Für und Wider der Maut-Ausweitung: Stimmen aus der Region
Die Bundesregierung will
ab Mitte 2018 die Mautgebühr für Lastwagen auch auf Bundesstraßen ausweiten.
Lothar Riebsamen, Bundestagsabgeordneter für den
Bodenseekreis, verspricht sich dadurch eine Entlastung für die B 31. Die
Industrie- und Handelskammer (IHK) Bodensee-Oberschwaben steht Mautgebühren für
Lastwagen auf Bundesstraßen kritisch gegenüber.
Bodenseekreis – Lastwagenfahrer, die zur Umgehung der Mautgebühr die Autobahnen meiden, sollen ab Juli 2018 ausgebremst werden. Die Bundesregierung beschloss vergangene Woche einen Gesetzentwurf, wonach die Maut für Lastwagen ab 7,5 Tonnen auch auf rund 40 000 Kilometern Bundesstraße ausgeweitet werden soll. Lothar Riebsamen, CDU-Bundestagsabgeordneter für den Bodenseekreis, begrüßt den Beschluss. Er verspreche sich davon eine Entlastung der Bundesstraßen im Bodenseekreis. "Da bislang nur Autobahnen mautpflichtig waren, umgingen Lastwagen die Maut, indem sie auf Bundesstraßen auswichen", heißt es in einer Pressemitteilung des Abgeordneten. "Die Folge: Täglich durchqueren tausende Lastwagen hauptsächlich auf der B 31 den Bodenseekreis. Mit der Maut für Bundesstraßen werden diese wieder entlastet, da es sich für Lkw nicht mehr lohnt, die Autobahnen zu umfahren“, so Riebsamen.
Zwei Milliarden Euro
zusätzliche Einnahmen verspricht sich die Bundesregierung von der Ausweitung
der Mautgebühr. Profitieren sollen nach Angaben der Deutschen Presse-Agentur
(DPA) auch die Länder: Da etwa acht Prozent des Netzes nicht in
Bundeszuständigkeit liegen – vor allem Ortsdurchfahrten
-, sollen dortige Einnahmen nach Abzug von Systemkosten den jeweiligen Ländern
ausgezahlt werden. Die Anfrage des SÜDKURIER, wie das konkret umgesetzt werden
soll, blieb vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur
unbeantwortet. Wie das Land von der Lkw-Maut auf Bundesstraßen künftig
profitieren soll, ist auch dem Ministerium für Verkehr Baden-Württemberg
derzeit noch unklar. "Wir wissen nicht, wie das umgesetzt werden soll.
Wir gehen dem derzeit nach", sagt eine Sprecherin des Ministeriums. Steffen Fink, Pressesprecher beim Regierungspräsidium in Tübingen, teilt mit, das Land selbst generiere keine eigenen Einnahmen aus der Lkw-Maut. Der Ausweichverkehr von Autobahnen auf die Bundesstraßen sei im Bereich des Regierungspräsidiums zudem "nicht nennenswert".
Die Industrie- und
Handelskammer (IHK) Bodensee-Oberschwaben steht Mautgebühren für Lastwagen auf
Bundesstraßen kritisch gegenüber. "Einen Wechsel hin zu einer stärkeren
Nutzerfinanzierung ist zwar grundsätzlich richtig, wenn diese Mittel dann
zweckgebunden für die Fernstraßen verwendet werden. Aber Bundesstraßen in
ländlichen Räumen – weitab der Autobahnen – zu bemauten,
ist der falsche Weg", erläutert Wolfgang Heine, Bereichsleiter
Standortpolitik der IHK. Die Maut sollte sich vielmehr auf die
Aufkommensschwerpunkte Autobahnen und autobahnähnliche, vierspurige
Bundesstraßen konzentrieren. "Wir lehnen eine solche Ausdehnung auch
deshalb ab, weil Bundesstraßen für viele Unternehmen im ländlichen Raum eine
Erschließungsfunktion für den Betriebsstandort haben. Würden sie
nutzungsabhängig bemautet, würde jede Fahrt im
Regionalverkehr Mehrkosten und damit ein Standortnachteil bedeuten. Als
Konsequenz sind zudem Mautausweichverkehre auf das nachfolgende Straßennetz –
die Landes- und Kreisstraßen – zu erwarten", schildert Heine weiter.
Die Maut-Ausweitung
bringe aus Sicht der IHK keine Entlastung für den Bodenseekreis. "Denn der
Großteil der Verkehre auf der B 31 sind Ziel- und Quellverkehre, das heißt, sie
haben ihr Ziel oder ihren Ursprung in der Region und sind damit nicht
vermeidbar", sagt Heine. Und auch der Transitverkehr zwischen Stockach und
Überlingen werde durch eine Maut für Lastwagen nicht geringer, schlicht weil
diese Strecke kürzer sei als eine weitläufige Umfahrung auf der Autobahn.
"Wir rechnen sogar eher mit einer Mehrbelastung im Bodenseekreis, weil
laut der jüngsten Verkehrsprognose des Bundesverkehrsministeriums der
Güterverkehr bis 2030 um 38 Prozent und der Personenverkehr um 13 Prozent
zulegen wird. Eine Entlastung für den Bodenseekreis
ist erst durch einen bedarfsgerechten und ortsdurchfahrtsfreien Aus- und Neubau
der B 31 zwischen Überlingen und Lindau und der B 30 zwischen Friedrichshafen
und Ravensburg zu erwarten", so Heine. Eine Alternative zur Ausweitung der
Maut für Lastwagen sieht die IHK in einer Pkw-Vignette für In- und Ausländer
auf dem Bundesfernstraßennetz. "Sie wäre mit einem stabilen Aufkommen,
niedrigen Systemkosten und nur geringen Mautausweichverkehren verbunden",
sagt Wolfgang Heine.
Robert Schwarz, Landratsamt-Sprecher, über die geplante Ausweitung der Lkw-Maut.
Teilen Sie die Befürchtungen
der IHK?
Inhaltlich ist die Aussage der IHK völlig zutreffend. Ich würde hier aber nicht
von einer Befürchtung sprechen, sondern einer nüchternen Analyse. Die
Wirtschaft im Bodenseekreis prosperiert, die Bevölkerung wächst, der Tourismus
entwickelt sich positiv. Da muss man kein Verkehrsexperte sein, um zu dem
Schluss zu gelangen, dass auch das Verkehrsaufkommen in absehbarer Zeit steigen
wird.
Rechnen Sie ebenfalls mit einer
Mehrbelastung der Straßen im Landkreis?
Eine Bundesstraßenmaut für Lastwagen wird bei uns schon deshalb keine
entlastende Wirkung bringen, weil die Trucks gar keine andere Möglichkeit
haben, als die Bundesstraßen zu benutzen. Ob eine solche Maut dennoch
gesamtverkehrspolitisch als sinnvoll zu betrachten ist, ist eine politische
Entscheidung.