Personalbestand der Straßenbauverwaltung ist ausgedünnt, die Anforderungen steigen

Von Herbert Beck

Tübingen / heb Die Wogen gingen in der baden-württembergischen Landespolitik im Februar hoch. Eine unfassbare Blamage hatte sich da, aus Sicht der Opposition, der grüne Verkehrsminister Winfried Hermann geleistet. Auch der Koalitionspartner von der SPD murrte. Selbst Ministerpräsident Winfried Kretschmann gab zu, auf so eine Wiederholung sei er nicht scharf. Zum ersten Mal hatte das Land 2013 nicht alle Mittel beim Bund abgerufen, die für Neu- und Ausbaumaßnahmen an Bundesautobahnen und Bundesstraßen reserviert waren. Der Nachbar Bayern, an dem sich das Land so gerne misst, aber setzte sogar 100 Millionen Euro mehr als zugesagt um.

600 Stellen weniger

Der Generalverdacht war schnell formuliert. Aus ideologischen Gründen blockiere Winfried Hermann den Straßenbau. Dessen Begründungen für die Malaise nahm ihm die Opposition nicht ab. Noch nie sei doch trotz allem so viel Geld wie 2013 in Baden-Württemberg verbaut worden. Berlin habe mehrere vom Land angemeldete Freigaben für Neubauten abgelehnt, zuletzt noch im November 2013. Als Ausrede galt auch Hermanns Hinweis, die Vorgängerregierungen hätten mit der Verwaltungsreform des Jahres 2005 systematisch das Personal der Straßenbauverwaltung abgebaut. Rund 1600 Vollzeitstellen gab es noch 2001. Investiert wurden damals im Schnitt 450 Millionen Euro. Noch knapp 1000 Stellen sind davon geblieben – bei Investitionen von zuletzt rund 800 Millionen Euro.

Josef Bild sitzt im vierten Stock des Tübinger Regierungspräsidiums. Hinter seinem Schreibtisch ziert eine große Straßenkarte Baden-Württembergs die Wand. Der 58-Jährige leitet die Straßenbauverwaltung für das südliche Württemberg. 212Planstellen, in Vollzeit gerechnet, stehen ihm zur Verfügung. Das klingt erst mal gut. Der Ingenieur aber sagt: „Wir sind am Limit. So können wir die hohen Standards nicht mehr halten.“ Pensionierungen stehen an, die er ausgleichen will. Zudem geht „Seniorwissen“ verloren. Er würde generell mehr kluge Köpfe benötigen, weil insbesondere das Brückensanierungsprogramm den Personalbedarf erhöhe.

90 Prozent werden extern geplant

Längst wird ein Teil der Planungen an externe Ingenieurbüros abgegeben. Bis zu 90 Prozent. „Am Schluss aber müssen meine Leute den Kopf hinhalten“, betont Bild. Bei Vergaben für die Millionenbeträge. In der Bauleitung. Bei Abrechnungen. Bei der Feinabstimmung auch mit den Landkreisen. Neubau ist ja nur ein Teil des Geschäfts. Gerade in den Sommermonaten wird viel ausgebessert, wird alter Teer durch neuen ersetzt, werden vereinzelt zusätzliche Fahrstreifen geschaffen. Josef Bild warnt schon mal vor: „Beim Sanieren im laufenden Verkehr sind Staus unvermeidlich. Die kommen nicht gut an. Man kann aber nicht bauen, ohne dass es auffällt.“

Gerade das Regierungspräsidium Tübingen muss in den kommenden Jahren besonders viele Neu- und Ausbauten stemmen, sofern der Bund die Pläne des Landes akzeptiert. Wie Hermann vertritt auch Bild den Standpunkt, bei der Finanzierung vom Prinzip der Schlussabrechnung zum 31. Dezember wegzukommen, „Haushaltsreste müssen übertragbar sein“. Er räumt auch mit der Einschätzung auf, kurz vor Jahresende noch auf die Schnelle Geld verbuddeln zu können, falls Berlin seine Kassen öffnet. „Im Dezember kann ich keine Ausschreibung mehr starten. Ich muss im Prinzip schon im Sommer wissen, was noch geht.“

Die mit Abstand größte Baustelle im Regierungsbezirk befindet sich derzeit auf der Albhochfläche – der sechsspurige Ausbau der A8 zwischen Ulm-West und Hohenstadt. Von den geschätzten 203 Millionen Euro sind mittlerweile knapp 50 Millionen Euro verbaut. 2018 soll alles fertig sein. Zusammen mit der Bahn wurden mehrere Brücken erstellt, die auch die Schnellbahnstrecke Ulm – Wendlingen überqueren. Diese „komplexe“ Investition dient Josef Bild als Beispiel dafür, dass die Zahl des Personal noch nicht alles über die Qualität der Arbeit aussagt. „Da brauche ich erfahrene, bewährte Mitarbeiter.“ Landesweit wurden den vier Regierungspräsidien mittlerweile zwar knapp 40 neue Stellen zugewiesen. Die Interessenten aber stehen auch bei Josef Bild nicht Schlange. Der Staat als Arbeitgeber tut sich schwer beim Vergleich mit Verdienstmöglichkeiten in der Wirtschaft. Jüngst konnte Bild einen, wie er sagt, hochqualifizierten Beamten aus Bayern für den Einsatz in Baden-Württemberg begeistern. Der habe dann gestaunt, wie viel Verantwortung im Südwesten zu schultern ist. Entsprechend lang dauert die Einarbeitung.

Im Bodenseekreis wird voraussichtlich in diesem Jahr für den 7,2Kilometer langen Bauabschnitt der B31 zwischen Immenstaad und Friedrichshafen die Ampel endgültig auf grün gestellt. 107 Millionen Euro sind veranschlagt. 500 000 Kubikmeter Erde müssen bewegt, unter anderem zwölf Brücken errichtet werden. Derzeit laufen zur Vorbereitung exakte Bodenuntersuchungen für die Statik. Mit den Naturschutzverbänden abgestimmt ist die Verlegung des Mühlbachs bei Schnetzenhausen. Damit soll der Lebensraum von Bachmuscheln gesichert werden. 1,5Millionen Euro sind dafür veranschlagt. „Richtig loslegen können wir aber erst im kommenden Jahr“, stellt Bild klar.

Ein „Ja“ aus Berlin ersetzt zwar das bei allen Planungen immer im Raum stehende „Ob“. Beim „Wie“ aber sind wieder die Experten der Straßenbauverwaltung Herren des Verfahrens. Bei großen Investitionen, die sich über einen längeren Zeitraum hinziehen, werfen aber immer wieder unliebsame Überraschungen alle Planungen und Kalkulationen über den Haufen. Beim Scheibengipfeltunnel, der die unter dem Durchgangsverkehr ächzende Stadt Reutlingen entlasten soll, musste noch während der laufenden Arbeiten ein zusätzlicher Rettungsstollen eingeplant werden. Die Gesamtkosten liegen jetzt bei 110 Millionen Euro. Ursprünglich war mit 70Millionen Euro kalkuliert worden.

Doch Josef Bild hat es in der Vergangenheit mehrfach auch geschafft, am Ende mit weniger Geld als gedacht auszukommen. „Wir rechnen scharf und genau.“

(Aktualisiert: 28.04.2014 08:30)