23.05.2012
Einstimmig
hat der Gemeinderat gestern Abend dem Vorentwurf eines Lärmaktionsplans für die
Stadt zugestimmt. Zudem beauftragte er die Verwaltung, beim Regierungspräsidium
nachzuhaken, ob für die Dauer der B31-Umleitung vom 11. Juni bis 10. Juli innerorts, an der Bernhardstraße und in Ittendorf
noch ein nächtliches Tempo-30-Limit verfügt werden kann.Wolfgang
Wahl vom beauftragten Büro Rapp Regionalplan (Basel) und die Markdorfer Verkehrsplanerin Gabriele Schulze hatten das
Gremium zuvor eingehend informiert.
Über die Lärmkartierung des
Landes hinaus wurden in den Lärmaktionsplan, der vernetzt ist mit denen
benachbarter Kommunen (siehe Erklärtext unten), die Straßen B33, L205, die
komplette L207 und die K7742 noch miteinbezogen. Sollten im Zuge des Planes lärmmindernde Maßnahmen umgesetzt werden, würden all diese
Straßen einbezogen. Dem Plan zufolge sollen in zwei Stufen Straßen mit mehr als
8200 Kfz/täglich „entlärmt“ werden. Markdorf,
zunächst vom Land befreit von der Lärmplanung aufgrund der seinerzeit
angenommenen baldigen Realisierung der Südumfahrung,
vollzieht nun in einem Schritt beide Stufen. Bis Juli 2013, so Wahl, soll das
Verfahren abgeschlossen sein und mit der Umsetzung begonnen werden. Bis dahin
stehen noch zwei Beteiligungen, die Überarbeitung des Entwurfs und ein weiterer
Ratsbeschluss an.
Die Notwendigkeit der lärmmindernden Maßnahmen eines solchen Planes unterstrich
Schulze mit Zahlen: Derzeit passieren rund 25 000 Kfz/täglich die
B33-Durchfahrt Markdorf. 615 Einwohner an der B33 sind über 24 Stunden „hoch
belastet“ (65 bis 70 dB(A) Lärmbelastung), 665 „sehr hoch belastet“ (mehr als
70 dB(A)). Für Markdorf sinnnvoll wären laut Wahl
lärmoptimierter Asphalt auf der B33 von Hepbach bis Ittendorf, Tempo-70-Limit in Wirrensegel, auf Höhe
Gallusstraße und am Ortsausgang Stadel Richtung Hepbach.
Weiterhin denkbar, weil sinnvoll: nächtliches Tempo-30 oder -40-Limit auf der
B33 von Ittendorf bis Hepbach
sowie auf der L205 in Ittendorf.
Susanne Deiters-Wälischmiller (UWG), die den
Umleitungs-Tempolimit-Antrag vorbrachte, erkundigte sich nach etwaigen Kosten
für die Stadt. Wahl wies darauf hin, dass für bauliche Maßnahmen (z.B.
„Flüsterasphalt“, Rückbau) der Straßenbaulastträger aufkommen müsse, also bei
der B33 der Bund, bei der L205 das Land. Die Stadt habe hingegen einen Anteil
an verkehrsberuhigenden Maßnahmen zu tragen (z.B.
beschilderte Limits, optimierte Ampelschaltungen). CDU-Chef Alfons Viellieber hieß den Lärmaktionsplan gut, mahnte aber an,
die Priorität auf eine Realisierung der Südumfahrung
zu setzen. Die würde eine noch deutlich stärkere Lärmentlastung der Innenstadt
bringen. Gerber versicherte, dass die Südumfahrung
nach wie vor „oben auf der Agenda“ stehe, ungeachtet diverser Aussagen von
Mitgliedern der Landesregierung: „Ich habe die Zusage vom Regierungspräsidium
für den Planfeststellungsbeschluss noch in diesem Jahr.“ An den Plänen arbeite das RP seines Wissens „mit Hochdruck“. Freie Wähler-Chef
Dietmar Bitzenhofer sprach
sich klar für den Lärmaktionsplan aus, nachdem tags 20 und nachts zehn Prozent
der Markdorfer Einwohner belastet seien. Auf
Nachfrage von Erich Wild und Hubert Roth (beide CDU) bekräftigte Wahl, dass
eine Kommune über einen Lärmaktionsplan durchaus Einfluss auf die Umsetzung von
Maßnahmen durch Landes- oder Bundesbehörden habe. Roth hatte kritisiert, dass
man vor längerem schon ein 70er-Limit am Ortsausgang von Stadel gefordert, dies
aber das Landratsamt bisher kategorisch abgelehnt habe.
Kommentar:
Das hätte man schon viel früher
haben können...
Seit 10
Jahren gibt es die EU-Richtlinie zur Lärmaktionsplanung. Bereits damals
versuchte unsere Aktionsgemeinschaft, diese in den Markdorfer
Stadtrat einzubringen – leider ohne Erfolg. Und als die gesetzliche
Umsetzungsfrist näher rückte, ließ sich die Stadt Markdorf sogar von ihrer
Pflicht zur Umsetzung eines Lärmaktionsplanes befreien, mit der Begründung, es
werde ja eine Ortsumfahrung geplant. Doch schon damals war klar, dass auch mit
Ortsumfahrung eine zu hohe Lärmbelastung an der B33 verbleiben würde und daher
in jedem Falle weitere Maßnahmen zur Lärmminderung erforderlich sind.
Hätte Markdorf frühzeitig einen Lärmminderungsplan aufgestellt (Kosten ca.
25.000 Euro), dann hätte man bereits bei der Erneuerung des Fahrbahnbelags der
B33 im Jahr 2008 Flüsterasphalt einbauen lassen können. Die Mehrkosten für den
Flüsterasphalt auf der B33 hätte der Bund als Baulastträger übernehmen müssen.
Die Stadt behauptete damals, Flüsterasphalt sei technisch auf Innerortsstraßen
nicht möglich
Der
Lärmgutachter hat jedoch am Dienstag Flüsterasphalt als machbare und sinnvolle
Maßnahme dargestellt. In Hagnau soll in wenigen
Wochen ein derartiger Flüsterasphalt auf der B31 eingebaut werden.
Mit Flüsterasphalt könnte laut Gutachter eine Lärmminderung von ca. 3 dB
erreicht werden – das ist nicht gerade viel. Doch auch mit einer Ortsumfahrung
kann der Lärm an der B33 im Ortskern von Markdorf nur um 3 dB reduziert werden
(in den Randbereichen Richtung Meersburg bzw. Richtung Leimbach ca. 4 dB). Und
das zum Preis von 18,4 Millionen Euro, bei einem Eigenanteil der Stadt Markdorf
von ca. 3 Millionen Euro. In diesen Preisen noch nicht enthalten sind die
gravierenden Eingriffe in die Erholungslandschaft und den Lebensraum streng
geschützter Arten sowie die Mehrbelastung von Nachbarorten und 2 dB mehr Lärm
am BZM, um nur einige „Nebenwirkungen“ zu nennen.
Fazit: Weil
sich die Stadtverwaltung einseitig auf eine teure Ortsumfahrung fixierte, wurde
den lärmgeplagten B33-Anwohnern Flüsterasphalt und Tempo 30 jahrelang
vorenthalten, obwohl diese viel billigeren Maßnahmen annähernd genauso wirksam
sind und keine vergleichbaren Konflikte mit sich bringen