Neun Trassenvorschläge für die B 31-neu zwischen
Meersburg und Immenstaad – und der Wunsch nach Einigkeit bei den
Verkehrsinitiativen
Ursprünglich waren es mal 22 Trassenvorschläge
für den Ausbau oder Neubau der Bundesstraße 31 zwischen Meersburg und
Immenstaad. Jetzt stellte das Regierungspräsidium Tübingen drei Varianten mit
neun möglichen Trassen vor. Die Behörde wirbt im Dialogverfahren um eine
Einigung, oder zumindest Kompromisse. Der SÜDKURIER befragte Planer und
Verkehrsinitiativen zu den vorgeschlagenen Trassen.
VON KERSTIN MOMMSEN UND JENNA SANTINI
Mit die wichtigste verkehrspolitische Frage im Bodenseekreis
rückt ihrer Klärung ein Stück näher. Das Regierungspräsidium Tübingen stellte
vergangene Woche ein Variantenbündel für den Weiterbau der Bundesstraße 31
zwischen Meersburg und Immenstaad vor. Neun mögliche Trassen stehen in drei
Korridoren zur Auswahl: als Ausbauvariante (A) auf der bestehenden Strecke
sowie südlich (B) und nördlich (C) des Weingartenwaldes. Christoph Ewen, Leiter des Teams Ewen, das
den gesamten Planungsprozess zur B 31 moderiert, erklärt, wie es zu der
Auswahl kam. „Die eingehende Raumanalyse hat gezeigt, dass es viele Bereiche
gibt, bei denen Nutzungskonflikte, insbesondere auch rechtliche Probleme zu
erwarten sind. Das betrifft in erster Linie den Naturschutz, weil das neue europäische
Naturschutzrecht sehr streng ist und auch von den Gerichten streng ausgelegt
wird.“
Im weiteren Verfahren sollen die übrig
gebliebenen Trassenverläufe genauer ausgearbeitet werden, um verlässliche
Informationen zu bekommen. „Erst wenn das geschehen ist, kann die Entscheidung
für eine Vorzugsvariante getroffen werden“, erklärt Christoph Ewen. Dazu sollen nun technische Planer die verschiedenen
Trassenverläufe ausarbeiten, es werden Verkehrsgutachten erstellt, um Lärm- und
Schadstoffbelastung zu berechnen, auch die möglichen Tunnel- und
Lärmschutzwände werden berechnet. „Am Ende dieses Prozesses wird es dann eine
Übersicht geben, auf der die Vor- und Nachteile für jede Trassenvariante
ersichtlich sind“, so Ewen. Er rechnet mit weiteren
Ergebnissen Ende 2019.
Ausgewählte Varianten
"am wenigsten kritisch"
Matthias Kühnel, Projektleiter für die
B 31-neu beim Regierungspräsidium, bezeichnet die nun verbliebenen
Varianten als "am wenigsten kritisch". Aus den ursprünglich
22 Trassenverläufen seien nach der eingehenden Raumanalyse die
konfliktärmsten Varianten übrig geblieben, die auch
einer juristischen Überprüfung standhalten können. "Dabei geht es um die
Bewertung des Naturschutzes, der Verkehrsströme und der Machbarkeit",
erläutert Kühnel. Er legt Wert auf die Tatsache, dass der Prozess noch nicht
abgeschlossen sei. "Erst nach der eingehenden Prüfung, auch der Finanzierbarkeit
der verschiedenen Varianten, wird es eine Vorzugsvariante geben",
erläutert Kühnel. Die Kosten für mögliche Tunnellösungen trägt laut Ewen der Bund, wenn dieser sie als notwendig erachtet. Ewen nimmt aus dem bisherigen Dialogprozess mit, dass es
für die Realisierung der neuen B 31 hilfreich wäre, wenn sich die Region
geschlossen für eine Variante ausspricht – oder sich zumindest nicht darüber
zerstreitet.
Dirk Abel, Pressesprecher des
Regierungspräsidiums Tübingen, lobt das bisherige Dialogverfahren. "Das
war ein Pilotprojekt, das wir 2014 gestartet haben. Wir haben bisher den
Eindruck, dass bei allen Beteiligten im Großen und Ganzen Einigkeit herrscht,
auch wenn jetzt im Detail nicht alle gleichermaßen zufrieden sind. Wir hoffen,
dass am Ende dieses Prozesses, wenn wir also Ende 2019 mit einer Trasse in die
Planung gehen, möglichst viele Initiativen diese dann auch unterstützen."
Initiativen legen
großen Wert auf Umweltschutz
Einige der Initiativen setzen sich
bereits seit den 90ern für Verkehrsthemen ein. Weitere haben sich in den
vergangenen Jahren gegründet. Hinzu kommen Bündnisse der Initiativen und
Gruppen mit ähnlich gelagerten Interessen. Denjenigen, die am Dialog zur B 31
beteiligt sind, wurden die Trassen jetzt vorgestellt. Hans-Heinrich Gerth vom Meersburger Initiativ-Kreis B 31-neu, kurz MIK,
berichtet: "Die Mitglieder des MIK in den Arbeitskreisen Verkehr und
Umwelt sowie im Dialogforum haben die dort in den letzten Sitzungen
vorgestellten Trassenkorridore mit Interesse zur Kenntnis genommen. Erfreulich
aus ihrer Sicht war, dass Lärmschutz- und Umweltaspekte bei der Definition der
Trassenkorridore eine zentrale Bedeutung hatten." Dies lasse darauf
hoffen, "dass diese Gesichtspunkte auch bei der Detailplanung möglicher
Trassen in diesen Korridoren Priorität haben". Eine detaillierte Bewertung
will der MIK erst abgeben, wenn die Einzelheiten der Planung vorliegen.
"Diese Bewertung hängt entscheidend davon ab, wie landschafts- und
umweltschonend sich eine Trasse in die sensible Bodenseelandschaft insbesondere
im Bereich Meersburg einfügt und ob ausreichender Lärmschutz in den
Wohngebieten gewährleistet ist", erklärt Gerth.
Der Bündnispartner aus der
Arbeitsgemeinschaft (AG) Ausbau B 31-neu, die Interessengemeinschaft
Verkehrsneuplanung Ittendorf (IVI), tendiert in eine ähnliche Richtung wie der
MIK. Fritz Käser, Vorsitzender der IVI, teilt auf SÜDKURIER-Nachfrage mit, dass
die drei vorgestellten Varianten eher das Ergebnis straßenbaulicher Aspekte
unter Einbezug von Lärmschutzerfordernissen seien, "wobei Kriterien des
Umweltschutzes zunächst weniger berücksichtigt wurden". Bei der Vorstellung
der Umweltverträglichkeitsstudie sei allerdings eine Vielzahl von
schützenswerten Gebieten im Planungsgebiet vorgestellt worden, "die eine
Realisierung der Variantenbündel B und C infrage stellen. Gerade der
Weingartenwald und die Lipbach-Senke stellen höchst schützenswerte Gebiete von
überregionaler Bedeutung dar". Dabei spielten artenschutzrechtliche
Aspekte genauso eine Rolle wie das Landschaftsbild, die landwirtschaftlichen
Nutzungen und die Naherholung. Käser kündigt an: "Die IVI setzt sich seit ihrer
Gründung für einen moderaten Ausbau der bestehenden B 31 ein und wird dies
auch weiterhin tun. Dies entspricht im grundsätzlich dem Lösungsansatz A, da
unserer Meinung nach nur bei diesem Lösungsansatz die Eingriffe in die Natur,
Landschaft, Landwirtschaft und Naherholung minimiert werden können."
Viele Aspekte noch in
der Untersuchung
Einen Gegenpunkt zur AG Ausbau
B 31-neu bildet das B 31-neu Bündnis Pro 7.5 Plus. Im Bündnis
sind unter anderem die Verkehrsinitiative Hagnauer Bürger
und die Bürgerinitiative Immenstaad B 31-neu organisiert. Vorsitzender
Bernd Saible stellt zu den Ergebnissen der Gutachter
und Planer fest: Viele entscheidungsrelevante Aspekte, wie Straßenquerschnitt,
Lärm-, Schadstoffgutachten, Details und Lage der Anschlussknoten ans
nachgelagerte Straßennetz, geologische Bodenverhältnisse, Auswirkungen auf
Tourismus, Wirtschaft, Landwirtschaft, Flächenverbrauch, et cetera
befänden sich derzeit noch in der Untersuchung und würden vermutlich alle
vorgestellten Varianten noch beeinflussen. Die Bündnismitglieder treffen sich
am heutigen Dienstag zu einem ersten Workshop in Hagnau,
um die drei Lösungsansätze zu analysieren und zu bewerten. "Für die
Mitglieder des Bündnisses handelt es sich bei der B-31-neu-Planung um ein
Verkehrsprojekt, das nicht nur unter dem jeweiligen Gesichtspunkt einer
einzelnen Gemeinde und ihres kommunalen Interesses, sondern ebenso aus dem
Blickwinkel gemeindeübergreifender Aspekte der betroffenen Seegemeinden sowie
hinsichtlich der Auswirkungen auf die Region überdacht und beurteilt werden
muss", so Saible. Erst am Ende dieses Prozesses
soll eine gemeinsame Position kommuniziert werden.
Bei dem Workshop werden ebenfalls Bürger
aus Stetten dabei sein. Zwischen der Initiative TeamB31-Stetten und dem
B 31-neu Bündnis Pro 7.5 Plus besteht eine Kooperation. In der
Gemeinde Stetten gibt es zudem die Interessengemeinschaft Verkehrsplanung
B 31/B 33 Stetten. Die Gruppe gehört weder zur AG Ausbau
B 31-neu noch zum B 31-neu Bündnis Pro 7.5 Plus. Stattdessen
wird ein enger Austausch mit dem TeamB31-Stetten gepflegt. Mit den weiteren
Initiativen will man im Gespräch bleiben, wie Vorsitzender Ruben Neu erklärt.
Auch die Stettener haben vor, eine gemeinsame
Position zu den Varianten zu erarbeiten, mit Blick auf die Komplexität der
Straßenplanung und die Konsequenzen für die Gemeinde. Denn Stetten wäre von
allen drei Varianten direkt betroffen.
Nicht nur direkte
Betroffenheit zählt für Bürger
Dass jedoch nicht nur unmittelbare
Betroffenheit zählt, beweist die Initiative Pro Kluftern. Vorstandsmitglied
Adalbert Kühnle teilt mit: "Die Varianten B und C samt Untervarianten
stellen einen massiven Eingriff in unsere einmalige Erholungs- und
Kulturlandschaft und deren landwirtschaftliche Nutzung dar. Sie sind deshalb auch
im Blick auf kommende Generationen abzulehnen."
Und: Die Varianten C1 und B1 seien sehr nah an Kluftern geplant und würden
zu einer Verlärmung Klufterns führen, vor allem wegen
der notwendigen Brücke über die L 207 samt Zu- und Abfahrten. Das würde sicherlich
zu Klagen führen, so Kühnle. Generell verfolgt die Initiative den Ansatz:
Ausbau vor Neubau. "Das gilt auch jetzt für die B-31-neu-Planung. Der
Lösungsansatz A ist deshalb zu favorisieren. Ob hierfür ein durchweg
vierspuriger Ausbau zwingend ist oder ob nicht ein dreispuriger Ausbau reichen
würde, ist genauer zu prüfen. Schließlich ist der dreispurige Ausbau zwischen
Stockach und Überlingen bisher sehr funktionsfähig", so Kühnle.
Einen aktuellen
Planungsstand stellt das Regierungspräsidium am Dienstag, 12. Februar
2019, in Markdorf vor.
Planung über Jahrzente
Die Historie der B-31-neu-Planung reicht bis Ende der 80er-Jahre zurück.
Die konzeptionelle Phase für den Abschnitt Meersburg/West bis Immenstaad
dauerte dem Regierungspräsidium (RP) Tübingen zufolge von 1989 bis 1995. Damals
richtete das RP einen begleitenden Arbeitskreis ein, in dem Behörden, Kommunen,
Verbände und Bürgerinitiativen 15 Trassenvarianten erarbeiteten. Die
sieben seefernen und acht seenahen Varianten wurden
gemeinsam mit dem RP überprüft und vier Planungsfälle/Varianten gingen ins
Raumordnungsverfahren (1999 bis 2001). Dabei handelte es sich um die seeferne Variante 2a sowie die seenahen
Varianten 0.1 (Ausbau), 7.5 und 9.3. Die Variante 2a stimmte nach Angaben des
Ministeriums für Verkehr und Infrastruktur Baden-Württemberg nicht mit den
Erfordernissen der Raumordnung überein. Die Variante 7.5 galt als die
raumordnerisch günstigste und konfliktärmste Lösung. Es schloss sich das
Linienbestimmungsverfahren bis 2006 an. Mit der "Optimierung der Variante
7.5 bei Uhldingen-Mühhofen" wurde laut
Ministerium daraus die Variante 7.5 W2. Diese Linie diente als Grundlage für
den Weiterbau der B 31-neu zwischen Meersburg-West und Immenstaad. Im Jahr
2006 wurde das Projekt auf Eis gelegt. Andere Maßnahmen hatten Vorrang. Erst
2015 wurde das Vorhaben wieder aufgenommen. (wie)