Hoffnungen ruhen jetzt auf Lärmaktionsplan

 

Noch nicht endgültig vom Tisch. Tempo 30 in Bermatingen. (Foto: sz)

Von Ingeborg Wagner

Bermatingen Ein Lärmaktionsplan könnte die Lösung für die Beruhigung der Bermatinger Ortsdurchfahrt sein. Der Gemeinderat stimmte für die Vergabe eines entsprechenden Gutachtens an das Schweizer Büro RappTrans in Höhe von 15000 Euro. Denn das Landratsamt hatte einen erneuten Antrag der Gemeinde auf die Einführung von Tempo 30 und eine Überquerungshilfe im Bereich Adler/Sparkasse abgelehnt (die SZ berichtete). Die Verwaltung hatte ihr Anliegen mit dem Kurorterlass begründet. Doch eine alleinige Prädikatisierung einer Gemeinde als Kurort genüge nicht. „Ihnen mangelt es schlichtweg an einem der vier Positivkriterien, die einen solchen Erlass stützen würden“, sagte Frank Decker, zuständiger Sachbearbeiter beim Verkehrsamt des Bodenseekreises.

Räte reagieren aufgebracht

Die Wogen schlugen hoch in der Sitzung am Dienstagabend. Bürgermeister Martin Rupp hatte alle Mühe, die aufgeheizte Stimmung zu besänftigen. Sowohl Herbert Grau (SPD) als auch Carola Mahler (LBU) reagierten aufgebracht auf die erneute Abfuhr. Grau und den meisten Gemeinderäten stieß auf, dass Kluftern – ebenfalls Landesstraße – Tempo 30 in der Ortsdurchfahrt habe. Herbert Grau: „Das ist nicht einsehbar. Ich möchte das gleiche Recht haben, es ist ja schließlich derselbe Landkreis.“ Decker wollte das nicht kommentieren. Kluftern gehöre zum Zuständigkeitsbereich der Straßenbehörde der Stadt Friedrichshafen. Er kenne die Begründung deshalb nicht. Kontext im Gemeinderat war, sich den Fall Kluftern nochmal genau anzuschauen und die Umstände dieser Entscheidung zu erfragen. Bürgermeister Martin Rupp sagte das zu.

 

„Der Lärmaktionsplan ist eine Hoffnung, dass es mit diesem Instrument funktioniert“, sagte Rupp. Das Büro TransRapp wird nun die notwendigen Detailzahlen liefern – ein umfassender Katalog, der neben den Fahrzeugbewegungen auch Dezibelmessungen des Lärmpegels und die Zahl der unmittelbar betroffenen Anwohnern etc. umfasst, um dann Vorschläge zur Minderung der Lärmbelastung zu machen. Das können Maßnahmen wie Flüsterasphalt oder andere bauliche Veränderungen sein. Zudem hätte die Gemeinde mit diesem Zahlenmaterial die Chance, erneut einen Antrag auf Temporeduzierung zu stellen. Dann mit dem Hinweis auf den Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm und Abgasen. „Derzeit haben wir keine Anhaltspunkte, inwieweit sie belastet sind“, sagte Decker. Abhängig von diesem Lärmgutachten wird das Landratsamt dann nochmal prüfen, was möglich ist. Frank Decker: „Das kann Tempo 30 sein, das kann 40 sein, das kann Tag sein, oder Nacht, oder beides.“ Oder auch nichts von alledem, wies Rupp darauf hin.

Elisabeth Gutemann (SPD) hatte sich an den einführenden Worten das Verkehrsmannes gestört, der eine Temporeduzierung als „Nice to have“ bezeichnete und anführte, er würde es sich gerne einfacher machen, als es die Gesetzeslage zulasse. Gutemann: „Das ist für uns nicht einfach ,nice to have’, sondern weil es für die Bevölkerung notwendig ist.“ Dr. Gerhard Barisch (LBU) sagte, er habe den Eindruck, dem Landratsamt sei der durchlaufende Verkehr oberstes Gebot und nicht die Sicherheit von Fußgängern und Anwohnern.

Auch der Antrag auf einen weiteren Fußgängerüberweg beim Adler/Sparkasse lehnt das Landratsamt ab. An dieser Stelle kollidierten Rangierfahrten, Suchverkehr und der Kreuzungsbereich. Deshalb sei der Zebrastreifen in Höhe Volksbank und nicht hier eingerichtet. Decker sagte, er werde niemals an einer Stelle mit diesen örtlichen Begebenheiten einer verkehrsrechtlichen Voraussetzung zustimmen, die kleinen Kindern beim Queren nicht gerecht würde. Zudem habe Bermatingen innerhalb weniger als einem Kilometer drei sichere Querungshilfen. „Damit ist dem Recht des Fußgängers genüge getan.“

(Erschienen: 23.05.2012 22:30)

Kommentare

Autor: BlackCrowe

Kluftern - Hintergrund zurdortigen Tempo 30 Zone

Dem werten Gremium kann ob seiner Unkenntnis abgeholfen werden.
Der Zustimmung zur 30er Zone in der Klufterner Ortsdurchfahrt (L207) ging ein Kuhhandel zwischen der Gemeinde Kluftern und der Stadt Friedrichshafen voraus.
Wie ja allseits bekannt, suchte die Stadt Friedrichshafen nach dem negativen Bürgerentscheid in Salem zur Ansiedlung des Materialwirtschaftszentrums der MTU händeringend nach einem neuen Standort. Passende Flächen am Flughafen wollte der damalige OB dafür aber nicht rausrücken (zu viel Verkehr, zu wenige Arbeitsplätze/Gewerbesteuer, Freihalten für innovativere Nutzung, eventuelle Flughafen-/Messerweiterungen,..), wobei die "Wahl" dann nach einem absurden Standortsuchverfahren, undurchsichtigen und äußerst dehnbaren Kriterien und der bewussten Ausserachtlassung weit geeigneterer Standorte (RV Süd,..) auf Kluftern fiel (weil als gut 3000 Einwohner zählender Stadtteil von FN keinerlei Chance auf einen ablehnenden Bürgerentscheid besitzend). Die Klufterner liessen sich ihre "Zustimmung" zum eh Unabänderlichen aber teuer bezahlen. Wie mir ein reputabler und absolut glaubwürdiger, befreundeter Kreisrat und FN-Stadtrat versicherte, verhandelte Kluftern für sein "JA" zum MWZ auf seiner Gemarkung u.a. das nigelnagelneue Feuerwehrhaus, die Hochstufung in der Sportstättenliste (Ettenkirch und Ailingen wären mit einem neuen Sportrasenplatz eigentlich dran gewesen), der Renovierung/Anbau der/an die Sporthalle (Fischbach rutschte hier nach hinten und muß sich nun gedulden) sowie eben die auf 30 km/h reduzierte Geschwindigkeit in der Ortsdurchfahrt samt der noch immer nicht abgeschlossenen Straßenarbeiten (neuer Straßenbelag, Fahrbahnteiler,..) raus...
Sich nun hinter unterschiedlichen Zuständigkeiten (Stadt FN/LRA) zu verschanzen ist schäbig und unglaubwürdig. Was in Kluftern auf einer Landstrasse (anscheinend unmöglich) doch möglich gemacht wurde, darf 4 Kilometer weiter Bürgern an einer direkt daran anschliessenden Landstrasse nicht mit fadenscheinigen Argumenten verwehrt werden.
Ich bitte den Gemeinderat der Gemeinde Bermatingen und Herrn Bürgermeister Rupp hier nicht locker zu lassen und ihrer Fürsorgepflicht der hiesigen Bevölkerung gegenüber mit Nachdruck gerecht zu werden.

 

Autor: Silenzium

danke @ BlackCrowe für diese absolut glaubwürdigen Hintergründe.

Diese Schilderung mag auch als Beispiel dienen, was alles noch so hinter vordergründig vollkommen unverständlichen Ratsentscheidungen stecken kann.

Mir ist ja heute - nach mehr als 20 Jahren Verkehrsflughafen FN - immernoch schleierhaft, wie das alles so genehmigt werden konnte, ohne dass in der gesamten Flughafengeschichte, (die entgegen Wikipedia amtlich erst 1929 beginnt) es weder eine Planfeststellung noch eine einzige Umweltverträglichkeitsprüfung gab.