Kreistag wählt am 24. Februar 2015 den Landrat – Amtsinhaber Lothar Wölfle lässt offen, ob er für weitere acht Jahre antritt
Anton fuchslochIm Mai 2007
haben Sie Ihr Amt angetreten. Sie sitzen fest im Sattel und können sich der
Unterstützung der meisten Fraktionen im Kreistag ür
weitere acht Jahre sicher sein. Treten Sie noch einmal an?
Das kann ich Ihnen leider
noch nicht verraten. Ich werde zuerst das Gespräch mit den
Fraktionsvorsitzenden des Kreistags suchen und danach entscheiden, ob ich mich
erneut bewerbe. Im Übrigen will ich mich nach dem
vorgegebenen Prozedere richten und die Spielregeln einhalten.
Und wie lauten
diese?
Die Stelle wird
voraussichtlich im November ausgeschrieben, dann läuft die Bewerbungsfrist. Ein
Wahlausschuss gibt die Liste der gültigen Bewerber an das Innenministerium weiter,
wobei dieses einen Dreiervorschlag dem Kreistag zur Wahl vorlegt. Der Landrat
ist einerseits Wahlbeamter des Landkreises. Da er aber auch Leiter der
staatlichen unteren Verwaltungsbehörde ist, hat sich das Land bei der Wahl
gewisse Mitwirkungsrechte vorbehalten. Die Wahl im Kreistag wird am 24. Februar
2015 stattfinden.
Können Sie uns
wenigstens Ihre Ideen verraten, die Sie im Hinblick auf die Zukunft des
Bodenseekreises haben?
Mit Hochdruck arbeiten wir zur Zeit an dem Maßnahmenpaket für unser Demografiepapier.
Dabei geht es um Zukunftsthemen angefangen von der beruflichen Bildung über
Sozialsysteme bis hin zum Tourismus. Wir müssen uns weiter intensiv um die
Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur und die Finanzen kümmern. Wir haben in
den vergangenen sieben Jahren zwar unsere Verschuldung von 60 auf 30 Millionen
Euro halbiert, aber die Aufgaben werden nicht weniger. Ein großes Thema wird
auf jeden Fall die soziale Sicherung sein.
Fangen
wir beim Verkehr an. Die B 31 zwischen Friedrichshafen-West und Immenstaad-Ost wird ab 2015 gebaut und könnte 2020 fertig
sein. Wie es dann weiter geht, steht in den Sternen?
Ich hoffe nicht.
Seit drei Jahren sage ich, dass wir weiterdenken und planen sollten. Denn eins
ist klar: Wenn die Umfahrungen Friedrichshafen 2020 und Überlingen ein paar
Jahre später fertig sind, wird Hagnau die einzige
Ortsdurchfahrt auf der ganzen B 31 von Lindau bis Freiburg sein. Man braucht
nicht Verkehrsexperte zu sein, um zu ahnen, was dann passiert. Wir werden dann
nicht mehr gelegentliche Staus von ein bis zwei Kilometer Länge vor Hagnau sehen, sondern stehende beziehungsweise schleichende
Autoschlangen von fünf und mehr Kilometer. Das können wir sehenden Auges nicht
hinnehmen.
Aber
mit einer isolierten Lösung für Hagnau ist es nicht
getan, wie jüngst Immenstaads Bürgermeister Beisswenger sagte. Wie könnte eine Gesamtlösung zwischen Immenstaad und Überlingen aussehen?
Das muss ein
Planungsprozess ergeben, der möglichst bald beginnen sollte. Der Ball liegt
momentan beim Land, das Planungsmittel und Planungskapazitäten dafür zur
Verfügung stellen muss. Erst vor zwei Monaten habe ich darüber mit
Ministerpräsident Kretschmann gesprochen, und ich hatte den Eindruck, dass er
das verstanden hat.
Schwierig
und voraussichtlich langwierig wird dieser Planungsprozess allemal. Wo liegen
die Knackpunkte?
Da gibt es eine
ganze Menge. Das fängt bei Immenstaad an, das auf
eine Trasse im Bereich der Steigwiesen setzt. Dann geht es in Ittendorf weiter, wo nach dem Planfall
7.5 der Weingärtner Wald umfahren werden soll. Markdorf hat sich aber für eine
südlichere Variante ausgesprochen, was wiederum Kippenhausen
tangiert. Meersburg möchte offenbar den Status quo erhalten und möglichst wenig
Veränderung vor der eigenen Haustür. Die Gemengelage ist kompliziert, wenngleich
sich die meisten von uns darüber im Klaren sind, dass zwischen Meersburg und Immenstaad etwas geschehen muss.
Wie
wollen Sie bei dieser diffusen Interessenslage alle unter einen Hut bekommen?
Das wird
schwierig. Die Veränderung der Rechtslage im europäischen Artenschutz kommt uns
etwas entgegen. Früher gab es eine Linienbestimmung, und aufgrund dieser
Festlegung hat man eine bestimmte Trasse geplant. Jetzt müssen alle denkbaren
Varianten in gleicher Intensität untersucht werden. Das heißt, der Planungseinstieg
bedeutet noch keine Festlegung auf eine bestimmte Trasse. Das sollte allen den
Einstieg erleichtern. Am Ende dieses Prozesses sollten aber alle das Ergebnis
akzeptieren.
Das
ist in Kluftern schon schwierig... Wie sollte der
kommunale Konsens bei einem solchen Teilnehmerfeld gelingen?
Ich habe vor
zwei Jahren schon die Bürgermeister der betroffenen Gemeinden eingeladen, um
unsere Vorgehensweise gegenüber dem Land abzustimmen. Wichtig ist nun, dass die
Planung ergebnisoffen möglichst bald beginnt. Wir reden hier ja über Zeiträume
von zehn Jahren plus. Insofern ist jeder Tag, an dem nichts geschieht, ein
verlorener Tag. Das ist mein eigentlicher politischer Kampf bei dem Thema.
Nicht nur auf
der Straße, auch auf der Schiene ist der Bodenseekreis nicht up to date.
Wer am Schweizer Bodenseeufer mit dem Zug unterwegs ist, weiß, dass es anders
und besser geht. Die Bahnen fahren dort alle elektrisch, sind technisch top,
komfortabel, die Bahnhöfe sauber, das Tarifsystem Ostwind vorbildlich. Warum
kriegen wir das auf deutscher Seite nicht hin?
In der Schweiz, aber auch in
Österreich sind die Menschen bereit, dafür mehr Geld in die Hand zu nehmen.
Nicht nur, was die einzelne Fahrkarte, sondern auch was öffentliche Zuschüsse angeht.
Dort fließt erheblich mehr in das System hinein. Dann kommt hinzu: In der
Schweiz entscheiden die Kantone, in Vorarlberg das Land, bei uns reden mehrere
politische Ebenen mit, was die Sache zäher macht. Sie sehen es an der Südbahn. Wenn die kommunale Seite keine eigenen
Planungsmittel in die Hand genommen hätte, würden wir heute noch nicht über die
Elektrifizierung reden. Ein Beispiel, wie es funktioniert, ist die BOB. Hier
haben wir die Dinge in die Hand genommen.
Das Thema
Unterbringung von Asylbewerbern brennt Ländern, Kreisen und Kommunen auf den
Nägeln. Im August musste der Landkreis die Zuweisung von 50 Personen ablehnen.
Anderswo wird zwangszugewiesen, werden Gebäude beschlagnahmt, Turnhallen
belegt. Wie sieht es im Bodenseekreis aus?
Die Lage hat sich im Laufe
des August bei uns etwas entspannt. Unterm Strich konnten wir nur 15 von den
rund 70 zugewiesenen Personen nicht aufnehmen. 40 Personen sind im Laufe des
Monats aus unseren eigenen Unterkünften ausgezogen, was uns Spielraum
verschaffte. Dabei spielten die Ehrenamtlichen eine ganz wichtige Rolle. Sie
helfen den Flüchtlingen nicht nur, sich im Alltag zurecht
zu finden, sondern unterstützen sie auch in der Suche nach Wohnraum. Das finde
ich toll, und das zeigt, dass die Stimmung in der Bevölkerung komplett anders
ist als Ende der 80er Jahre.
Der Zustrom an
Flüchtlingen wird allen Prognosen zufolge aber weiter zunehmen. Rein
ehrenamtlich wird sich das Problem der Betreuung und Wohnraumbeschaffung nicht
lösen lassen. Welche Perspektiven sehen Sie im Kreis?
Im September erwarten wir 70
bis 80 Asylbewerber. Da wir immer noch Menschen aufnehmen können, hat uns das
Land bis dato noch keine Zwangszuweisungen angedroht. Das kann aber jederzeit
passieren. Die zentrale Aufnahmestelle in Karlsruhe ist überlastet, die Kaserne
in Meßstetten ist noch nicht einsatzbereit. Wir haben hier aber weder leer
stehende Kasernen, noch still gelegte Firmengebäude und unsere Unterkünfte sind
alle belegt. Wie schwer im Bodenseekreis Wohnungen zu bekommen sind, weiß jeder,
der nach einer sucht. Wir haben natürlich einen Plan B - sprich Belegung von
Turnhallen - schon in der Tasche, aber den ziehen wir nur, wenn nichts anderes
geht. Wir sind in Verbindung mit Gemeinden, Bauträgern,
Wohnungsbaugesellschaften und allen, die uns hier weiter helfen können. Aktuell
sind wir dabei, in einer Gemeinde ein Zwölf-Familien-Haus zu kaufen. Wir
versuchen auch, an Grundstücke heranzukommen, wo wir bauen können, wie wir das
ja auch in Überlingen und Markdorf getan haben. Generell sehe ich aber nicht
nur Probleme, sondern auch Chancen, vor allem was die Beschäftigung angeht. Wir
müssen diesen Menschen den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern. Angesichts
unserer demografischen Entwicklung brauchen wir Verstärkung.