auch nochmals eingehen.

Harsche Kritik auch von UWG-Fraktionschefin Susanne Deiters Wälischmiller. "Warum diese Hektik, bevor Herr Gerber sein Amt aufgegeben hat?", fragt sie. Dass ein solches Vorgehen juristisch überhaupt möglich sei, empfinde sie als absurd. Da ringe man im Gemeinderat bei der Haushaltsverabschiedung um jeden Posten und dann dürfe ein Bürgermeister am Rat vorbei einen solchen Vertrag abschließen. "Ein Vertrag, der nicht kündbar ist und kein Kostenlimit hat, damit kann ein Bürgermeister eine Gemeinde ruinieren", empört sich Deiters Wälischmiller. Nachdem noch weitere Kostensteigerungen zu erwarten seien, wisse man überhaupt nicht, was da noch auf die Stadt zukomme.

Stand jetzt müssten Stadt und Landkreis je 6,5 Millionen Euro aufbringen. Im November 2011 war man noch von je 4 Millionen Euro ausgegangen. Sie empfinde das damalige Vorgehen als "selbstherrlich", so die UWG-Chefin. Über eine Anfechtung des Vertrages müsste aus ihrer Sicht nun nachgedacht werden.

Diese Aufregung versteht FW-Fraktionschef Dietmar Bitzenhofer nicht. Über ein Jahrzehnt werde über das Thema "diskutiert, gestritten und sogar geklagt". Die "demokratisch gewählten Gremien" und ein Bürgerentscheid hätten sich dafür ausgesprochen. Mit dem Beginn der Klufterner Mediation und beim laufenden Planfeststellungsverfahren sei es "der richtige Zeitpunkt" für einen solchen Vertrag gewesen. Dass Wölfle und Gerber dies so vollzogen hatten, sei "gut so" gewesen. Der Vertrag, so Bitzenhofer, sei "sicher auch kein Blankoscheck", Land, Kreis und Stadt würden nach seiner Auffassung auch weiterhin "verantwortungsbewusst und zielgerichtet" entscheiden.

Der Vertrag

Der Vertrag zur Kostenteilung der nicht förderfähigen Kosten einer Südumfahrung Markdorf zwischen der Stadt Markdorf und dem Landkreis wurde im Juli und August 2013 vom damaligen Markdorfer Bürgermeister Bernd Gerber und Landrat Lothar Wölfle unterzeichnet. Kreistag und Gemeinderat waren nicht informiert. Bürgermeister Georg Riedmann möchte darüber am 7. März im Gemeinderat berichten. Die Gesamtkosten werden verwaltungsintern im Landratsamt aktuell auf rund 24,6 Mio. Euro taxiert. Bei der letzten offiziellen Schätzung im November 2011 war man noch von 16,4 Mio. Euro ohne Planungskosten ausgegangen (gesamt rund 18 Mio. Euro). (gup)