Ortsumfahrung Kluftern: „Ein ausgesprochen straffer Zeitplan“

 

Die Verkehrsmediation Kluftern biegt auf die Zielgerade ein. Über den aktuellen Stand im Verfahren, über das zwischenmenschliche Klima im Regionalforum der Mediaton und auch über die Kritik der Bürgerschaft in Markdorf-Riedheim an den vorgestellten Trassenführungen einer möglichen Ortsumfahrung Kluftern äußert sich Mediator Anton Hütter im exklusiven Interview mit dem SÜDKURIER.

Ortsdurchfahrt Kluftern: Die Ortsdurchfahrt von Kluftern ist stark belastet. In der Verkehrsmediation wird nach einer Trasse für eine Umfahrung gesucht, die zugleich als Zubringer für eine Verbindung von Markdorf zum geplanten B-31-neu-Anschlussknoten bei Spaltenstein dienen würde. | Bild: Uli Lancé (Archivbild)

 

 

Das Ziel, bis zum Frühjahr die Mediation mit einer Empfehlung für den Kreistag abzuschließen, ist ehrgeizig. Wie liegt das Verfahren aktuell im Zeitplan?

Unser Zeitplan sieht vor, dass wir im Mai, nach abschließender Diskussion und Vereinbarung im Regionalforum, dem Auftraggeber, das heißt dem Kreistag und dem Gemeinderat der Stadt Friedrichshafen, das Ergebnis unserer Arbeit vorlegen. Das ist ein sehr ambitionierter und ausgesprochen straffer Zeitplan. Auch wenn noch sehr viel zu tun ist, ist das aber aus heutiger Sicht zu schaffen.

 

 

Durch die Einwände aus Riedheim wird sich ein zusätzlicher Aufwand ergeben haben. Wird sich dadurch der Abschluss des Verfahrens verzögern?

Die Diskussionen in Riedheim haben am fachlichen Vorgehen und am Umfang der Untersuchungen nichts geändert, da der Raum in und um Riedheim natürlich mit der gleichen Genauigkeit wie der restliche Planungsraum untersucht wird. Zusätzliche Informationen und Hinweise von Menschen vor Ort oder fachliche Argumente sind immer wichtig und müssen Eingang in unsere Arbeit finden. Hier gilt Qualität vor Geschwindigkeit. Wenig hilfreich ist manchmal die unstrukturierte Diskussion außerhalb und parallel zu unserem Mediationsverfahren. Vor allem dann, wenn die Sprache kämpferisch und verletzend wird oder die Daten sehr einseitig interpretiert werden. Das hat dann auch Auswirkungen auf die Mediation, kann die Arbeitsatmosphäre beschädigen und bindet dadurch oft erhebliche Ressourcen.

 

 

Im Regionalforum der Mediation sind Vertreter aus Kluftern und Markdorf, deren Ansichten zu den Trassen konträr sind. Und es sind Straßengegner und Befürworter vertreten. Wie empfinden Sie als Mediator das Klima in der Runde?

Das Klima im Regionalforum und im Planungsteam und generell die Zusammenarbeit zwischen Verwaltung, externen Fachexperten und den im Regionalforum vertretenen Interessengruppen ist sehr gut, konstruktiv und tragfähig. Wir begegnen uns auf Augenhöhe, sorgen für Transparenz bei den Informationsflüssen und so entsteht eine Vertrauenskultur. Wir hätten im Regionalforum sonst auch nie die einvernehmlich getroffenen Vereinbarungen in den Arbeitsbereichen Verkehrsplanung, Technische Planung und bei den Fachgutachten zu Lärm, Schadstoffen, Flora und Fauna erarbeiten können. Diese Vereinbarungen sind die fachliche Basis für die Beurteilung und Reihung der verbliebenen sechs Varianten. Wesentlich ist auch die grundsätzliche Haltung, dass wir das Aufeinandertreffen verschiedener Sichtweisen nicht als Problem, sondern als Chance für mehr Objektivität, Genauigkeit und Transparenz begreifen. Wie bei schwierigen medizinischen Diagnosen, wo zur Sicherheit eine zweite Fachmeinung eingeholt wird, wird im Planungsteam dafür gesorgt, dass es eine begleitende Reflexion gibt. Wir bezeichnen das intern als „Konzept des zweiten Blicks“.

 

 

Jede Variante, von der bahnparallelen Trasse in Kluftern bis zur weiträumigen Umfahrung auf der K7742, birgt teils erhebliche Konflikte, für die Umwelt wie auch für die angrenzenden Ortschaften. Wird es überhaupt eine Kompromisslösung geben können, die von allen Seiten getragen werden kann?

Der Planungsraum ist dicht besiedelt, vielfältig genutzt und birgt ökologisch wertvolle Flächen. Jede Maßnahme berührt ein komplexes Interessensgeflecht. Vor diesem Hintergrund stellt eine Lösung, mit der alle Beteiligten und Betroffenen zu hundert Prozent glücklich sind, eine große Herausforderung dar. Dabei zeigt sich sehr deutlich, dass durch die Zusammenarbeit in der Mediation für alle Beteiligten mehr Vorteile erreicht werden können, als ohne Zusammenarbeit und es durchaus Bereiche gibt, wo Win-win-Lösungen möglich sind. Wichtig ist, dass wir zu Beginn eine sorgfältige Klärung der Ausgangssituation erarbeitet haben und im weiteren Verlauf jeder Arbeitsschritt transparent und für alle nachvollziehbar dargestellt diskutiert und vereinbart wird. Diese Kooperation ist die Basis dafür, dass auch dann, wenn das Ergebnis nicht in allen Punkten der eigenen Interessenslage entspricht, die Entscheidung doch verstanden wird und sichergestellt ist, dass bei einer Umsetzung die Interessen der Betroffenen so weit als möglich berücksichtigt werden.

 

 

Wie beurteilen Sie die Einwände der Riedheimer wegen des von ihnen befürchteten Lärmaufkommens der erhöht an den Ort heranführenden Querspange und der betreffenden Trassenvarianten?

Das sind Fachfragen und die kann und soll der Mediator nicht beurteilen. Seine Aufgabe ist die Gestaltung und Leitung des Arbeitsprozesses und die allparteiliche Förderung der Kommunikation. Die Klärung von fachlichen Fragen und die Bewertung möglicher Maßnahmen sind Aufgaben des Planungsteams und der im Regionalforum vertretenen Interessengruppen.

 

Derzeit werden die Lärmprognosen für die Varianten erarbeitet. Wann ist mit einem Ergebnis zu rechnen und wird es öffentlich gemacht?

Die Ergebnisse der Lärmuntersuchung wurden im letzten Regionalforum am 25. Januar präsentiert. Sie sind ein wesentliches Kriterium für die Beurteilung der Varianten und werden dann, gemeinsam mit dem Ergebnis der Mediation, der Öffentlichkeit vorgestellt.

 

 

Sie haben bereits mehrere Mediationsverfahren erfolgreich geleitet, unter anderem in der Holzindustrie, bei Konflikten um ein Kraftwerk oder um die Siedlungsentwicklung einer bayerischen Gemeinde. Ist die Verkehrsmediation Kluftern eine besonders anspruchsvolle Mediation?

Mediationsverfahren dieser Art kann man als die „Königsdisziplin“ der Mediation bezeichnen. Die Verkehrsmediation Kluftern ist in dieser Form ein Pilotprojekt und es ist dem Kreistag und dem Gemeinderat von Friedrichshafen hoch anzurechnen, dass sie entschieden haben, diese Thematik im Rahmen eines Mediationsverfahrens zu bearbeiten. Es geht ja um Fragen, die sehr komplex und vernetzt sind und um mögliche Maßnahmen, die die Interessen vieler Menschen betreffen und deutliche Auswirkungen auf Natur und Landschaft haben. Hier braucht es Strukturen der Kooperation mit dem Ziel, möglichst viele gegensätzliche Interessen zu integrieren.

 

Fragen: Helmar Grupp

 

 

 

 

 

Zur Person

 

Dr. Anton Hütter (61) ist Inhaber der Unternehmensberatung hütter & partner (Schwaz/Tirol) und im Auftrag des Landkreises und der Stadt Friedrichshafen Leiter des Verfahrens Verkehrsmediation Kluftern. Als Moderator des Verfahrens leitet er die Sitzungen des Regionalforums und den Austausch der verschiedenen Interessengruppen, Experten und politischen Vertreter in der Mediation. Hütter ist eingetragen in die Mediatorenliste des österreichischen Bundesministeriums für Justiz, Lehrbeauftragter an Universitäten und Fachhochschulen und Aufsichtsrat der Innsbrucker Kommunalbetriebe AG. Unter anderem hat er bereits in Konflikten um die Holzindustrie in Ybbs an der Donau und das Achenseekraftwerk vermittelt. (gup)
 

Rund 200 Zuhörer kamen im November in die Mehrzweckhalle Leimbach, um sich über den Stand des Mediationsverfahrens informieren zu lassen. Links im Bild Mediator Anton Hütter. Bild: Helmar Grupp | Bild: Helmar Grupp

 

 

Verkehrsmediation Kluftern

 

·         Ein Pilotprojekt: Die Verkehrsmediation Kluftern gilt nach Aussage aller Beteiligten als ein Pilotprojekt der Straßenbauplanung in der Region. Erstmals soll auf diesem Wege eine Trassenführung nicht von Politik und Behörden vorgegeben, sondern im angestrebten Konsens unterschiedlichster Betroffenheiten und Bedürfnisse erarbeitet werden.

·         Das Verfahren: Nach den Protesten gegen die geplante bahnparallele Trasse als Ortsumfahrung Kluftern wurde in 2014 die Mediation ins Leben gerufen. Teilnehmer sind Vertreter der betroffenen Gemeinden, der Politik, von Interessensverbänden und Initiativen sowie externe Experten und Gutachter.

·         Das Ziel: Im Frühjahr dieses Jahres soll die Mediation ihre Arbeit abgeschlossen haben und ihren Vorschlag für eine Trassenvariante eines Zubringers Markdorf – geplanter B-31-Anschluss bei Spaltenstein/OU Kluftern dem Kreistag vorlegen. Der Kreistag entscheidet dann über eine Realisierung. Das Verfahren ist ergebnisoffen. Es ist also auch möglich, dass das Regionalforum der Mediation die Beibehaltung des status quo empfiehlt, es also keine neue Straße geben soll.

·         Der jüngste Konflikt: Im Herbst 2016 formierte sich in Markdorf-Riedheim eine Initiative gegen die bisherigen Trassenpläne. Sie kritisiert, dass sich fünf der sechs Vorzugstrassen negativ auf ihren Ort auswirken würden. (gup)