Kreis-SPD und -Grüne: „Die Ortsumfahrung Markdorf ist tot“

 

 

·         Kreis-Grüne und -SPD im wollen Verzicht auf weitere Planung und Bau

·         20 Millionen Euro besser in ÖPNV und Bildung investieren

 

 

 

Die Kreistagsfraktionen der Grünen und der SPD haben am Donnerstag einen gemeinsamen Antrag eingereicht, die Planungen für die Ortsumfahrung Markdorf nicht weiter voranzutreiben. Die Fraktionsvorsitzenden der Grünen, Christa Hecht-Fluhr und Stellvertreter Helmut Faden, sowie Norbert Zeller, SPD-Fraktionsvorsitzender, erläuterten am Donnerstag in einem Pressegespräch in Markdorf, dass das Kosten-Nutzenverhältnis nicht mehr verantwortbar sei. Die Hintergründe sind kurz zusammengefasst die inzwischen modifizierten Zahlen über die Verkehrsbelastung der B 33 und einer Ortsumfahrung (K 7743 neu), die derzeit unklare Trassenvariante der B 31 zwischen Immenstaad und Meersburg, der Wegfall der Umgehung Kluftern, Stopp der Ortsumgehung Bermatingen, die angestrebte Taktverdoppelung der Bodenseegürtelbahn und die immens gestiegenen Kosten, die der Kreis und die Stadt Markdorf besser in den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) und in Bildungseinrichtungen investieren könnten. „Es geht uns nicht darum, nur etwas zu verhindern, sondern Alternativen aufzuzeigen“, sagt Zeller. Konkret schlagen die beiden Fraktionen in dem Antrag auch einen zusätzlichen Bahnhaltepunkt im Gewerbegebiet Negelsee auf Höhe der Firma Wagner vor. „Für unsere Fraktionen ist die Ortsumfahrung Markdorf tot“, wurde Zeller deutlich.

 

Schon vor 16 Jahren beim Bürgerentscheid (54 zu 46 Prozent) sei die Entscheidung für die Umgehung knapp gewesen, erläuterten die Fraktionschefs. Seitdem habe sich viel verändert. So komme die Planung der B 31 zügig voran und Themen wie Klimaschutz und Verkehrswende hätten enorm an Bedeutung gewonnen. Faden erinnerte an die Fridays for Future-Bewegung. Nun habe der alte Kreistag im Juli mehrheitlich noch einmal 830 000 Euro Planungskosten für die Umgehung Markdorf genehmigt. „Das Geld wird in den Sand gesetzt“, sagt Hecht-Fluhr. Die drei Kilometer lange Umgehung Markdorf würde aktuell knapp 30 Millionen Euro kosten (ursprünglich 20 Millionen Euro) und die B 33 von gerade einmal um 4200 Fahrzeuge täglich entlasten und nicht, wie damals angenommen, um 10 300 Fahrzeuge.

 

Nach Zahlen von Modus Consult vom März 2019 aus den Unterlagen des Kreistagsausschusses für Umwelt und Technik werden auf der B 33 mit einer Ortsumgehung Markdorf, je nachdem in welchen Korridor die B 31-neu gebaut wird, im Jahr 2035 weiter rund 15 000 (Korridor A) oder 14 500 (Korridor B) oder 14 400 (Korridor C) Fahrzeuge unterwegs sein. Ohne eine Ortsumgehung Markdorf, bei Annahme einer B 31-neu im Korridors C, wären es 18 600 Fahrzeuge.

 

Vor 16 Jahren sei man von einer Kostenbeteiligung des Kreises und der Stadt von jeweils 1,6 Millionen Euro ausgegangen, heute seien daraus je 8,45 Millionen Euro geworden, stellen Hecht-Flur und Zeller fest. Sollte die Umgehung bis Ende 2025 gebaut werden, seien würden es durch zu erwartende weitere Kostensteigerungen voraussichtlich jeweils 10 Millionen Euro. „Das ist für den Kreis ein heftiger Brocken und auch für die Stadt“, meint Zeller. Der SPD-Fraktionschef und Hecht-Fluhr erinnerten daran, dass der Kreis auch Millionenbeträge für den Ausbau des Bildungszentrums Markdorf, der beruflichen Schulen in Überlingen, ein neues Landratsamt sowie eine deutliche Verbesserung des Busverkehrs benötige. „Wir haben so viele Aufgaben und die 10 Millionen Euro hätten wir lieber anderswo investiert“, sagt Hecht-Fluhr. Faden wies mit Blick auf Markdorf darauf hin, dass es auch hier Handlungsbedarf gebe, wie für einen Stadtbus oder ein Radwegekonzept. Die Fraktionschefs forderten ein neues Verständnis der Verkehrspolitik im Bodenseekreis. Die Mittel für die Ortsumfahrung Markdorf sollten für den Ausbau der Bodenseegürtelbahn, den Ausbau des ÖPNVs und des Radverkehrs (wie Radschnellwege und Fahrradstraßen) ausgegeben werden.

 

„Man sollte nicht an alten Entscheidungen kleben, wenn sich die Voraussetzungen geändert haben“, stellt Zeller fest. Vor 16 Jahren sei ja noch nicht einmal klar gewesen, dass die neue B 31 kommt. Als Beispiele, dass nicht mehr sinnvolle Ortsumgehung auch absetzt werden könnten, verwiesen die Fraktionsvorsitzenden auf die Ortsumgehungen Kluftern und Schnetzenhausen in Friedrichshafen. Für Hecht-Fluhr stellt die Umgehung auch, ähnlich wie in Schnetzenhausen, eine Verlagerung der Belastung auf die Bevölkerung in den neuen Markdorfer Wohngebieten dar. Zudem litten die Möglichkeiten für die Naherholung für die Bevölkerung.

 

Die Antragsteller hoffen, dafür im neuen Kreistag eine Mehrheit für den Antrag zu finden, der voraussichtlich im Oktober beraten wird. Dort gibt es jetzt 28 neue Gesichter, so Hecht-Fluhr.

 

Mobilitätsmanager notwendig

 

Dringend notwendig ist nach Ansicht der beiden Fraktionen auch eine Mobilitätsmanager für den Bodenseekreis, um die Verkehrswende zu forcieren. Es gab Überlegungen, diesen beim Bodensee-Oberschwaben Verkehrsverbund (Bodo) anzusiedeln. Die Stelle gebe es bis heute nicht, so Zeller, und es sei auch falsch sie dort anzusiedeln. Schon deshalb, so die Fraktionsvorsitzenden, weil es um wesentlich mehr als Taktungen im ÖPNV gehe, sondern auch um Fußgänger, Radfahrer sowie Themen wie Einkaufen, Tourismus oder Verkehr zum Arbeitsplatz.