Die Priorisierungsliste bringt Frust und Freude:
Vor allem am Hochrhein wächst die Unzufriedenheit über den Stillstand beim
Ausbau der A98
Zwischen Jubel und abgrundtiefer
Enttäuschung bewegt sich die Stimmung nach der Bekanntgabe der
Straßenbauprojekte in den nächsten Jahren für die Region zwischen Schwarzwald
und Bodensee.
Gebremsten Jubel hatte es bereits am Mittwoch bei der Bekanntgabe der
Dringlichkeit für den Straßenbau in Stuttgart gegeben. So hatte der Landrat des
Bodenseekreises, Lothar Wölfle, seine Freude kaum verbergen können, als er erfuhr,
dass der Ausbau der Bundesstraße 31 auf dem Abschnitt zwischen Immenstaad und Friedrichshafen auf der Liste der
Landesregierung ganz weit oben steht. Jetzt legte Friedrichshafens OB Andreas
Brand nach. „Wir setzen auf ein klares Bekenntnis durch Berlin“, erklärte er
ebenfalls erfreut in Richtung Berlin, wo letztlich die Entscheidung fallen
wird. Wenige Kilometer weiter westlich zeigte sich Hagnaus
Bürgermeister Simon Blümcke ratlos über die
Entscheidung der Landesregierung, wonach die Ortsumgehung für den Winzerort im
Zuge des Ausbaus der Bundesstraße 31 in keiner Liste auftaucht. Dabei sei Hagnau doch der Flaschenhals und das Nadelöhr auf der
Strecke zwischen Überlingen und Friedrichshafen.
Nicht viel glücklicher zeigte sich
auch der Bürgermeister von Uhldingen-Mühlhofen, Edgar
Lamm. Zwar sei dieser Bauabschnitt der B 31 mit Untertunnelung in der Priorität
ein wenig weiter vorne als die Ortsumfahrung Hagnau.
Dennoch rechnet auch Lamm nicht mehr mit einer Entlastung des Tourismusortes in
absehbarer Zeit. „Das werde ich wohl zu Lebzeiten nicht mehr erleben“,
bedauerte der Rathauschef.
Auf der anderen
Seeseite sind die Noten zur Bewertung der Landesregierung indessen positiv.
Kein Wunder, denn hier findet sich ein weiterer Bauabschnitt zum langersehnten
B-33-Ausbau auf der Dringlichkeitsliste des Landes. Der Konstanzer Abgeordnete
Siegfried Lehmann (Grüne) zeigte sich in einer Mitteilung zufrieden mit der
Hochstufung des Lückenschlusses.
Auch in Pfullendorf ist eine gewisse Zufriedenheit spürbar, wenngleich die Aussichten
für den zweiten Bauabschnitt zur Ortsumfahrung (L 268) erst mittelfristig
möglich scheinen. „Wir sind drin und haben den Fuß in der Tür“, kommentierte
Bürgermeister Thomas Kugler die Liste.
Gemischte Gefühle löst die Liste auch im Schwarzwald-Baar-Kreis aus. „Ich bin
enttäuscht über die Eingruppierung der Bundesstraße 27 zwischen Donaueschingen
und Hüfingen, freue mich aber, dass die hohe wirtschaftliche Bedeutung des
Lückenschlusses zwischen Villingen und Schwenningen anerkannt wurde“, so Landrat
Sven Hinterseh. Was den Lückenschluss angeht, so
werde aber vor 2016 nichts gehen, schränkte Niklas Lutterbach,
Sprecher von OB Rupert Kubon, ein, der der
Interessengemeinschaft Lückenschluss vorsitzt. Enttäuscht zeigte sich auch Behlas Ortsvorsteher Egon Bäurer,
dessen Spatenstich für die Umgehung nach dem Regierungswechsel in Stuttgart
2010 ausgesetzt worden war.
„Das Verbleiben auf der Prioritätenliste bringt uns zeitlich herzlich wenig, da
wir auf den ganz hinteren Plätzen aufgeführt sind.“ Auch Donaueschingen kann
nur teilweise zufrieden sein. Immerhin bestehe nun die Aussicht, dass der
Knoten zum Zubringer Allmendshofen relativ schnell
kreuzungsfrei ausgebaut werde, erklärte Bürgermeister Bernhard Kaiser. Frust
löste die Liste in Blumberg aus, wo die Anwohner der B27 zwischen Zollhaus und
Randen seit Jahren auf eine erträgliche Lösung hoffen. Jetzt denken sie an eine
Blockade der Bundesstraße – wie schon 2009.
Am Hochrhein ist die Enttäuschung indes besonders groß, weil weitere
Bauabschnitte zur Hochrheinautobahn(A98) offenbar auf Eis liegen. Nicht zuletzt
die Einstufung des Abschnitts Rheinfelden/Karsau-Tiengen
als „Sonderfall auf der Liste sei ein „Affront gegenüber der Region“, erklärte
Waldshuts Landrat Tilman Bollacher.
Was waren das für Zeiten, als der Job des
Verkehrsministers vor allem aus dem Durchschneiden bunter Bänder auf neuem
Asphalt bestand. Heute verwaltet Winfried Hermann leere Kassen und muss bei
seinen Reisen durchs Land erklären, warum es keine Entlastung mehr
gibt. Die Landesregierung hat mit den Illusionen vergangener Jahre
aufgeräumt und begräbt mit ihrer sogenannten ehrlichen Liste manche Hoffnung
auf eine neue Straße.
Das ist gut so. Aber sind die Vorschläge auch dem Bürger
zu vermitteln? Nicht überall. Am Hochrhein beispielsweise fühlen sich Pendler
und Anwohner von der Politik im Stich gelassen. Das Chaos auf Schiene und
Straße wächst hier täglich. Und Land wie Bund schieben sich gegenseitig den
Schwarzen Peter zu.
Es hätte Stuttgart gut angestanden, einer ganzen Region wie dieser auf der
neuen Liste Hoffnung auf eine Lösung des drängenden Problems zu geben. Denn
eines ist klar: Der Verkehr wird zunehmen, und mit ihm der Frust.