Einstellung ist formal richtig und klug

Die Einstellung des Planfeststellungsverfahrens zur Ortsumfahrung Bermatingen ist formal richtig und inhaltlich klug. Als „nachgeordnete Bündelungstrasse“ im (längst überholten) Planfall 7.5 für die politisch wie finanziell nicht durchsetzbare vierspurige B 31-neu zwischen Friedrichshafen und Überlingen wird die Ortsumfahrung nicht mehr gebraucht.

 

Die von ihr mitzutragende „industrielle Erschließung und ortsdurchfahrtsfreie Anbindung des nördlichen Bodenseeraums an das Wirtschaftszentrum FN“ und „Aufnahme von Teilen des B-31-Verkehrs“ als Baustein der Hinterlandtrasse verketteter Ortsumfahrungen wird mehrheitlich abgelehnt (siehe MWZ MTU Salem). Als bloße Ortsumfahrung fehlen ihr schlicht die sie rechtfertigenden Verkehrsmengen: Statt der für 2015 prognostizierten knapp 20 000 Kfz/24h fahren heute mit zirka 10 500 Fahrzeugen pro Tag weniger Autos durch den Ort als zu Bürgerentscheidszeiten und ihre Zahl nimmt seit 2005 jährlich kontinuierlich ab, offiziell gemessen vom RP Tübingen, Straßenbauamt Überlingen und der Gemeinde. Das mit diesen bewusst überhöhten und falschen Prognosen und Zahlenwerk betriebene Plebiszit hat schon 2006 seine rechtlich bindende Wirkung verloren. Auf dem guten Kilometer zwischen Bermatingen und Ahausen wäre die Ortsumfahrung neben den beiden Ortsdurchfahrten und der Bahnlinie die vierte Trasse, welche sich gegenseitig die abnehmende Zahl an Pendlern und Fahrzeugen abjagen und den ÖPNV weiter schwächen würde. Rechtswidrig führt die Ortsumfahrungstrasse auf 1,5 Kilometer mitten über die innersten und besonders geschützten Zonen unseres Wasserschutzgebiets, aus welchem 90 Prozent der Gemeinde ihr Trinkwasser bezieht und über lokal produzierte Lebensmittel direkt auf unseren Tischen landet. Ständige und vielfältige Schadstoffeinträge im Umfeld der Trasse gefährden so in unverantwortlicher Weise unsere Lebensgrundlage und die Gesundheit unserer Kinder.

 

Der Flächenverbrauch der Maßnahme für Trasse, Bauwerke und Ausgleichsflächen ist mit gut 30 Fußballfeldern und weiteren 20, welche der Land- und Forstwirtschaft darüber hinaus dauerhaft entzogen werden, unvertretbar hoch. Planfeststellungsverfahren sind nach Verwaltungsrecht ergebnisoffen angelegt. Nicht zwingend muss ein Feststellungsbeschluss an dessen Ende stehen. Ein Scheitern aufgrund gravierender planerischer Mängel oder Umweltunverträglichkeit der Planung ist durchaus als mögliches Ergebnis vorgesehen. Gut 700 fundierte private sowie 30 Einwendungen von Trägern öffentlicher Belange brachten die Ortsumfahrung so bereits rein inhaltlich und ohne Anrufung der Gerichte zu Fall und zeigen den großen Widerstand in der Bevölkerung gegen diese grob fehlerhafte Planung. Selbst bei einer unrealistischen Halbierung des Innerortsverkehrs durch eine Ortsumfahrung liegt die Lärmminderung mit 3db im Bereich der Wahrnehmungsschwelle, verlärmt aber mehrere 100 Hektar absolut ruhigen Naherholungsgebiets neu mit bis zu 70db. Eine konsequente Umsetzung des Lärmaktionsplans hingegen birgt mehr als 10db Lärmreduzierungpotential, was der akustischen Herausnahme von gut 90 Prozent des Verkehrs und einer Halbierung der Lärmbelastung innerorts entspricht, ganz ohne jede Landschaftszerstörung und Gesundheitsgefährdung, schnell und günstig umsetzbar und sowieso gesetzlich verpflichtend. Wer lärmgeplagten Straßenanliegern wirklich helfen will, sollte mithelfen, den Lärmaktionsplan möglichst vollständig umzusetzen.

 

Karsten Küpfer ist im Vorstand der Bürgerinitiative Bermatingen-Ahausen und LBU-Ortschaftsrat in Ahausen