Hagnau

Hagnau hat die Nase voll

Hagnau – Genau vor einem Jahr war Wolfgang Wahl vom Planungsbüro Rapp Trans aus Basel zu Gast im Hagnauer Gemeinderat, um die erste Fassung des Lärmaktionsplanes vorzustellen. Jetzt kam er wieder in die Ratssitzung – mit der zweiten Version des Aktionsplans im Gepäck.

 

So wie hier wälzen sich im Sommer häufig lange Autoschlangen auf Hagnau zu und durch den Ort – und belästigen Anwohner und Gäste mit Lärm und Gestank.

Archivbild: Petersen

Die Fakten erhärteten das subjektive Empfinden der Bewohner, vom Lärm der B 31 besonders betroffen zu sein: Werte von bis zu 79 Dezibel Lärmbelästigung am Tag und 71 Dezibel in der Nacht liegen so weit über den Grenzwerten (70 Dezibel tagsüber, 60 nachts), dass sich eine Debatte über die Notwendigkeit von Maßnahmen erübrigt. „So hohe Pegel, wie wir in Hagnau haben, haben wir sonst in keinem anderen Ort hier in der Umgebung“, fasste Wahl die Ergebnisse der Studie zusammen. Bürgermeister Simon Blümcke ergänzte: „Wir müssen erst gar nicht um Werte feilschen; wir sind jenseits von Gut und Böse.“

Wahl, der viele Städte und Gemeinden im Umkreis betreut und sich als juristische Verstärkung Melanie Wetzel aus Freiburg mitgebracht hatte, stellte anhand berechneter Szenarien die möglichen Maßnahmen für Hagnau vor. Ein von vielen Bürgern geäußerter Wunsch nach einem Nachtfahrverbot für Lastwagen ist dabei weder realisierbar noch wünschenswert. „Für die Gesamtsituation ist die Verlagerung des Verkehrs keine Lösung, denn dann haben wir dieselben Probleme – nur anderswo“, sagte Experte Wahl.

Schalldämpfende Maßnahmen an Gebäuden könnten immer nur zusätzliche Entlastung bringen. „Wir müssen vor allem den Lärm in seiner Entstehung verringern.“ Mit einem Rückgang des Verkehrsaufkommens ist nicht zu rechnen, im Gegenteil: „Nach einer kleinen Senke im Jahr 2009, die wohl auf die Krise zurückzuführen ist, haben wir jetzt bereits wieder die Zahlen von 2008 – Tendenz steigend“, erläuterte der Verkehrsplaner. Als wirkungsvoll haben sich zwei Maßnahmen erwiesen: Geschwindigkeitsbegrenzungen innerhalb und außerhalb des Ortes und eine Verlegung von lärmoptimiertem Asphalt, im Volksmund Flüsterasphalt genannt. „Hier gibt es inzwischen viel bessere Beläge als noch vor fünf Jahren“, wusste Wahl.

Dieser leise Belag ist unbedingt nötig, denn die von Hagnau angestrebte ganztägige Geschwindigkeitsbegrenzung von 30 Kilometern pro Stunde in der Ortsdurchfahrt und Stundenkilometer außerhalb des Ortes reicht nachts bei weitem nicht aus. Nur die Kombination aus Begrenzung und neuem Belag schafft echte Abhilfe.

„Die Vorgaben aus Brüssel helfen uns gewaltig“, versicherte Bürgermeister Blümcke seinen Räten. Gottfried Kreml sieht dies als Offenbarungseid der heimischen Politik. Bernd Heim nannte den Lärmaktionsplan ein „scharfes Schwert, das den Druck erhöht, eine Umgehung zu bauen.“ Die Sorgen einiger Räte, die Maßnahmen könnten eine Umgehungsstraße gar verhindern, zerstreute Blümcke: „Unser Anliegen wird jetzt ernster genommen, auch in der Region. Unsere Kernforderung bleibt natürlich immer die B 31 neu. Aber solange können wir den Bürgern den Lärm nicht zumuten.“

 

 

Hagnau

Lärmaktionspläne

Lärmaktionspläne sind überall dort nötig, wo das tägliche Verkehrsaufkommen Menschen belästigt und in ihrer Gesundheit gefährdet. „Lärm zählt zu den größten Umweltproblemen in unserer Gesellschaft“, hatte die EU-Kommission in ihrem „Grünbuch zum Lärmschutz“ festgestellt.

Sie verpflichtete die betroffenen Gemeinden, bis 2008 einen Plan zu erstellen, der das Lärmvorkommen kartiert, um dann mit geeigneten Maßnahmen die Belästigung der Anwohner zu vermindern. Dieses europäische Recht verpflichtet die Staaten, die als sinnvoll erkannten Maßnahmen möglichst zügig umzusetzen. Der Ansturm auf die wenigen spezialisierten Ingenieurbüros, die teils schwierige Sachlage und die langwierigen Verfahren führten zu erheblichen Verzögerungen, sodass viele Städte und Gemeinden – auch im Bodenseekreis – ihre Lärmaktionspläne erst 2010 oder 2011 verabschieden und umsetzen können. (up)