Stadt will dem Lärm an den Kragen

Plan zeigt lärmbelastete Bereiche der Gemeinde Markdorf und mögliche Verbesserungen

Von Stefanie Rebhan

Markdorf Das Grobkonzept des Lärmaktionsplanes (LAP) Markdorf steht. Bis zum 24. Oktober müssen die Stellungnahmen der Nachbargemeinden und der Fachbehörden – wie der Straßenverkehrsbehörde – dazu vorliegen. Auch die Bürger können in diesem Zeitraum Kritik und Vorschläge für den Plan äußern. Ab dem heutigen Freitag kann der 49Seiten starke LAP inklusive sechs Lärm-Karten im Internet eingesehen werden, ab kommenden Montag liegt er auch im Rathaus aus. Das Ziel des LAP, den die Schweizer Firma Rapp Trans erstellt hat, ist es, „die Lärmbelastung für die Menschen in der Stadt Markdorf zu verbessern“.

Die Ravensburger Straße West, Ost und Mitte in Markdorf sind etwa Bereiche, für die der LAP Maßnahmen gegen die Lärmbekämpfung vorschlägt. Hier liegt der Dezibel-Pegel bei 77 in 24 Stunden und 68 bei Nacht. Von einer hohen Belastung spricht man laut der Diplomingenieurin Gabriele Schulze von Rapp Trans ab 65 Dezibel, von einer sehr hohen ab 70 Dezibel.

Ein für den LAP betroffener Bereich errechnet sich aber nicht nur durch das Lärmaufkommen, sondern vor allem auch durch die Höhe der Bevölkerungsanzahl an diesen Stellen. Der Lärm beschäftigt Anwohner an dünner besiedelten Straßenabschnitten zwar genauso, nur wären die zusätzlichen Maßnahmen zur Reduzierung der Belästigung dort von Kosten und Aufwand her zu hoch.

Laut LAP sollte unter anderem etwas an den Lärm- und Einwohnerschwerpunkten in Hepbach, Leimbach und Ittendorf entlang der B33 getan werden. „Vorschläge für eine Lärmminderung sind vor allem Geschwindigkeitsbegrenzungen auf 30 oder 40 Kilometer in der Stunde in der Nacht und im Idealfall auch am Tag. Es gibt auch die Möglichkeit, die Straßen mit lärmminderndem Flüsterasphalt zu überziehen“, sagt Matthias Schäfer vom Stadtbauamt. Der Flüsterasphalt würde aber nur verwendet, wenn der bestehende ersetzt werden müsste.

Eine weitere Überlegung sei die Installierung von Blitzgeräten. Die beste Lösung gegen den Verkehrslärm sei laut Lärmaktionsplan die Südumfahrung. Doch wann die kommt, weiß derzeit keiner. Im Lärmaktionsplan steht jedenfalls an mehreren Stellen, dass eine deutliche Lärmreduzierung nur durch die Südumfahrung zu realisieren sei, etwa im Bereich der Oberen und Unteren Gallusstraße oder in der Markdorfer Mitte.

In der Gemeinderatssitzung am 22. Mai, in der die Aufstellung des LAP beschlossen wurde, signalisierte auch Bürgermeister Bernd Gerber, dass eine Entlastung nur durch die Umfahrung gegeben sei. Diese soll laut Informationen aus dem Regierungspräsidium Tübingen noch in diesem Jahr planfestgestellt werden.

Was auch immer sonst gegen die Lärmbelastung getan wird, müsse in Abstimmung mit den umliegenden Gemeinden geschehen. „Es wäre zum Beispiel nicht gut, wenn Hagnau seinen Verkehr zugunsten der eignen Lärmentlastung über Markdorf ableiten würde“, erklärt Schäfer.

Um so etwas zu vermeiden besteht die „Interkommunale Arbeitsgemeinschaft Lärmaktionsplanung“, zu denen die Städte Ravensburg, Bad Waldsee, Biberach, Friedrichshafen, Markdorf, Tettnang, Überlingen, Wangen im Allgäu, Weingarten sowie die Gemeinden Hagnau, Meckenbeuren, Uhldingen-Mühlhofen und Oberteuringen gehören.

Einige dieser Kommunen haben bereits lärmmindernde Maßnahmen getroffen, und auch für Markdorf sieht Schäfer gute Chancen. Ganz werde der Lärm nicht zu tilgen sein, eine Verbesserung gebe es aber sicherlich. „Ich habe schon hohe Erwartungen in Richtung Geschwindigkeitsbegrenzungen. Zusammen mit dem Flüsterasphalt wäre das noch besser, wie Gürtel und Hosenträger sozusagen. Intakter Asphalt würde aber natürlich nicht ersetzt“, so Schäfer.

Errechnet wurden die Ergebnisse des LAP über Verkehrszählungen, Einwohner- und Gebäudezahlen sowie topographischen Fakten in Markdorf von der Firma Modus Consult Ulm. Entstanden sind so auch die sechs – ebenfalls einsehbaren – großformatigen Karten, die den Lautstärkepegel, den Gebäudelärm und die Lärmschwerpunkte während 24 Stunden und nachts zeigen.

(Erschienen: 20.09.2012 17:25)

 

 

Kommentar:

Beste Lösung Südumfahrung ?

 

"Die beste Lösung gegen den Verkehrslärm sei laut Lärmaktionsplan die Südumfahrung." heißt es in dem Artikel der Schwäbischen Zeitung. Eine solche Aussage konnte ich in dem aktuell vorliegenden Gutachten von RappTrans nicht finden.

Tatsächlich findet sich bei mehreren hochbelasteten Streckenabschnitten im LAP der Hinweis:
"Eine grundlegende Minderung der Lärmbelastung in diesem Bereich wird es nur mit dem Bau der Südumfahrung geben". Diese Aussage suggeriert, dass die Südumfahrung eine größere Lärmentlastung bringen könnte, als alle anderen Lärmschutzmaßnahmen zusammen. Doch das trifft nicht zu. Die Temporeduktion von 50 auf 30 in der Ortsdurchfahrt bringt laut LAP ca. 2,6 dB. Dazu kommen minus 1,5 dB wegen der Verstetigung des Verkehrsflusses bei Tempo 30 (vermutlich weil es zu weniger bzw. zu kürzeren Beschleunigungsvorgängen zwischen den Kreuzungen kommt). Nicht beziffert wird die erzielbare Lärmreduktion durch effektive Tempokontrollen, die eine weitere Lärmminderung (zumindest nachts mehr als 1 dB) bringen dürfte. Somit ergibt sich - noch ohne den relativ teuren "Flüsterasphalt" - ein Lärmminderungspotential von 4-5 dB.

Demgegenüber würde nach dem Bau einer Südumfahrung der Lärm im Ort laut Prognose nur um 3-4 dB abnehmen. Dabei wurde allerdings die verkehrserzeugende Wirkung des Straßenbaus unterschlagen, die die Entlastung mindert. Umgekehrt würde bei Tempo 30 im Ort aufgrund der bremsenden Wirkung auch das Verkehrsaufkommen leicht vermindert, was die Lärmentlastung in diesem Fall wiederum noch leicht verbessert.

Weder die Südumfahrung noch die anderen o.g. Maßnahmen werden für sich allein ausreichen, um die Lärmgrenzwerte einzuhalten. Doch während die Südumfahrung über 18 Millionen Euro kosten soll und Nachbarorte und ruhige Erholungsräume zusätzlich verlärmen würde, kosten die anderen Maßnahmen - die in der Summe mindestens ebensoviel Lärmentlastung bringen und viel schneller umsetzbar sind - nur ein oder zwei Prozent davon!

Allerdings sind Tempo-30-Schilder und Starenkästen im Ort kaum dazu geeignet, neue Gewerbegebiete im ausgewiesenen regionalen Grünzug südlich von Markdorf zu erschließen. Vielleicht ist das ja der Grund, wieso sich die Stadt Markdorf jahrelang auf die teure Südumfahrung fixiert hat und diese naheliegenden, preiswerten und effektiven Lärmschutz-Maßnahmen nicht schon längst umgesetzt hat...