Viel Politik-Prominenz kam zur aufwändigen Eröffnung des
Jahrhundertbauwerks in Tuttlingen und Neuhausen
Denn eines der langwierigsten, schwierigsten und teuersten Bauprojekte in
der Stadtgeschichte ist mit der Einweihung und Verkehrsfreigabe von
Kreuzstraßentunnel und Ortsumgehung Neuhausen ob Eck abgeschlossen.
Die Einweihungsfeier fiel dem Anlass entsprechend pompös aus. Die
bevorstehende Landtagswahl war ein Grund mehr, die seit Jahrzehnten
herbeigesehnte Verkehrsentlastung mit viel Prominenz zu feiern. Bundesverkehrsminister
Peter Ramsauer (CSU) sprach von den Lebensadern, die Straßen für die Wirtschaft
bedeuteten und von den „furchtbaren Belastungen“, die Tuttlingen und Neuhausen
zuletzt ertragen hätten. 850
Projekte umfasse die bundesweite Wunschliste für Ortsumfahrungen. „Aber
dafür brauche ich mehr Kohle“, sagte der Minister. Die „geistige Einheit“ und
„Freundschaft“ mit Volker Kauder, die Ramsauer unterstrich, hielt den
CDU/CSU-Bundestagsfraktionschef allerdings nicht davon ab, bei der Forderung
des Verkehrsministers scherzhaft die Ohren zuzuhalten.
Ramsauer ging auf Lärmschutz-Forderungen von Bürgern im Wendelsgrund
ein und machte sich – ziemlich populistisch – über das Regierungspräsidium
lustig. Bei dem Verweis auf die gesetzlichen Grundlagen, die keinen Lärmschutz
rechtfertigten, habe das RP „formal vielleicht recht“. Ihm aber „stellen sich
die Zehennägel auf“ bei dieser formalen Betrachtung. Ramsauer kündigte an, die
Straßenbauverwaltung Baden-Württemberg werde prüfen, ob die Grenzwerte im Wendelsgrund nicht vielleicht doch überschritten werden.
Bürger im Wendelsgrund hoffen
OB Michael Beck interpretierte diese Ankündigung nicht nur als „fast eine
Zusage“, sondern will „den Menschen nun Hoffnung machen“ auf den nachträglichen
Bau eines Lärmschutzes. Finden sich in Ramsauers Äußerungen Hinweise darauf,
warum Regierungspräsident Julian Würtenberger wegen
anderer Termine nicht zur Einweihung des größten Bauprojekts im
Regierungspräsidium Freiburg gekommen war? „Da ist nichts dran“, weist Würtenbergers Sprecher diese Vermutung zurück. Es sei auch
bei anderen Terminen mit Ministerbeteiligung üblich, dass der RP nicht
auftrete.
Als übergeordnete Politikerin erinnerte Umwelt- und Verkehrsministerin
Tanja Gönner daran, dass Großprojekte mit langem Atem geplant werden müssten. Der
Bau einer Autobahn zwischen den Regionen Freiburg und Ulm habe vor 40 Jahren im
Raum gestanden, sei damals aber nicht verwirklicht worden. Mit dem Verweis, sie
wolle in 30 Jahren nicht sagen, „hätten wir damals nur“, zog Gönner eine
Parallele zum Großprojekt Stuttgart 21. An dieses Streitthema erinnerten bei
der Tunneleinweihung auch Stuttgart-21-Gegner, die mit Transparenten und einer
Aktionsgruppe am Rand des Festakts demonstrierten. Gönner nutzte Ramsauers
Anwesenheit, um auf weitere, dringende Bauprojekte im Land hinzuweisen. „Wir
müssen unsere Verkehrsinfrastruktur weiter sinnvoll ausbauen. Wenn es
Baden-Württemberg gut geht, geht es Deutschland gut“, sagte die Ministerin zur
Begründung. Vertreter von überfälligen Straßenbauprojekten unter anderem aus
Friedrichshafen und Überlingen waren gestern nach Tuttlingen gekommen.
Auch sie dürften sich angesprochen fühlen von der Äußerung OB Becks, der
Tunnel sei nicht „versehentlich“ gebaut worden. „Da wäre nichts entstanden,
wenn sich nicht ganz konkret jemand darum gekümmert hätte“, sagte Beck und
brach damit eine Lanze für das – nicht selten als unzureichend kritisierte -
Engagement von Politikern. Der Tunneleröffnung misst Beck eine grundsätzliche
Bedeutung zu: „Wir haben nun die Chance, die Stadtentwicklung voranzutreiben.“
Die Nationalhymne, gespielt vom Städtischen Blasorchester unter Leitung von
Klaus Steckeler, war der angemessene Abschluss der
Feier. Zuvor hatten Vertreter von Politik und Verwaltung mit vergoldeten
Scheren das schwarz-rot-goldene Band durchschnitten. In einem modernen
Hybrid-Bus, den der Hersteller in einem Tieflader eigens für den Festakt von
Mannheim nach Tuttlingen geschafft hatte, fuhren die Ehrengäste durch den
Tunnel und über die B 14 zum Beginn der B 311 neu. Hier durchschnitten sie ein
weiteres Band und gaben den zweiten Teil des Projekts für den Verkehr frei. Das
Schild, das Erich Weber nach gut 20 Jahren diese Woche abgebaut hat, wandert
übrigens nicht in den Kamin. Lärmgeplagte Bürger aus Immendingen-Zimmern
haben Weber gebeten, die Tafel im Kampf für den Bau ihrer Ortsumgehung einsetzen
zu können.
(Erschienen:
18.02.2011 09:55)