Darum soll es die Vorzugsvariante B1 werden: Bund und
Land liefern jetzt die Begründung dafür, warum sie sich für diese Trasse der
B 31-neu aussprechen – ein Überblick
Lange hat die Region darauf gewartet.
Jetzt legen Bundes- und Landesverkehrsministerium sowie das Regierungspräsidium
Tübingen eine Begründung vor, warum es bei der neuen Bundesstraße zwischen
Meersburg und Immenstaad die Vorzugsvariante B1 werden soll. Wir haben die
Ergebnisse zusammengefasst.
VON JENNA SANTINI UND FABIANE WIELAND
Seit dem
20. Dezember wissen wir, die Planer wollen die neue Bundesstraße zwischen Meersburg
und Immenstaad auf der Trasse B1 realisieren. Das Regierungspräsidium Tübingen
hatte damals dem Landesverkehrsministerium seine Vorzugsvariante der
B 31-neu vorgestellt. Gründe für die Entscheidung wurden im Dezember
allerdings nicht genannt. Man wollte nach Angaben der Behörde zunächst Foren
und Arbeitskreise über die Gründe informieren, danach sollten Veranstaltungen
für die Öffentlichkeit stattfinden. Doch diese fielen Corona-bedingt aus.
Der Weg zur
Vorzugsvariante B1
Zunächst hatte das Planungsteam
zahlreiche Trassenvorschläge eingesammelt und zu Variantenbündeln
zusammengefasst. So entstanden der Korridor Süd (Variantenbündel A), Korridor
Mitte (B-Varianten) und Korridor Nord (C-Varianten). „Im zweiten Schritt wurden
die Varianten im Hinblick auf mögliche Konflikte mit den rechtlich vorgegebenen
Belangen, vor allem dem Artenschutz sowie dem Schutz der Menschen vor Lärm und
Schadstoffen, geprüft“, sagt Umweltgutachter Burchard Stocks.
Besonders konfliktträchtige Varianten
seien gestrichen worden. So blieben noch zwölf Varianten übrig, für die
umfangreiche technische Informationen erstellt wurden. Aus dem Variantenbündel
sei dann die jeweils für Mensch und Umwelt verträglichste, das heißt,
konfliktärmste Variante definiert worden.
Darum schieden die
C-Varianten aus
„Alle Varianten aus dem Variantenbündel
C scheiden aus, da sie nicht heilbare artenschutzrechtliche Verbotssachverhalte
für mehrere Tierartengruppen auslösen und somit zur Unzulässigkeit der Planung
führen“, wird Franz Feil, Landschaftsplaner des Regierungspräsidiums Tübingen,
zitiert.
Abwägung der
Varianten AB1 und B1
Im Variantenbündel A ging nach Angaben
der Behörden die Variante AB1 als konfliktärmste hervor. Sie würde im Bereich
Naturschutz keine maßgeblichen fachlichen oder rechtlichen Konflikte
verursachen, so das Ergebnis der Planer. Im Korridor B hätten hingegen alle
Varianten nachteilige Auswirkungen auf fast alle Umweltschutzgüter und
Raumnutzungen. „Rechtlich entscheidend sind insbesondere die betroffenen
Artenschutzbelange“, betont Umweltgutachter Stocks. Bei näherer Prüfung habe
sich gezeigt, dass die nachteiligen Wirkungen der Variante B1 aus fachlicher
und rechtlicher Sicht „geheilt“ werden können. Nach Ansicht der beteiligten
Fachgutachter und Tierökologen seien die Voraussetzungen für die Erteilung
einer Ausnahmegenehmigung nach Paragraf 45 des Bundesnaturschutzgesetzes
gegeben.
Mit entsprechenden Schutzmaßnahmen würde
sich der Erhaltungszustand der betroffenen Arten laut Prognosen nicht
verschlechtern. Im Gegensatz dazu lassen sich die mit einer Nordumfahrung von
Stetten verbundenen artenschutzrechtlichen Probleme nicht „heilen“. Matthias
Kühnel, Projektleiter im Regierungspräsidium, erläutert den Abwägungsprozess
der Gutachter: „In der Raumanalyse wurde die Flora und Fauna für den kompletten
Prüfraum aufgenommen. Wir haben ein ganzes Team von Gutachtern. Wir haben einen
Experten für Fledermäuse, einen für Amphibien, einen für Schnecken. Es sind die
Erfahrungswerte dieser Gutachter, mit denen sie die Eingriffe bewerten. So
wurden die zwölf Varianten durchgespielt.“
So soll es dort, wo die B1 den Weingartenwald
nach der südlichen Umfahrung Stettens tangiert, zum Beispiel Überflughilfen für
Fledermäuse geben. Eine Nordumfahrung von Stetten sei rechtlich nicht zu
halten, da mit der Südumfahrung eine zumutbare Alternative vorliege, heißt es
in der Mitteilung des Ministeriums. „Diese Alternative muss dann gewählt werden
(…wenn sie zielführend und zumutbar ist). So schreibt
es das Naturschutzrecht vor“, sagt Umweltgutachter Stocks.
Warum fiel die
Entscheidung auf die B1?
Beide Varianten, AB1 und B1, sind technisch
machbar und aus fachlich-rechtlicher Sicht ist eine Genehmigung vorstellbar,
teilt das Verkehrsministerium mit. Projektleiter Kühnel sagt: „Die AB1 wäre
alleine in der Umweltrelevanz verträglicher. Aber es geht auch um die
Wirtschaftlichkeit und die Verkehrlichkeit. Mit einer
Trasse nördlich von Stetten ließe sich die B 33 nicht anbinden.“ Dabei ist
die Entlastung der Ortsdurchfahrt eines der Ziele. Und: „Die Kosten für die AB1
liegen rund 40 Prozent höher als für die B1. Dann geht es auch um die Unterhaltskosten
für die Tunnelbauten. Die spielen eine sehr große Rolle.“ In der
Gegenüberstellung der zwölf Varianten, „ist die B1 die konfliktärmste. Es
bleibt und wird ein Kompromiss werden“, so Kühnel.
Dem Landesverkehrsministerium ist nach
eigenen Angaben bewusst, dass der Bau der B 31-neu einen erheblichen
Eingriff darstellt. Die Variante sei etwa 100 Millionen Euro günstiger als
Variante AB1. Auch die Folgekosten für Betrieb, Unterhalt und Sanierung seien
geringer. Zudem sei die Zielerfüllung der Variante B1 gegenüber AB1 besser und
für den Bau von Variante B1 müsste weniger ins Gelände eingegriffen werden.
„Die Folge: geringere Erdmassenbewegungen und damit weniger baubedingte
Störungen und Beeinträchtigungen der Erholungslandschaft Bodenseeufer.“ Zudem
muss bei allen Varianten die B 31-alt für den langsam fahrenden Verkehr
bestehen bleiben. „Bei der Variante AB1 würden die B 31-neu und die
B 31-alt jedoch parallel geführt werden.“
Das sind die nächsten
Schritte
Bund und Land werden
in die Projektabstimmung gehen. „In der nächsten Planungsstufe wird der Fokus
darauf liegen, die Planung der Variante B1 weiter zu optimieren und möglichst
verträglich zu gestalten – für Natur und Landschaft, für die Landwirte und die
Betroffenen. Wir wollen den Flächenverbrauch in dieser so hochwertigen und
sensiblen Landschaft so gering wie möglich halten, was mit dem nun festgelegten
zweibahnigen, vierstreifigen Ausbau sehr schwierig
wird“, so Minister Hermann.
Drei oder vierspurig?
Nachdem das erweiterte Verkehrsgutachten vorliegt, haben das
Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, das
Landesverkehrsministerium und das Regierungspräsidium über die Notwendigkeit
eines vier- oder dreistreifigen Straßenquerschnitts
der B 31-neu gesprochen. Das Gutachten war erforderlich, weil sich bei den
vertieften Planungen gezeigt hat, dass die Verkehrsbelastung im Grenzbereich
liegt. Einen Grenzwert, der bestimmt, ob eine Straße drei- oder vierspurig
wird, gibt es aber nicht. Projektleiter Matthias Kühnel: „Bei
20 000 Fahrzeugen pro Tag wird eine Straße nicht automatisch vierstreifig.“ Weitere Fragen spielen mit rein: „Wo sind
die Anschlüsse? Wie viele Kurven hat die Strecke? Wie sind die Anstiege?“ Eine
Trasse werde auf ihre Leistungsfähigkeit überprüft. Es werden Bewertungen von A
bis F vergeben. A ist sehr gut, F ist ungenügend: „Der Bund erwartet mindestens
die Leistungsstufe D. Diese wird bei der dreistreifigen
Lösung zwischen Stetten-Nord und Immenstaad an einem durchschnittlichen Werktag
außerhalb der Ferienzeit erreicht.“
Die Dreistreifigkeit sei sehr intensiv geprüft
worden. Die verkehrlichen Zielvorgaben des Bundes lassen sich nach Angaben
Kühnels mit der Vierstreifigkeit besser erfüllen. Der
Bund setze voraus, dass, „wenn wir einen Neubau machen, die Straße den Verkehr
aufnehmen kann, die Verkehrssicherheit erhöht wird und sich die Verkehrszahlen
in den Ortsdurchfahrten noch weiter reduzieren.“ Dennoch: Das
Landesverkehrsministerium hatte sich eigenen Angaben zufolge gegenüber dem Bund
für einen dreistreifigen Querschnitt ausgesprochen,
„da sich damit die Kosten, der Flächenverbrauch, die Belastungen für die
Landwirtschaft und insgesamt die negativen Auswirkungen auf Landschaft und
Umwelt reduzieren ließen“.
Die Leistungsfähigkeit könne überwiegend erreicht werden. Verkehrsminister
Winfried Hermann: „Meines Erachtens kann nur eine dreistreifige
Lösung mit einer Querschnittsbreite von 15,5 Metern gegenüber der
28 Meter Querschnittsbreite eines zweibahnigen autobahnähnlichen Querschnitts
in dieser hochsensiblen Bodenseelandschaft gebaut werden. Es gilt, die
Problematik mit einem weiten Horizont zu betrachten. Aus unserer Sicht dürfen
daher nicht nur verkehrliche Aspekte in den Vordergrund gestellt werden.
Aspekte des Naturschutzes und des Landschaftsschutzes sowie die Belange des
Obst- und Weinbaus haben ebenfalls einen hohen Stellenwert. Zudem könnten mit
einer dreistreifigen B 31 alle wesentlichen
verkehrlichen Ziele mit nur leichten Einschränkungen der Verkehrsqualität
erreicht werden. Dies hat das Verkehrsgutachten des Regierungspräsidiums
Tübingen bestätigt.“
Für das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur seien laut
Mitteilung die verkehrlichen Punkte wesentlich. „Für den zweibahnigen, vierstreifigen Querschnitt spricht insbesondere die
Erhöhung der Verkehrssicherheit, die bessere Entlastung der Ortsdurchfahrten
sowie die überregionale Verbindungsfunktion der B 31. Nicht ohne Grund ist
die B 31 auch so im Bundesverkehrswegeplan – und durch den Bundesgesetzgeber
im Bedarfsplan – eingestuft. Wir schließen uns daher der fachlichen Bewertung
des Regierungspräsidiums Tübingen an“, sagt Steffen Bilger,
Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und digitale
Infrastruktur.