Verfahrensablauf für B31-neu: Fachplaner dürfen sich von Demos nicht beeindrucken lassen

 

Uwe Lahl, Amtschef des Landesverkehrsministeriums, spricht im Interview über das Planfeststellungsverfahren für die zukünftige Bundesstraße 31-neu.

 

 

Herr Lahl, skizzieren Sie, welche Arbeiten derzeit im Verkehrsministerium sowie im Regierungspräsidium Tübingen in Sachen B 31-neu erledigt werden.

Das Regierungspräsidium ist gegenwärtig dabei, die Vorplanung zur Linienfindung durchzuführen. Das heißt, es werden alle möglichen Linien, also die A-, B- und die C-Varianten untersucht. Wichtig ist auch die Frage: Reicht eine Dreistreifigkeit oder brauchen wir eine Vierstreifigkeit? Die Vierstreifigkeit wird auf jeden Fall untersucht, weil sie im Bundesverkehrswegeplan steht. Da die prognostizierten Verkehrszahlen in einem Grenzbereich liegen, wollen wir zudem klären, ob auch eine Dreistreifigkeit ausreicht.

Welche Rolle genau spielen Erkundungsbohrungen, die derzeit an mehr als 20 Stellen zwischen Meersburg und Immenstaad genommen werden?

Wir möchten mit den Bohrungen herausfinden, wie der Untergrund aussieht, vor allem, wie der Grundwasserstand ist. Wir wollen damit vermeiden, dass wir uns bei der Linienbestimmung für eine Variante entscheiden, bei welcher der Untergrund im Nachhinein Probleme bereitet. Das könnte zusätzliche Kosten bedeuten oder gegebenenfalls bedeuten, dass eine Variante gar nicht realisiert werden kann, weil bestimmte Gegebenheiten vorab nicht klar waren.

Es gibt regelmäßig Treffen im Zuge des B 31-Dialogforums – welchen Stellenwert nehmen diese ein?

Im Dialogforum werden die Fragen mit unterschiedlichen Arbeitsgruppen, einem politischen Begleitkreis und unseren Fachgutachtern beantwortet. Das ist sicherlich ein Riesenaufwand. Aber hier sind wir am Bodensee in einer hoch wertvollen und sehr schönen Gegend. Da muss man sich die Zeit für so einen Prozess nehmen. Ich habe mir sagen lassen, dass alle Beteiligten, unabhängig von deren Interessenslagen, diesen Dialogprozess als sehr fruchtbar ansehen. Ich hoffe, dass damit deutlich wird, dass wir die Bedenken vor Ort ernst nehmen und die Menschen so weit wie möglich einbezogen haben.

Wann werden die nächsten Treffen sein und mit welchen Inhalten?

Wir müssen jetzt sehen, dass wir auf die Zielgerade einbiegen. Wir haben den Prozess ja lange betrieben, vieles wurde abgearbeitet und untersucht. Der nächste öffentliche Termin sind zwei Werkstattgespräche Ende Oktober. Und im November gibt es dann ein weiteres Dialogforum – das ist die Gruppe, in der die zufällig ausgewählten Bürgerinnen und Bürger und Vertreter der Initiativen zusammenkommen – zum Thema Lärm und Luftschadstoffe. Am Ende des Jahres möchten wird den Prozess zum Ergebnis führen. Das Ergebnis wird dann eine Linie sein, die wir als Vorzugsvariante ansehen und mit der wir auf den Bund mit der Bitte um Zustimmung zugehen werden. Unter Umständen wird am Ende nicht der totale Konsens stehen. Aber vielleicht bekommen wir auf diese Weise zumindest Akzeptanz für das Auswahlverfahren.

Im Juli gab es in Hagnau eine Demo mit Sternmarsch gegen eine seenahe B 31-neu-Variante. Außerdem läuft noch eine Protestkartenaktion von „B31neu Bündnis pro 7.5 plus“ – welche Effekte erzielen solche Maßnahmen beim Verkehrsministerium und Fachplanern?

Mit den Argumenten können wir umgehen. Vonseiten der Betroffenen Druck aufzubauen, ist völlig legitim. Aber wenn sich das Verkehrsministerium und das Regierungspräsidium von diesem Druck beeindrucken lassen würden, so nach dem Motto ‚huch, da ist jetzt aber ein Widerstand und deswegen fällt diese Trassenvariante aus‘ – dann könnten wir einpacken.Wir müssen nach fachlichen Gesichtspunkten vorgehen und dürfen uns nicht von politischem Druck oder Demonstrationen beeindrucken lassen. Denn wir sind die Fachplaner.

Da spielt dann also die Rechtssicherheit des Verfahrens hinein?

Völlig richtig. Mit bestimmten politischen Befindlichkeiten, beispielsweise welche Trasse tut einem Landrat am wenigsten weh oder ist die Lieblingsvariante eines Bürgermeisters in X oder Y, könnten wir nicht in ein Planungsfeststellungsverfahren gehen – und schon gar nicht am Schluss eine rechtliche Auseinandersetzung überleben. Wir gehen davon aus – egal welche Variante dann am Ende das Rennen machen wird – es Menschen geben wird, die die gerichtliche Klärung anstreben. Dann müssen wir als zuständige Planer falls nötig vor Gericht den Nachweis führen, dass wir eine saubere Abwägung durchgeführt haben und die am besten nach definierten Kriterien geeignete Variante ausgewählt haben. Wenn wir die Frage Drei- oder Vierstreifigkeit bis dahin nicht hinreichend klar geprüft haben, dann fliegt uns spätestens vor Gericht der Planfeststellungsbeschluss um die Ohren.

Bündnis 90/Die Grünen haben im Juli bemängelt, die B 31-Baustelle bei der künftigen Anschlussstelle bei Friedrichshafen-Spaltenstein sei überdimensioniert, fehlgeplant und ein gutes Beispiel, wie man künftig sparsamer mit Kies und Sand umgehen könne. Was sagen Sie dazu?

Die Maßnahme wurde im Jahre 2008 so planfestgestellt und jetzt so gebaut. Im Rahmen dieses Planfeststellungsverfahrens sind Fragen wie etwa Größe und Flächenverbrauch in die Abwägung eingeflossen. Das ist seinerzeit als richtig dimensioniert bewertet worden.

Landwirte und Winzer befürchten, dass es je nach Trassenvariante einer B 31-neu zu existenzbedrohenden Grundstücksverlusten kommen könnte. Was können Sie zu diesem Thema sagen?

Deswegen stellt sich auch die Frage Vierstreifigkeit oder Dreistreifigkeit. Wenn wir eine Vierstreifigkeit brauchen, dann müssen wir sie auch bauen. Wenn wir mit einer Dreistreifigkeit auskommen könnten, dann wäre das ein deutlich geringerer Eingriff. Aber das wissen wir momentan noch nicht, deswegen untersuchen wir das. Insgesamt nehme ich diese Befürchtungen sehr ernst. Das Einzige, was wir machen können, ist, Ausgleich und Ersatz zu schaffen. Das heißt beim Naturschutz, dass wir an anderer Stelle die Natur verbessern. Und bei der Frage von wirtschaftlichen Beeinträchtigungen gibt es auch Mechanismen, wie man mit existenzbedrohenden Eingriffen umgehen kann. Wir wollen niemanden in seiner Existenz gefährden.

Es gibt auch Stimmen, die sagen, es werde stark auf Umwelt- und Naturschutz geachtet, hierbei gerieten aber Bewohner, sprich die Menschen, ins Hintertreffen. Wie entkräften Sie solche Kommentare?

Das ist dann die andere Seite der Medaille, ähnlich den gegensätzlichen Interessen der Winzer und Obstbauern. Dasselbe gilt ja auch für Natur, Wald und Wiesen. Das verstehe ich sehr gut, dass Menschen, die dort leben und arbeiten, sagen: ‚nicht bei mir‘. Dass Menschen, die in einer Stadt oder einem Städtchen wohnen, meinetwegen seenah, sagen, ‚ich will den Verkehr nicht vor der Haustür haben, macht das lieber weit draußen in der Natur‘... Dann muss man einfach klarstellen: Diese Natur abseits der Orte, auch sie macht diese Region so schön. Das ist übrigens auch das, was am Ende der Städter und Urlauber nutzt, wenn er mal ins Umland fährt oder sich freut, dass er einen schönen Ausflug gemacht hat. Einen Gegensatz zwischen Mensch und Natur aufzubauen, das hilft uns daher nicht weiter.

Was werden nach Jahresende die nächsten Verfahrensschritte sein?

Es gibt ja schon eine linienbestimmte Variante, die auch mit dem Bundesverkehrsministerium abgestimmt war. Das ist ungefähr die Variante C 1.1, die mit am weitesten vom Bodensee entfernt liegt. Diese Variante wurde dann aber nicht weiterverfolgt. Die Planungen wurden gestoppt, weil der politische Widerstand zu groß war. Das geschah vor dem Hintergrund, dass man sich seitens der Akteure im politischen Raum übergangen gefühlt hat. Wenn es jetzt heißt, die Variante C 1.1 ist linienbestimmt, dann haben wir das quasi so geerbt. Wenn wir etwas anderes machen wollen, dann müssen wir ein neues Linienbestimmungsverfahren durchführen und das erneut mit dem Bund besprechen. Danach folgen Entwurfs- und Genehmigungsplanung als Grundlage für das Planfeststellungsverfahren.

Bitte erklären Sie für Laien verständlich, was während eines Planfeststellungsverfahrens für die B 31-neu geregelt wird, was passiert da?

Das Planfeststellungsverfahren ist sozusagen wie die Baugenehmigung beim Häuslebauer, um diese Maßnahme – in diesem Fall die Straße – bauen zu dürfen. In diesem Verfahren werden alle relevanten Aspekte untersucht, das heißt alle Pros und Contras, alle Eingriffe, alle negativen Wirkungen. Dann wird untersucht, wie man diese negativen Wirkungen geringhalten kann. Und wenn man sie nicht ganz vermeiden kann, wie man sie ausgleichen kann. Es muss aber auch eine Rechtfertigung erarbeitet werden – braucht man diese Straße, wie viel Verkehr wird darauf zukünftig fahren. Dann wird alles gegenübergestellt, wir nennen das Abwägung. Es wird dabei versucht, eine beste Lösung zu finden. Diese Abwägung wird natürlich auch unter Beteiligung der betroffenen Bürger durchgeführt. Es gibt einen öffentlichen Erörterungstermin, bei dem wir uns als Planungsträger rechtfertigen müssen. Am Ende gibt es dann den Planfeststellungsbeschluss. Dieser kann beklagt werden. Ein Planfeststellungsverfahren dauert zwei bis drei Jahre, wenn alles gut läuft. Wenn die Verfahren komplizierter sind – beispielsweise wegen örtlicher Streitpunkte – kann es länger dauern.

Zur Person

Uwe Lahl ist Amtschef des Verkehrsministeriums Baden-Württemberg. Zuvor hatte er folgende berufliche Stationen:

·                     1968 bis 1973: Lehre und Berufstätigkeit als Chemielaborant

·                     1974 – 1978: Studium der Germanistik, Erziehungs- und Gesellschaftswissenschaften sowie Chemie (Lehramt, SEK II) an der Universität Bremen

·                     1979 – 1982: Promotion (Dr. rer. nat.)

·                     1986 – 1991: Beigeordneter (Dezernent) der Stadt Bielefeld (Umwelt und Gesundheit)

·                     1992 – 1994: Staatsrat in Bremen (Umwelt- und Stadtentwicklung)

·                     1995 – 2000: Geschäftsführer der BZL Kommunikation und Projektsteuerung GmbH

·                     1997 – 1998: Habilitation an der Technischen Universität Darmstadt, Privatdozent

·                     2001 – 2009: Ministerialdirektor im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (Immissionsschutz und Verkehr)

·                     ab 2008: außerplanmäßiger Professor an der Technischen Universität Darmstadt

·                     2009 – März 2014: Geschäftsführer der BZL Kommunikation und Projektsteuerung GmbH

·                     2011: außerordentlicher Professor an der University of Indonesia in Jakarta. Quelle: Ministerium für Verkehr Baden-Württemberg