Löst eine Maut unseren Stau?

31.05.2012

Von KERSTIN MOMMSEN

 

PKW-Maut stößt auf Zustimmung - Straßenbauprojekte könnten schneller finanziert werden

Allein in Baden-Württemberg fehlen 20 Milliarden Euro für den Straßenbau, im Bodenseekreis sind es rund 180 Millionen Euro, nur für bereits planfestgestellte Bundesstraßen. „Wir sind chronisch unterfinanziert, da sind sich alle einig“, sagt der Landtagsabgeordnete Martin Hahn von Bündnis90/Die Grünen.

Auch Ulrich Müller, CDU-Landtagsabgeordneter, kämpft seit Jahren darum, dass der Bodenseekreis mit mehr Mitteln für den Straßenbau ausgestattet wird. Beiden kommt da der Vorschlag des Bundesverkehrsministers Peter Ramsauer mehr als recht, nun eine Pkw-Maut in Deutschland einzuführen, um die fehlenden Milliarden für Verkehrsprojekte einsetzen zu können.

„Das würde die Finanzierungschancen für die bei uns im Kreis geplanten Straßen massiv verbessern“, sagt Müller begeistert. Und auch sein grüner Kollege schließt sich in ungewohnter Einmütigkeit dieser Meinung an: „Die Maut ist die einzige Möglichkeit, endlich die Mittel zu bekommen, die wir dringend benötigen, um hier sowohl die Straßen- als auch die Schienenverbindungen zu verbessern“, sagt Hahn.

Uneinigkeit herrscht allenfalls über die Frage, wie eine solche Maut umgesetzt werden könnte. Während Müller für die Vignetten-Lösung plädiert, weil sie „schnell und einfach umzusetzen“ sei, ist Hahn eher für eine streckenbezogene Maut, da diese „das gerechtere System“ sei. „Solange wir aber noch nicht über die nötige Technik verfügen, bin ich für eine Vignette als Übergangslösung“, so der Grünen-Politiker.

Wegen fehlender Bundesmittel können derzeit weder die B 31neu zwischen Friedrichshafen und Immenstadt, die B 31 in Überlingen noch die B 30 in Ravensburg gebaut werden, obwohl alle drei Straßen längst planfestgestellt sind. Deshalb spricht sich auch Friedrichshafens Oberbürgermeister Andreas Brand klar für eine Einführung der Maut für Autos aus, allerdings nur, wenn die Einnahmen ausschließlich dem Straßenbau zugute kommen: „Mehr Geld für den Straßenbau heißt bessere und modernere Straßen, weniger Staus, weniger Lärm. So kämen wir der B 31neu einen Schritt näher.“

Bei der Industrie- und Handelskammer Bodensee-Oberschwaben ist man ebenso für eine Verbesserung der Straßensituation, denn viele Unternehmen beklagen die unbefriedigende Verkehrslage. Daher plädiert Peter Jany, IHK-Hauptgeschäftsführer, für die Autobahngebühr. „Der Verkehrshaushalt ist schon seit langer Zeit unterfinanziert, insbesondere die Mittel für Straßen reichen hinten und vorne nicht aus. Die Pkw-Maut sollte an eine Bedingung geknüpft werden: Die Einnahmen müssen ausschließlich für den Fernstraßenbau zur Verfügung stehen, Haushaltsmittel dürfen nicht im Gegenzug gekürzt werden“, sagt er.

PRO Straßenbau kostet

Die Maut wird kommen, das ist jedem klar. Und sie sollte auch kommen.

Denn warum sollen Österreicher, Schweizer, Holländer, Dänen und Polen umsonst über Deutschlands Autobahnen rasen? Warum müssen wir Vignetten und Pickerl teuer bezahlen, unsere Nachbarn aber fahren mautfrei durch unser Land? Dass zusätzliches Geld für den Straßenbau gerade in Baden-Württemberg und hier am Bodensee dringend gebraucht wird, weiß jeder, der sich schon einmal durch den legendären B-31-Stau zwischen Friedrichshafen und Meersburg gequält hat. Oder der (mindestens) eine Dreiviertelstunde braucht, um hier eine Autobahn zu erreichen. Nur mit mehr Geld können die vielen Straßenbauprojekte, die dringend benötigt werden, auch umgesetzt werden. Das Argument, dass dann die Bundes- und Landstraßen noch verstopfter sein werden, greift viel zu kurz. Denn sie sind eh schon verstopft, auch ohne Maut. Nur mit mehr Geld können diese überhaupt ausgebaut werden. Und warum sollten dann nicht auch diejeningen zur Kasse gebeten werden, die bisher kostenfrei durch Deutschland fahren? Wenn wir bei ihnen bezahlen müssen, dann können Schweizer und Österreicher, Franzosen und Italiener auch bei uns ihren Obolus leisten. Dass mit einer Maut in Deutschland das Autofahren noch teurer wird, müssen wir wohl oder übel hinnehmen. Vielleicht steigt der eine oder andere sparsame Schwabe dann zumindest für kürzere Strecken auf das Fahrrad um und kann so Spritkosten sparen.

 

 

Contra: Das falsche Zeichen

Die angekündigte Maut ist unsozial und setzt weiter auf den ungehinderten Straßenbau

Ich halte nichts von einer Maut für Personenwagen, denn sie ist unsozial. Im Gegensatz zur Steuer, deren Höhe sich nach Hubraum und Schadstoffemission eines Autos bemisst, schert die Maut alle über einen Kamm.

Ob der Autofahrer auf umweltbewusste Technologie setzt oder nicht, spielt keine Rolle. Egal wie dick oder schmal die Geldbörse eines Autofahrers ist, vor der Maut sind alle Ungleichen gleich.

Ich halte nichts von einer Maut für Personenwagen, denn sie führt zu einer weiteren Belastung der Bundes- und Landesstraßen. Schon heute flüchten Lastwagen vor der Autobahn-Maut auf Bundes-, Land- und Kreisstraßen. Personenwagen werden ihrem Beispiel folgen und Städte und Dörfer zusätzlich verstopfen.

Ich halte nichts von einer Maut für Personenwagen, denn sie setzt das falsche Zeichen. Der jahrzehntelang betriebene Straßenbauwahnsinn erfordert schon heute Prioritätenlisten, um überhaupt nur einen Teil der geplanten Straßen bauen zu können. Eine neue Maut „baut den Staus hinterher“, wie Ministerpräsident Wilfried Kretschmann formulierte.

Wir benötigen nicht mehr Straßen, sondern intelligentere Verkehrskonzepte, dafür stehen Mautgelder aber nicht zur Verfügung.

Ich halte nichts von der angekündigten Maut für Personenwagen, weil sie eine Mogelpackung ist. Mit dem Blick auf Nachbarländer und dem eingebauten Neideffekt soll eine zusätzliche Steuer erhoben werden.