Gegner der Südumfahrung Markdorf lassen nicht nach – die Verkehrsbelastungen auf der Ortsdurchfahrt B 33 auch nicht

 

Das Thema Südumfahrung Markdorf beschäftigt die Gemüter immer wieder aufs Neue. Der Bürgerentscheid ist 17 Jahre her. Lärmgeplagte Anwohner der Ortsdurchfahrt B 33 warten noch immer auf das Verwirklichen der Südumfahrung. Gegner sagen, das Kosten-Nutzen-Verhältnis stimme nicht mehr.

FaFür die Kreisverwaltung ist die Marschrichtung in Sachen Südumfahrung Markdorf/Kreisstraße 7743-neu klar. Am 13. Juli hat der Ausschuss für Umwelt und Technik (AUT) des Kreistags mehrheitlich die Vergabe von Planungsleistungen für einen Bauentwurf beschlossen. Vorgesehener Baubeginn ist Anfang 2022, Fertigstellung soll 2025 sein.

Landrat Lothar Wölfe: „Das zentrale Problem im Bodenseekreis ist die mangelnde Infrastruktur. Kein Thema begleitet mich seit 13 Jahren als Landrat wie dieses.“ Daher setze er sich für die Verbesserung „auf allen Ebenen“ ein: für die Bodenseegürtelbahn und die Südbahn, für Radwege und den Öffentlichen Nahverkehr, für den Flughafen und für Straßen. „Die Ortsumfahrung Markdorf ist ein Teilstück eines Gesamtkonzeptes. Sie wird damit nicht nur der Stadt Markdorf zugutekommen, sondern dem gesamten Landkreis. Sie wird aber vor allem die Stadt Markdorf entlasten.“

Vor allem im Schwerlastverkehr deutliche Entlastung

Ob die Entlastung nun geringer sei als ursprünglich angenommen, „ist für mich eine seltsame Diskussion“, sagt Wölfle. Die Ortsumfahrung werde vor allem im Schwerlastverkehr eine deutliche Entlastung bringen. „Oder anders herum gefragt: Wollen die Gegner der Straße wirklich für die nächsten 30 Jahre den täglichen Stau in der Innenstadt von Markdorf festschreiben?“

Antrag im Kreistag gegen Südumfahrung scheiterte

Zur Erinnerung: Ein Antrag der Grünen und der SPD im Oktober 2019 im Kreistag, mit dem Ziel, das Projekt Südumfahrung zu kippen, scheiterte an den Mehrheitsverhältnissen im Gremium. Vor dem Baubeginn ist im Kreistag noch der Baubeschluss zu fassen. Und da wollen Gegner der Südumfahrung die Chance für eine neuerliche Debatte nutzen.

Der Markdorfer Helmut Faden ist Kreisrat der Fraktion B 90/Die Grünen und einer der bekennenden Gegner. „Dass die Diskussion sein muss aus Markdorfer Sicht, ist ja klar. Das Projekt wird mit jedem Jahr fragwürdiger. Das zentrale Argument beim Bürgerentscheid war ja, dass eine Bündelungstrasse B 31-neu am Sankt-Nimmerleins-Tag kommen werde. Darum wurde das Konstrukt gewählt, die Südumfahrung als Kreisstraße zu bauen, damit man schneller zum Zuge kommt.“

Seit Bürgerentscheid 2003 ganz andere Ausgangslage

Nach Fadens Ansicht haben sich die Verhältnisse seit dem Bürgerentscheid 2003 geändert. „Die zentrale Ausgangslage ist eine ganz andere.“ Er bezweifelt denn Sinn dieser Straße. „Die Südumfahrung ist ein Torso. Es gibt keine richtige Anbindung in Richtung Osten bei Kluftern, ebenso wenig in Richtung Westen... Die Südumfahrung muss in der Netzwirkung mit der B 31-neu gesehen werden, die zentrale Entlastung kommt durch die B 31-neu.“

Kosten-Nutzen-Verhältnis stimmt nicht mehr

Auch das Kosten-Nutzen-Verhältnis stimmt nach Fadens Ansicht nicht mehr. Damals beim Bürgerentscheid sei von Kostenanteilen für die Stadt und den Landkreis von jeweils etwa 1,7 Millionen Euro die Rede gewesen, „die sind inzwischen jeweils bei 8,6 Millionen Euro“. Die benachbarte Gemeinde Stetten solle eine „B 33-Umfahrung zum Nulltarif“ bekommen. Außerdem sei die nunmehr prognostizierte Entlastungswirkung durch die Südumfahrung bei Verwirklichung der B 31-neu als B1-Variante deutlich geringer. „Deshalb sind die hohen Kosten der Südumfahrung für die Stadt und den Kreis nicht mehr zu rechtfertigen.“ Faden führt weitere Aspekte an: „Wertvolle Landschaft und wertvollste landwirtschaftliche Flächen werden durch die Südumfahrung zerschnitten. Dem Verkehr wird wieder Landschaft geopfert.“

Südumfahrung ein „strategischer Fehler“

Der Siedlungsentwicklungsraum ist nach Fadens Dafürhalten „einzig und allein im Süden der Stadt“. Deshalb stelle die Südumfahrung in Sachen Stadtentwicklung einen „strategischen Fehler“ dar. Außerdem nehme der „Freizeit- und Naherholungsbereich einen so hohen Stellenwert in der Bevölkerung ein, dass man nicht ohne Riesennachteil eine solche Straße bauen kann“. Man müsse die „massiven Veränderungen zur Kenntnis nehmen“ und könne nicht mehr sagen, was vor 17 Jahren beschlossen wurde, habe noch die gleiche Gültigkeit. Der zentrale Fokus muss laut Faden weg vom Straßenbau und auf die Verbesserung des Schienenverkehrs, des ÖPNV und des Radverkehrs. „Wenn man weiterhin auf Straßen setzt, wird man die Klimaziele nie erreichen. Im Ausbau von Schiene, Bus und Radverkehrsnetz liegt die Zukunft.“

Zweifel an Sinnhaftigkeit der Südumfahrung

Der Markdorfer Frieder Staerke begleitet das Thema Südumfahrung Markdorf nach eigenem Bekunden seit mehr als 20 Jahren in unterschiedlichen Funktionen – beispielsweise damals mit der Aktionsgemeinschaft Südumfahrung während der Phase des Bürgerentscheids. Auch Staerke – seit rund drei Jahren VCD-Sprecher – bezweifelt die Sinnhaftigkeit der Südumfahrung angesichts der B 31-neu-Entwicklung. „Mittlerweile wird von Bund und Regierungspräsidium Tübingen die Trassenvariante B1 favorisiert – mit einem 28 Meter breiten Autobahn-Querschnitt. Für diesen Planfall werden durch die B 31-neu 2600 Kfz pro Tag von der Ortsumfahrung Markdorf abgezogen.

Prognostizierte Auslastung inzwischen deutlich geringer

Ausgehend von dem Planungsbezugsfall mit 8200 Kfz pro Tag verbleiben dann nur noch 5500 Kfz pro Tag auf der Ortsumfahrung Markdorf.“ Deren Auslastung liege also nochmals um 10 bis 20 Prozent niedriger als in der Sitzung des Ausschusses für Umwelt und Technik des Kreistags vom 2. Juli 2019 in der Sitzungsvorlage dargestellt worden sei.

Bund und Regierungspräsidium wollen Umfahrung von Stetten finanzieren

Bei der jetzt favorisierten B1-Variante für die B 31-neu wird laut Staerke als entscheidender verkehrlicher Vorteil herausgestellt, dass dabei auch eine B33-Ortsumfahrung für Stetten gebaut werde. „Das ist zum einen erstaunlich, weil gar nicht untersucht wurde, ob dies auch für andere B 31-Varianten möglich wäre.“ Es sei auch erstaunlich, „dass der Bund und das Regierungspräsidium in Stetten eine B 33-Umfahrung bauen und finanzieren wollen, obwohl seit rund 20 Jahren das Bündelungskonzept des Planfalls 7 verfolgt wird“.

Auch Staerke plädiert für Klimaschutz und die Verkehrswende. „Der Kfz-Verkehr muss in den nächsten 20 Jahren halbiert werden.“ Für eine nachhaltige Verkehrswende müsse das Schienennetz ausgebaut, der Rad- und Fußverkehr sowie der ÖPNV weiter vorangetrieben werden.

Plakativ sagt Staerke: „Heute in eine solche Straße zu investieren, die den Straßenverkehr beschleunigt, ist in etwa so fragwürdig wie ein neues Kohlekraftwerk zu bauen. Der Energieverbrauch wird hochgetrieben, man weiß so schon nicht, wie Kohlekraftwerke ersetzt werden sollen. Wenn man den Verkehr elektrifizieren will, braucht man noch mehr regenerative Energien... Wahrscheinlich braucht es noch einmal einen Dürresommer wie 2018, mit Waldschäden und hohen Spritpreisen“, ehe ein allgemeines Umdenken stattfinde.

Gut, dass Bahnhaltepunkt bei Lipbach ernsthaft geprüft wird

Gott sei dank werde inzwischen die Planung auch mit Blick auf einen Bahnhaltepunkt bei Friedrichshafen-Lipbach in Nachbarschaft des dortigen Markdorfer Gewerbegebietes ernsthaft überprüft. „Was ja sinnvoll wäre und wofür sich ansässige Unternehmen ausgesprochen haben.“

 

Im und um den Markdorfer Verein Interessensgemeinschaft pro Südumfahrung ist es seit dessen Gründung Ende vergangenen Jahres coronabedingt etwas ruhiger gewesen. „Inzwischen sind wir ein anerkannter Verein und seit 9. März 2020 im Vereinsregister des Amtsgerichts Freiburg eingetragen“, berichtet Rainer Zanker.

Nun, im Juni, habe eine Vorstandssitzung stattgefunden. „Inhalt dieser Sitzung war eine Einladung von Landrat Lothar Wölfe zur öffentlichen Sitzung des Ausschusses für Umwelt und Technik, AUT, am 13. Juli“, erklärt Zanker. Während dieser Sitzung sollen Planungsleistungen für die K 7743/Südumfahrung Markdorf an die Bietergemeinschaft Ingenieurbüro Langenbach GmbH (Sigmaringen) und Dr. Schütz Ingenieure (Kempten) vergeben werden. „Bei der Sitzung werden wir natürlich dabei sein. Das ist ein wichtiger Termin, das ist wie ein Startschuss zum Bau der Straße“, blickt Zanker voraus.

Die nächsten Aktivitäten des Vereins? „Zum einen wollen wir auf der Ortsdurchfahrt B 33/Ravensburger Straße eine Sperrung von Schwerlastverkehr anstoßen. Lediglich Liefer- und Busverkehr sollen von dieser Sperre ausgenommen sein. Nur so bekommt man in die Zukunft gesehen eine vernünftige Innenstadtentwicklung sowie ein sicheres Radwegekonzept.“ Wenn Markdorf die Südumfahrung bekomme, sei auch eine Option für Bermatingen gegeben. „Wir wollen uns auch für eine Südumfahrung Bermatingen stark machen“, sagt Zanker.

Die derzeitige Verkehrssituation in Markdorf ist laut Zanker wegen diverser Baustellen „sehr angespannt. Die Lärm- und Verkehrsbelastung scheint mir stärker als je zuvor sein. Wegen des Baubetriebs in Möggenweiler und in der Eisenbahnstraße drängt sich noch mehr Verkehr durch die B 33/Ravensburger Straße und die verbliebenen Ausweichrouten.“

Schon während der Bauphase der Südumfahrung will der Verein politische Verantwortliche kontaktieren und sie für die Vorhaben Sperrung des Schwerlastverkehrs auf der Ortsdurchfahrt B 33 sowie Verbessern des Radwegekonzeptes gewinnen. „Der Straßenbau wird ja einige Zeit dauern und die kann man nutzen, um die beiden genannten Projekte voranzutreiben“, erklärt Zanker.

Zeitnah nach der Ausschusssitzung des Kreistags am 13. Juli werde der Verein eine Mitgliederversammlung einberufen. „Wir werden dann über den Sachstand informieren und die weiteren Schritte beschließen“, so der Vereinsvorsitzende.

Seit Vereinsgründung hat es laut Zanker eine moderate Mitgliederentwicklung gegeben. „Weitere Mitglieder sind jederzeit willkommen. Anträge sind auf unserer Homepage abrufbar.“