Straßenbau: Es könnte auch mehr sein

Bei aller Erleichterung über den Baubeginn: Die Bürger sollten ihre Interessen auch künftig mit dem gebotenen Selbstbewusstsein einfordern.

Für die Bürger konnte die Nachricht nicht besser sein. Nach teils 40 Jahren Wartezeit kommt es zur Baufreigabe für 15 Bundesfernstraßen in Baden-Württemberg. An Nadelöhren wie der B33 hinter Allensbach oder der B27 bei Hüfingen hätte freilich seit vielen Jahren dringend gebaut werden sollen. Doch stattdessen mutete der Bund den Gemeinden endlosen Gestank und endlosen Lärm zu. Warum eigentlich?

Vorsicht also mit allfälliger Selbstbeweihräucherung von Politikern. Das gilt quer durch alle Parteien. Denn einerlei wer in Berlin oder Stuttgart gerade regiert, Abgeordnete rühmen sich gerne mit dem „Draht nach oben“. Und welcher Wahlkreisvertreter, Landrat oder Bürgermeister lässt sich schon die Gelegenheit zum Spatenstich entgehen? Dabei verteilt der Bundesverkehrsminister nichts anderes als Steuergeld, das der Staat den Bürgern zuvor abgenommen hat. Er gibt zurück, nicht mehr. Und er gibt wie alle seine Vorgänger in kleinen und kleinsten Dosen, wenn man sich die Beträge etwa für eine Ortsumfahrung anschaut.

Dabei nutzt Minister Dobrindt den willkommenen Effekt, sich mit dem lauwarmen Geldregen nach seinem Maut-Debakel wieder in positive Erinnerung zu bringen. Dieser Kniff funktioniert auch deshalb so gut, weil die Menschen an Verkehrs-Brennpunkten, wie es der Zubringer nach Konstanz oder die Zufahrt zur Messe Friedrichshafen sind, schon längst mürbe waren, immer die gleichen Versprechen der Politik zu hören. Wie viele Jahre war man „kurz davor“? Die Freude ist groß, die Erleichterung auch, gewiss. Doch es bleibt dabei: Der Bund löst ein Problem, für dessen Lösung er nun einmal zuständig ist. Mehr nicht.

Denn den Verkehr flüssiger zu gestalten und die Menschen aus dem Stau zu holen, wäre schon lange wichtiger gewesen als immer wieder neue Projekte zu beginnen. Alle Verkehrsfachleute fordern seit Jahren die Umstellung auf komplette Projektfinanzierung anstatt jedes Jahr das altbekannte, durchsichtige Spiel zu inszenieren: Der Bund gibt Geld für einen Bauabschnitt! Die Zeit politischer Baubeginne sollte endlich vorbei sein.

Auch wenn sich ein leichtes Umdenken bei Verkehrsplanungen abzeichnet: Die Straßenbaupolitik des Bundes ist nach wie vor zu stark auf Neubau konditioniert. Wichtiger aber wären häufig Verbreiterungen bestehender Trassen und vor allem grundlegende Sanierungen. Denn es ruckelt und staut oft nicht nur, weil es keine Straße gibt, sondern weil Reparaturarbeiten die Fahrbahnen verengen. Dauerbaustellen sind gerade zu Beginn der Ferien keine Seltenheit. Dass es so viele Jahre, ja Jahrzehnte braucht, um in einer stark frequentierten Ferienregion wie am Bodensee eine gute Infrastruktur zu schaffen, bleibt ein Ärgernis.

Rund sieben Milliarden Euro wären laut Experten nötig, um die Straßen-Infrastruktur deutschlandweit in Ordnung zu halten. Geld ist da, es wird nur falsch gewichtet. Rund 50 Milliarden Euro nimmt Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble jedes Jahr aus verkehrsbedingten Steuern wie Mineralöl- oder Kfz-Steuer ein. Doch das Geld versickert weitgehend im Haushalt, auch, um Plakate wie die mit der „Schwarzen Null“ malen zu können.

http://ad.suedkurier.de/openx/www/delivery/lg.php?bannerid=116&campaignid=14&zoneid=4&loc=1&referer=http%3A%2F%2Fwww.suedkurier.de%2Fnachrichten%2Fpolitik%2Fmeinung%2FStrassenbau-Es-koennte-auch-mehr-sein%3Bart992910%2C8019544&cb=ecfcd8630c

Geld hier abzuzwacken ist aber nicht sparen, sondern eine Problemverschiebung ins Übermorgen. Würde regelmäßig ein guter Teil der 50 Milliarden wieder in die Straßen-Infrastruktur investiert, wäre viel gewonnen. Doch das findet nicht statt, weil die Politik von der Verknappung lebt. Nur dann kann sie sich von Zeit zu Zeit als Retter einzelner Regionen darstellen – so wie Dobrindt mit seinen zweieinhalb Sonder-Milliarden. Bei aller Freude und Erleichterung vor Ort sollten die Bürger daher auch künftig ihre Interessen mit dem gebotenen Selbstbewusstsein einfordern. Die Botschaft lautet: Es könnte durchaus auch mehr sein!