Standpunkte zum Für und Wider einer Ortsumfahrung Markdorf

 

Die Diskussion um die Ortsumfahrung (OU) Markdorf reißt nicht ab. In jüngster Sitzung des Ausschusses für Umwelt und Technik des Kreistags wurde entschieden, dieses Vorhaben voranzutreiben. Im Nachgang gibt hier teils sehr umfangreiche Stellungnahmen mit Stimmen aus Markdorf und Friedrichshafen-Kluftern, die der SÜDKURIER für Sie zusammengetragen hat.

Kaum hat sich der Ausschuss für Umwelt und Technik (AUT) des Kreistags in jüngster Sitzung am Dienstag mehrheitlich dafür ausgesprochen, das Vorhaben voranzubringen, meldet sich Bernd Caesar in einer Stellungnahme zu Wort: „Die Vertreter der SPD-Kreistags-Fraktion haben die Verwaltungsvorlage zur OU-Markdorf zurecht abgelehnt.“

 

Bernd Caesar, Sprecher der SPD-Fraktion im Ortschaftsrat Kluftern, verweist darauf, dass die Ablehnung der OU im Bürgerentscheid 2003 nur knapp verfehlt worden sei, „da man die von der Straße stark betroffenen Lipbacher erst gar nicht befragte“. Caesar listet „zur Erinnerung“ auf:

·         Die Kosten der OU Markdorf für die Markdorfer haben sich seit dem Bürgerentscheid verfünffacht, die Verkehrsentlastung hat sich mehr als halbiert.

·         Die Zustimmung aus Markdorf zum Bau der Ortsumfahrung wackelt, Bedenken äußert auch Markdorfs Bürgermeister Georg Riedmann.

·         Die Aussage von Kreisrat Markus Spieth (CDU) in Bezug auf die Verkehrsmediation Kluftern ist laut Caesar falsch. „Ich selbst war in rund 55 Sitzungen der Mediation aktiv beteiligt und weiß, von was ich rede. Die Verwaltung hat damals darauf bestanden, die OU Markdorf in den Verkehrsprognosen zu berücksichtigen. Und schon damals wurde klar, dass die OU Markdorf nur wenig Verkehr aufnehmen würde, zu wenig bei den hohen Kosten. Es sind mittlerweile rund 30 Millionen Euro für weniger als 3 Kilometer Kreissträßchen. Wir benötigen das Geld für wichtigere Zukunftsaufgaben.

Wie sich die Einstellung der Bürger zum Straßenbau über die Jahre geändert hat, zeigt gerade die Entscheidung in der Verkehrsmediation Kluftern, keine neue Straße zu bauen.

Die Zeichen der Zeit verkannt

Die Kreisräte der CDU und FWV im Ausschuss verkennen die Zeichen der Zeit, verharren in überholten Verkehrsideen. Sie sollten sich mal ihre Kommunalwahlprogramme anschauen. Da waren sie schon weiter.

All das hat Markus Spieth bei seiner Beschwörung der Demokratie vergessen. Das Großartige an einer Demokratie ist ja gerade: Es können eingeschlagene falsche Wege auch wieder verlassen werden, um auf den rechten Weg zurückzukommen. Wer heute noch meint „Nach mir die Sintflut“, der ist die Sintflut.

Bernd Caesars Fazit: Ortsumfahrung Markdorf: verminderter Nutzen bei stark gestiegenen Kosten.

 

 

Bürgermeister Georg Riedmann (CDU): Die von Caesar angeführte Pressemeldung der CDU Markdorf „gibt meine Einschätzung, wie sie auch seit langem bekannt ist, korrekt wieder. Und neben der Rolle der Umfahrung Bermatingen ist selbstverständlich auch die Trassenwahl der B 31-neu zwischen Meersburg und Immenstaad von Bedeutung.

Falls die Entscheidung auf den Trassenkorridor C bei Ittendorf fällt, ist für mich der Bau der Südumfahrung Markdorf nur wenige 1000 Meter davon entfernt nicht vorstellbar, auch das habe ich immer sehr deutlich gemacht.

„Trage aktuelle Entscheidung mit“

Die aktuelle Entscheidung des AUT zur Beauftragung weiterer Planungsleistungen zur Südumfahrung Markdorf trage ich jedoch mit, da aus diesen weiteren Planungen sich vertiefte Erkenntnisse ergeben müssen, die für eine abschließende Beschlussfassung nötig sein werden, nämlich:

1. Eine belastbare Fortschreibung der Kosten. Die in der Sitzung des AUT genannten Kosten geben die aktuelle Preisentwicklung im Tief- und Straßenbau nach unseren Erfahrungen nur unzureichend wieder.

Nachweis für Bahnhaltepunkt gefordert

2. Die weiteren Planungen müssen nach unserer Erwartung auch den Nachweis liefern, dass der geplante Kreuzungspunkt der Südumfahrung Markdorf mit der L 207 auf Höhe der Firma Wagner ein zweites Gleis der Bodenseegürtelbahn sowie einen neuen Haltepunkt derselben für das Gewerbegebiet Negelsee ermöglicht.

Erwartungen an den Landkreis

Darüber hinaus erwarte ich vor der Diskussion zum Baubeschluss im Kreistag, die voraussichtlich nach Abschluss der jetzt beauftragten Planungsleistungen erfolgen wird, folgende Informationen und Maßnahmen des Landkreises:

3. Eine aktualisierte, umfassende Darstellung der durch die Südumfahrung Markdorf entstehenden verkehrlichen Be- und Entlastungen für Ittendorf, Markdorf, Leimbach, Hepbach, evtl. auch Riedheim, jeweils für die unterschiedlichen Trassenvarianten der B31.

Entscheidung transparent machen

Es muss für die abschließende Entscheidung auch vor Ort der Bevölkerung nochmals ganz transparent gemacht werden, in welchem Umfang die Südumfahrung Markdorf entlastend wirkt und wo in der Gesamtstadt zusätzliche neue Belastungen dadurch entstehen. Die Prognosen der entlastenden Wirkung in der Ortsdurchfahrt Markdorf haben sich in der Tat seit dem Bürgerentscheid 2003 deutlich nach unten entwickelt.

Forderung an den Kreistag

4. Der Kreistag muss aktiv eine Haltung dazu formulieren, wie das im Finanzierungsvertrag zwischen Stadt und Landkreis formulierte ‚Benehmen‘ zwischen Stadt und Landkreis hergestellt werden soll. Viele Markdorfer Bürgerinnen und Bürger erwarten vor der endgültigen Beschlussfassung eine weitere Beteiligung der Stadt in Form dieses ‚Benehmens‘ mit großer Selbstverständlichkeit.“

 

 

Susanne Sträßle für die CDU-Fraktion: „Uns ist klar, dass die Verkehrsbelastung auf der B 33 durch Markdorf eine hohe ist. Leider zeigen die neuen Verkehrsprognosen, dass die Entlastungswirkung auf die Kernstadt nicht den Hoffnungen und Erwartungen der Markdorfer Bürger entspricht. Die westlichen und östlichen Ortsteile werden durch die Südumfahrung nicht vom Verkehr entlastet. Weder Leimbach und Hepbach noch Ittendorf.

Hohe Kosten für kurzes Straßenstück

Deshalb sehen wir die hohen Kosten für das relativ kurze Straßenstück im Verhältnis zu seiner Entlastungswirkung kritisch. Sowohl die Anbindung der Südumfahrung bei der Firma Wagner mit Weiterführung des Verkehrs in Richtung Friedrichshafen über Kluftern ist nur unzureichend gelöst, als auch die Aufnahme des Verkehrs aus dem Salemer Tal, der nach wie vor durch Markdorf auf der weiterbestehenden Bundesstraße 33 fahren wird.

Mit Weiterplanung der Südumfahrung abwarten

Im Dialogprozess zur B 31-neu wurde von den Planern angekündigt, dass bis Ende des Jahres die Vorzugstrasse für den Verlauf der Straße vorgestellt werden wird. Der komplexen Situation der aktuellen Straßenplanung am nördlichen Bodenseeufer zwischen Meersburg, Friedrichshafen und Markdorf würde es gut anstehen, mit der Weiterplanung der Südumfahrung Markdorf abzuwarten, bis für die große Entlastungsstraße B 31-neu, aktuelle Planungsfortschritte vorliegen.

Befürchtung: vier Straßen in der Landschaft

Sollten sowohl die B 31-neu auf einer der Hinterlandtrassen gebaut werden, als auch die Südumfahrung Markdorf, dann haben wir zukünftig auf dem 5 Kilometer breiten Landschaftsstreifen mit landwirtschaftlicher Nutzung und hohem Erholungswert zwischen Markdorf und Immenstaad vier Straßen. Die B 33, die weiterhin Bundesstraße bleiben wird, die Südumfahrung mit zwei Fahrspuren, die neue B 31 wahlweise mit drei oder vier Fahrspuren und die alte B 31 am See entlang, da diese trotz Neubaustrecke nicht zurückgebaut werden wird.

Trotz aller bisherigen Finanzierungszusagen der Stadt Markdorf an den Bodenseekreis fordern wir, die Stadt Markdorf nochmals in die Entscheidung über den Bau der Südumfahrung einzubinden.

 

 

Dietmar Bitzenhofer (FW-Fraktion): „Die OU von Markdorf ist schon lange überfällig und wichtiger denn je. Der innerörtliche Verkehr, insbesondere der Schwerlastverkehr wird immer stärker und aufgrund der Verlagerung des Waren-Transports auf die Straße eher zunehmen. Ebenso wird sich dies ähnlich beim Indivualverkehr verhalten. Auch Elektromobilität braucht Straßen.

Die Mär vom Umgehungs-Torso

Die Mär, die Straße bringt ohne die Fortsetzung der Umgehung von Bermatingen keine Entlastung, ist falsch. Gerade der Schwerlastverkehr kann hierdurch umgeleitet werden. Natürlich muss die Ortsumfahrung von Bermatingen weiterhin verfolgt werden und zeitnah eine Umsetzung finden.

Jetzt die Chance auf Realisierung

Die Kostensteigerung immer wieder als Argument heranzuziehen, ist doch nur der Jahre langen Verzögerung und den Einwendungen geschuldet. Jetzt erst den Ausbau der B 31 abzuwarten ist ebenso nicht zielführend. Vor 2030 wird auch diese, wenn überhaupt, noch nicht verwirklicht sein. Jetzt haben wir die Chance der Realisierung der OU Markdorf, Zuschüsse (9,5 Millionen Euro) sind vom Land zugesagt, der Großteil des notwendigen Trassen-Grundstücke sind durch Kauf im Eigentum der Stadt Markdorf (rund 3 Millionen Euro wurden hierfür bereits ausgegeben) und stellen schon einen Teil der Finanzierung von Markdorf dar.

Bundesstraße 33 als trennender Faktor

Wer den Nutzen bezweifelt, dem gebe ich den Rat, doch nur mal wenige Minuten an die B 33 innerhalb Markdorfs zu stehen. Diese Trennungslinie stört bei jeder zukünftigen Entwicklung von Markdorf, auch bei einer zeitgemäßen Entwicklung im Sinne des Fuß- und Radverkehres, genauso wie beim Ausbau der öffentlichen Nahverkehrs. „

 

 

Christiane Oßwald (UWG-Fraktion): „Aus Sicht der Umweltgruppe ist es demokratisch höchst bedenklich, dass eine Entscheidung über die Ortsumfahrung Markdorf noch kurz vor Ende der Amtszeit des jetzigen Kreistags im Ausschuss für Umwelt und Technik getroffen wurde, statt sie dem neuen Kreistag zu überlassen.

Demokratisch fragwürdige Vorgehensweise

Ebenso ist es demokratisch fragwürdig, dass die Ausschuss-Vertreter von CDU und FWV ihren Beschluss, den Bau der Ortsumfahrung Markdorf voranzubringen, mit einem 16 Jahre alten Bürgerentscheid begründen und dabei völlig übersehen, dass sich in Markdorf die Stimmung aus gewichtigen Gründen gewandelt hat.

Entscheidung gegen den Willen Markdorfs gewollt?

Selbst Bürgermeister Riedmann und die Markdorfer CDU haben ihre Bedenken geäußert. Es ist fast sicher davon auszugehen, dass bei einem neuen Bürgerentscheid eine deutliche Mehrheit gegen den Bau der Südumfahrung stimmen würde. Kann das der Kreistag wollen: Gegen den Willen Markdorfs die Südumfahrung durchzudrücken?“

 

 

Uwe Achilles (SPD-Fraktion) kommentiert: „An meiner persönlichen ablehnenden Haltung zur Südumfahrung Markdorf hat sich nichts geändert. Allerdings besteht der Bürgerentscheid von 2003 bis heute fort und eine baureife Planung sowie ein Vertrag zwischen der Stadt Markdorf und dem Landkreis zur Umsetzung liegen vor.

Bedingungen haben sich zum Negativen verändert

Die damaligen Bedingungen (zum Beispiel Kosten, OU Kluftern und Bermatingen) und die Entlastungswirkung für unsere Stadt haben sich seither deutlich zum Negativen verändert. Nun gilt es die Veränderungen darzustellen und die Möglichkeit zu schaffen um nochmals zu entscheiden, ob die Umsetzung der Planung heute noch richtig ist.“

Ein Projekt von gestern

 

 

Frieder Stärke aus Markdorf, Sprecher VCD Bodensee: „Die Jugend auf den Straßen und tausende von Wissenschaftlern rufen uns zu, dass es beim Klimaschutz ‚brennt‘. Doch neue Straßen wie die geplante Ortsumfahrung Markdorf verschärfen das Problem noch weiter, weil sie den energiefressenden Kfz-Verkehr weiter anheizen. Sie zerschneiden unseren Lebensraum und beschleunigen die weitere Zersiedelung, was wiederum neuen Kfz-Verkehr verursacht.

Geld in alternative Mobilitätskonzepte stecken

Den immer geringeren Entlastungswirkungen an der B 33 im Ort stehen erhebliche Mehrbelastungen gegenüber: für Nachbarorte, Erholungsgebiete, Natur und Klima. Unsere ganzen Kräfte und die 30 Millionen Euro müssen wir stattdessen in den Ausbau von Bahn, Bus, Fahrrad- und Fußverkehr lenken, damit unsere Mobilität zukunftsfähig wird.“

 

 

Fritz Käser, Vorsitzender der Interessengemeinschaft Verkehrsneuplanung Ittendorf (IVI): „Die Interessengemeinschaft Verkehrsneuplanung Ittendorf (IVI) hat sich bereits vor dem Bürgerentscheid 2003 gegen den Bau einer Ortsumfahrung Markdorfs ausgesprochen, da sich der Verkehr auf der B 33 durch Ittendorf durch diese Straße weiter erhöhen und zu einer Mehrbelastung der ohnehin schon stark befahrenen Ortsdurchfahrt führen würde.

Südumfahrung wäre kontraproduktiv

Nach mehr als 15 Jahren seit dem Bürgerentscheid haben sich die Randbedingungen dahingehend geändert, dass dieser Neubau noch fraglicher geworden ist:

·         Die im Süden Markdorfs wohnenden Mitbürger konnten beim Bürgerentscheid nicht abstimmen, da dieses Wohngebiet erst später gebaut wurde, die Betroffenheit aber gerade dort am höchsten ist.

·         Die Südumfahrung Markdorfs ist kontraproduktiv in Bezug auf die Bündelungswirkung der neuen B 31.

·         Die Entlastung der Ravensburgerstraße ist um 60 Prozent geringer als 2003 angegeben.

·         Die Gesamtinvestitionskosten sind von 11,1 auf 24,3 Million Euro angestiegen. Die von der Stadt Markdorf zu tragenden Kosten betragen nunmehr 7,41 anstelle 1,67 Mill. EUR in 2003, mithin ein Anstieg um mehr als 440 Prozent.

·         Der Nutzen einer Südumfahrung ist somit erheblich gesunken.

·         Die derzeit prognostizierten Verkehrsmengen sind im Hinblick auf die aus Klimaschutzgründen erforderliche Reduzierung des Individualverkehrs und der erwarteten Verbesserung der Modalsplits (Verkehrsmittelwahl) bei Weitem zu hoch.

Wirkung der B 31-neu abwarten

Vor dem Bau der Südumfahrung sollte die Entlastungswirkung der Ortsdurchfahrt in Markdorf durch die in Planung befindlich B 31-neu abgewartet werden.

 

 

Albin Ströbele, Vorstandsmitglied BUND Markdorf, argumentiert in Schlagworten. Die OU bedeute: Zerstörung des Markdorfer Naherholungsgebiets im Süden der Stadt; starke Beeinträchtigung landwirtschaftlicher Flächen; Gefahr der weiteren Zersiedelung des Bodensee-Hinterlandes; einen „hohen Preis“ zu bezahlen dafür, dass die Verkehrsentlastung gering ist, weil der Ziel- und Quellverkehr aus Richtung Bermatingen weiterhin durch Markdorf fließen und der Schwerlastverkehr sich künftig trotz längerer Fahrstrecke, aber ohne Kreisverkehre und Tempo-30-Zonen viel eher auf der ausgebauten B 31/B 30 bewegen werde.

 

 

Zum Verfahren

Der nächste Schritt in Sachen Ortsumfahrung ist nach Auskunft aus dem Landratsamt die Beauftragung eines Büros zur Durchführung der EU-weiten Ausschreibung der Planungsleistungen. Darauf folgen die Ausschreibung und Vergabe der Planungsleitungen. Baubeginn könnte ab 2022 sein.