Markdorf kämpft gegen den Lärm an

Der Gemeinderat beschließt in seiner Sitzung am Dienstagabend einstimmig einen Aktionsplan

 

Von Christian Gerards

Markdorf Nach kurzer Aussprache hat der Markdorfer Gemeinderat den Beschluss gefasst, einen Lärmaktionsplan aufzustellen. Die Diplomingenieure Wolfgang Wahl (Basel) und Gabriele Schulze (Markdorf) hatten zuvor dem Gremium ihre Grobanalyse vorgestellt. Kernstück dieses Aktionsplans ist es, die Belastung der Bevölkerung durch den Straßenverkehrslärm entlang der B 33, der L 205 und der L 207 deutlich zu reduzieren.

Der Analyse zur Folge sind fast 3500 Markdorfer im Tagesverlauf Lärmbelastungen ausgesetzt. Für 1280 von ihnen fällt diese hoch bis sehr hoch aus – das sind immerhin zehn Prozent der Markdorfer Bevölkerung. Nachts sind die Zahlen noch gravierender: Da für den Schlaf die Grenzwerte in der Zeit von 22 bis 6 Uhr für eine hohe und sehr hohe Belastung abgesenkt sind, haben fast 1500 Markdorfer in dieser Zeit mit dem Straßenverkehrslärm zu kämpfen.

Bis Juli 2013 soll der Lärmaktionsplan, der innerhalb einer interkommunalen Arbeitsgruppe abgestimmt wird, stehen, berichtete Wahl den Gemeinderäten. Demnach dürften die eingeleiteten Maßnahmen zur Reduzierung des Lärms nicht auf die anderen Städte und Gemeinden verlagert werden. „Mit der interkommunalen Arbeitsgruppe sind wir führend in Baden-Württemberg“, betonte Markdorfs Bauamtsleiter Thomas Kuntosch bei einem vor der Gemeinderatssitzung anberaumten Pressegespräch.

22 000 Autos fahren nach Berechnung der Modus Consult Ulm aus dem vergangenen Jahr pro Tag zwischen dem Bischofsschloss und der Abzweigung Richtung Friedrichshafen. Das ist der absolute Spitzenwert in der Gehrenbergstadt. Nach der Kartierung von Gabriele Schulze liegen die Schwerpunkte der Lärmbelästigung in Markdorf, Leimbach und Hepbach. Für diese Bereiche sowie für Ittendorf sollen nun Maßnahmen zur Beruhigung konzipiert werden.

Mehrere Maßnahmen sind möglich

Mögliche Maßnahmen sind etwa eine lärmmindernde Straßendecke und eine Verkehrsberuhigung sowie eine Reduzierung der Geschwindigkeit und eine Steigerung des Verkehrsflusses. Ein Lkw-Durchfahrtsverbot ist wegen der fehlenden Südumfahrung nicht möglich. „Eine Geschwindigkeit von 40 Kilometern in der Stunde wäre ein guter Kompromiss“, sagte Wahl für Ittendorf, Markdorf, Leimbach und Hepbach. Auf den Verbindungsstraßen könnte eine Reduzierung auf 70 Kilometer in der Stunde helfen, den Lärm zu reduzieren. Einer Tempo-30-Zone wie in Hagnau erteilte er eine Absage: „Das bleibt eine Ausnahme-Erscheinung.“ Ein lärmmindernder Asphalt brächte eine Reduzierung des Lärms um drei Dezibel (A) mit sich – das wäre gleichbedeutend mit der Verringerung des Verkehrs um die Hälfte. Von einer hohen Belastung spricht man laut der Diplomingenieure ab 65 Dezibel (A), von einer sehr hohen ab 70 Dezibel (A).

Die Aufstellung des Lärmaktionsplans ist vergleichbar mit der eines Bebauungsplans. Nun steht eine erste Beteiligung der Öffentlichkeit und der Träger öffentlicher Belange (TöB) wie Regierungspräsidium, Landratsamt oder Polizei an. Dann geht es an den Planentwurf, bevor es eine weitere Beteiligung der Bevölkerung und der TöB gibt. Ist dies alles geschehen, dann kann der Gemeinderat über den Lärmaktionsplan beschließen.

(Erschienen: 22.05.2012 21:50)

 

Kommentar:

Lärmschutz wurde jahrelang von der Stadt verhindert!

Seit 10 Jahren gibt es die EU-Richtlinie zur Lärmaktionsplanung. Bereits damals versuchte unsere Aktionsgemeinschaft, diese in den Markdorfer Stadtrat einzubringen – leider ohne Erfolg. Und als die gesetzliche Umsetzungsfrist näher rückte, ließ sich die Stadt Markdorf sogar von ihrer Pflicht zur Umsetzung eines Lärmaktionsplanes befreien, mit der Begründung, es werde ja eine Ortsumfahrung geplant. Doch schon damals war klar, dass auch mit Ortsumfahrung eine zu hohe Lärmbelastung an der B33 verbleiben würde und daher in jedem Falle weitere Maßnahmen zur Lärmminderung erforderlich sind.

Hätte Markdorf frühzeitig einen Lärmminderungsplan aufgestellt (Kosten ca. 25.000 Euro), dann hätte man bereits bei der Erneuerung des Fahrbahnbelags der B33 im Jahr 2008 Flüsterasphalt einbauen lassen können. Die Mehrkosten für den Flüsterasphalt auf der B33 hätte der Bund als Baulastträger übernehmen müssen. Die Stadt behauptete damals, Flüsterasphalt sei technisch auf Innerortsstraßen nicht möglich. Der Lärmgutachter Wahl hat jedoch genau dies als machbare und sinnvolle Maßnahme dargestellt, als er kürzlich im Stadtrat die ersten Schritte der Lärmaktions-planung vorstellte. In Hagnau soll in wenigen Wochen ein derartiger Flüsterasphalt auf der B31 eingebaut werden.

Mit Flüsterasphalt könnte laut Gutachter eine Lärmminderung von ca. 3 dB erreicht werden – das ist nicht gerade viel. Doch auch mit einer Ortsumfahrung kann der Lärm an der B33 im Ortskern von Markdorf nur um 3 dB reduziert werden (in den Randbereichen Richtung Meersburg bzw. Richtung Leimbach ca. 4 dB). Und das zum Preis von 18,4 Millionen Euro, bei einem Eigenanteil der Stadt Markdorf von ca. 3 Millionen Euro. In diesen Preisen noch nicht enthalten sind die gravierenden Eingriffe in die Erholungslandschaft und den Lebensraum streng geschützter Arten sowie die Mehrbelastung von Nachbarorten und 2 dB mehr Lärm am BZM, um nur einige „Nebenwirkungen“ zu nennen.

Fazit: Weil sich die Stadtverwaltung einseitig auf eine teure Ortsumfahrung fixierte, wurde den lärmgeplagten B33-Anwohnern Flüsterasphalt und Tempo 30 jahrelang vorenthalten, obwohl diese viel billigeren Maßnahmen annähernd genauso wirksam sind und keine vergleichbaren Konflikte mit sich bringen.