Häfler Muschelumsiedelung: „Artenschutz wird mit Füßen getreten“

B 31-Baustelle Mühlbach-Verlegung: Naturschutzverbände kritisieren Umsiedelung der europarechtlich geschützten Bachmuschel „auf Verdacht“



Die millionenteure Verlegung des Mühlbachs und die Umsiedelung der geschützten Bachmuschel beschäftigt einmal mehr die Gemüter. Während die Gewässerbauer voll im Zeitplan liegen, das rund 500 Meter lange Bachbett konkrete Formen annimmt und die für Sommer geplante Umsiedelungsaktion der Bachmuschel in greifbare Nähe rückt, kommen Querschüsse der Naturschutzverbände im Bodenseekreis. Sie fordern „keine Umsiedelung der Bachmuscheln auf Verdacht“.

Der Hintergrund, so schreiben Engelbert Sachs (BUND Bodenseekreis), Anny Germann (LNV Bodenseekreis) und Thomas Körner (NABU) in einem offenen Brief ans Regierungspräsidium: Die Umsiedelung der Bachmuschel erfolge, „obwohl es aufgrund knapper Finanzmittel noch keine Zusage aus Berlin für die Baufreigabe der B 31 neu zwischen Friedrichshafen und Immenstaad gebe. Insofern geschehe die Umsiedelung der Muschel vorschnell. „Für eine strenggeschützte Tierart ist dies ein schwerer artenschutzrechtlicher Eingriff.“ Bislang gebe es keinen wissenschaftlich dokumentierten Fall, dass eine solche Umsiedlung von Bachmuscheln irgendwo erfolgreich durchgeführt wurde. Demgegenüber seien Fälle bekannt, wo es beim Versuch von Umsiedlungen – trotz bester Absichten und fachlicher Begleitung – zu negativen Auswirkungen auf die Bachmuschelpopulation gekommen sei. „Deshalb darf dieser riskante Eingriff in den Bachmuschelbestand keinesfalls erfolgen, solange nicht zweifelsfrei geklärt ist, dass das projektierte Bauvorhaben auch tatsächlich wie geplant durchgeführt wird.“ Mit einer Bachmuschelumsiedlung „auf Verdacht“ würde der Artenschutz nach Ansicht der Naturschutzverbände mit Füßen getreten.

Maßnahme liegt voll im Zeitplan

Steffen Fink, Pressesprecher des Regierungspräsidiums Tübingen (in dessen Auftrag die Umsiedelung der Muschel läuft), bestätigt zwar, dass für den B 31 neu-Bau die Gelder aus Berlin nach wie vor nicht freigegeben seien, das Verkehrsministerium die Freigabe der Mittel aber beantragt habe. „Bislang ist aber noch nichts zurückgekommen.“ Die Kritik der Naturschutzverbände kann Fink „nicht nachvollziehen“: Unabhängig davon, dass man laufend im Gespräch mit den Naturschützern sei, „es ist immer davon die Rede gewesen, dass die Bachverlegung mit Muschelumsiedelung eine vorbereitende Maßnahme ist.“ Erst mit deren Umsetzung könne mit dem eigentlichen Bau begonnen werden. Was die im August 2013 begonnene Maßnahme rund um den Mühlbach anbetrifft, „wir liegen voll im Zeitplan.“ Zurzeit werde das neue Mühlbachbett ausmodelliert. „Ziel ist es, den neuen Bachlauf und die Uferböschungen naturnah und unter besonderer Berücksichtigung der Lebensraumansprüche der Bachmuschel zu gestalten. Dies geschieht unter Anleitung eines Teams von Muschelexperten und Landschaftsplanern.“ Die Gestaltung des Baches erfolge unter Verwendung von standorttypischem Material, die Böschungen würden mit gebietsheimischem Saatgut angesät. Der Charakter des Mühlbachs als Wiesenbach werde insgesamt erhalten, meinte Fink gegenüber der SZ.

Im Zuge der Bachverlegung wurden bereits zwei Durchlässe für den Mühlbach und ein Zulauf („Heiselochgraben“) gebaut, um einen nochmaligen Eingriff in den neuen Bachabschnitt zu einem späteren Zeitpunkt zu vermeiden. Und mit Blick auf die Umsiedelung: „Die ist zwar wetterabhängig, soll aber innerhalb weniger Tage passieren.“

Wie CDU-MdB Lothar Riebsamen auf Anfrage der SZ mitteilt, lässt die Finanzierungszusage des Bundes für die B 31 neu nach wie vor auf sich warten. Der Politiker erwartet sie „frühestens im Juli und spätestens im Dezember“, wenn es um die Maßnahmenkataloge innerhalb des Haushalts 2014 beziehungsweise 2015 gehe. Riebsamen macht deutlich, dass es „elementar ist, dass die Maßnahme als begonnen gilt“, bevor der neue Bundesverkehrswegeplan komme. „Dort sollen nämlich nur noch begonnene Straßenbaumaßnahmen aufgenommen werden.“

Im Zuge der B 31 neu zwischen Immenstaad und Friedrichshafen, konkret im Bauabschnitt IIB Immenstaad-Waggershausen, ist den Straßenbauern zum Teil der Mühlbach im Weg. Dessen Besonderheit: Dort ist die europarechtlich streng geschützte und vom Aussterben bedrohte Bachmuschel heimisch. Teil des Planfeststellungsbeschluss zur B 31 ist die Verlegung des Mühlbachs auf einer Länge von 500 Metern. Im neuen Bachlauf soll das geschützte Weichtier wieder angesiedelt werden. Das soll nach dem aktuellen Stand der Planungen im Laufe des Sommers passieren.

Die Gesamtkosten für die naturschutzrechtliche Maßnahme bei Sparbruck belaufen sich auf 1,5 Millionen Euro. Allein die Schaffung des neuen, sanft mäandrierenden Bachverlaufs (Auftragnehmer ist das Tettnanger Unternehmen Zwisler), verschlingt rund eine Million Euro. Das Geld kommt vom Bund, Bauherr der Maßnahme ist das Regierungspräsidium Tübingen. Was im August 2013 bei Sparbruck begonnen wurde, wird gerne „als erster Bauabschnitt für die B 31“ bezeichnet. Insgesamt geht es für die B 31 neu zwischen Immen-staad und Friedrichshafen um eine Bausumme von 120 Millionen Euro (inklusive der Tunnelverlängerung in Waggershausen). (alx)

(Erschienen: 23.04.2014 16:35)