Lärmaktionsplan als letzte Möglichkeit für eine Geschwindigkeitsreduzierung

Schlechte Nachrichten für Bermatingen: Das Landratsamt Bodenseekreis muss aus rechtlichen Gründen den Antrag für Tempo 30 im Ortskern von Bermatingen ablehnen. Auch ein neuer Fußgängerüberweg zwischen dem „Gasthaus Adler“ und Sparkasse kann nicht genehmigt werden. Bürgermeister Martin Rupp hatte Frank Decker, Sachbearbeiter beim Verkehrsamt, in die Gemeinderatsitzung eingeladen, die Gründe der Ablehnung zu erläutern.

Die 30er-Zone sollte nach dem Kurorte-Erlass genehmigt werden, doch es fehlt an kurörtlichen Einrichtungen entlang der Ortsdurchfahrt und es gibt auf einer Länge von 100 Metern keine konzessionierten Übernachtungsbetriebe mit mehr als acht Betten. „Allein die Prädikatisierung Erholungsort bis Luftkurort genügt nicht“, so Decker. Die letzte Möglichkeit für eine Geschwindigkeitsreduzierung ist der Weg über den Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm und Abgasen, sprich: Es muss ein Lärmaktionsplan erstellt werden. Er ist ohnehin Pflicht, da jährlich 3,9 Millionen Fahrzeuge pro Jahr durch den Ort fahren. Abhängig vom Ergebnis wird die Verkehrsbehörde dann nochmals prüfen müssen, ob die Voraussetzung für eine Geschwindigkeitsbeschränkung vorliegt.

„Warum ist Tempo 30 in Kluftern möglich, das ist eine Landesstraße wie bei uns? Beides liegt im Bodenseekreis und ich möchte das gleiche Recht!“, echauffierte sich Gemeinderat Herbert Grau (SPD) und schlug mit der Faust auf den Tisch. Carola Uhl (CDU) pflichtete ihm bei und bat darum, die Argumente für Tempo 30 zu erfragen, um Spekulationen zu vermeiden.

„Das ist Rechtsbeugung!“ kommentierte Elisabeth Gutemann (SPD) wegen des Ungleichgewichts in der Auslegung, wobei Rupp abwiegelte. Sie verwies auf die Notwendigkeit von Tempo 30, mit dem auch die Chance auf einen Fußgängerüberweg verbunden sei.

Kluftern gehöre in den Zuständigkeitsbereich der Verkehrsbehörde Friedrichshafen, nicht Bodenseekreis, erklärte Deckert. Es sei guter Stil, nicht die Entscheidungen anderen Verkehrsbehörden zu kommentieren – er könne das auch nicht, weil er die Gründe nicht kenne. „Das war ein Kuhhandel“, entfuhr es Gemeinderat Gerhard Barisch (LBU).

Die nächste Stufe ist nun die Erstellung des Lärmaktionsplans, eine Kartierung, die man selbst wolle, so Rupp. Auf Grundlage dessen muss das Landratsamt eine neue Entscheidung treffen, die, so Decker, von unterschiedlichen Faktoren abhängig ist.

Die Idee einer Engstelle mit der Verbreiterung von Gehwegen und Hinweisschild auf Tempo 20 oder 30 zur automatischen Beruhigung des Verkehrs schlug Gerhard Barisch (LBU) vor, das wurde aber von Decker als nicht realisierbar verworfen. Er widersprach Barischs Eindruck, die Behörde sehe mehr oder weniger den durchlaufenden Verkehr als oberstes Gebot und weniger den Schutz der Fußgänger und Anlieger und verwies auf drei sichere Überquerungen – zwei Ampelanlagen und einen Zebrastreifen – auf nicht mal einem Kilometer Strecke: „Dem Recht des Fußgängers ist hier Genüge getan.“

Den Fußgängerüberweg habe das Landratsamt aus zwei Gründen ablehnen müssen: Er müsse bei Tempo 50 aus 100 Metern Entfernung erkennbar sein und bei Tempo 30 aus 50 Metern. Zudem sei ein Überweg von der Rathausseite nicht erkennbar; es fehle eine Sichtbeziehung zwischen Fußgängern und Kraftfahrern. Hinzu komme, dass am Rathaus oft hektisch nach Parkplätzen gesucht werde – eine zusätzliche Unfallgefahr. Würde man den Zebrastreifen ein paar Meter weiter anlegen und sei er bei Tempo 30 dann 50 Meter zuvor erkennbar, scheitere er an verkehrlichen Voraussetzungen: Ab 750 Fahrzeugen pro Stunde sei eine Ampel erforderlich. Dann müsse der nächste Zebrastreifen mindestens 200 Meter entfernt sein – der nächste ist rund 100 Meter weiter. Ansonsten drohten Aufmerksamkeitsdefizite und damit Gefahrenquellen sowie mehr Lärm durch ständiges Bremsen und Anfahren.

„Was muss denn geschehen, damit die Menschen hier wieder schlafen und sicher über die Straße können?“ fragte Carola Mahler (LBU) energisch nach. Man könne nicht noch zehn Jahre bis zur Ortsumfahrung warten. Hier empfahl Decker eine optische Einengung mit Bepflanzung und Herausnahme des Mittelstreifens, was den Verkehr verlangsame.

Ob eine Abstufung zur Gemeindestraße möglich ist und dann Tempo 30, wie von Heiner Bühler (LBU) vorgeschlagen, soll abgeklärt werden.