"Für ein
leistungsfähiges und sicheres Straßennetz im Land ist die kontinuierliche
Erhaltung der baulichen Substanz unerlässlich. Straßenbau auf Pump kann und
wird es in Zukunft nicht mehr geben. Für uns muss daher der Grundsatz lauten:
Sanierung und Erhaltung gehen vor Neubau", erklärten Ministerpräsident
Winfried Kretschmann und Verkehrsminister Winfried Hermann anlässlich des
Straßenbaugipfels Anfang März mit Vertretern der Kommunen in Stuttgart.
Ministerpräsident Kretschmann wies darauf hin, dass beim "Kassensturz"
zum Straßenbau eine strukturelle Unterfinanzierung festgestellt wurde. "Es
müssen Prioritäten gesetzt werden. Der Straßenbaugipfel dient dazu, zu
informieren und in einen offenen und ehrlichen Dialog mit den Vertretern der
Kommunen zu treten. Wir müssen gemeinsam ein Verständnis dafür entwickeln, was
möglich und machbar ist", betonte Kretschmann.
Schwerwiegende Substanzschäden und strukturelle Unterfinanzierung im
Bundesstraßenbau
Der Ministerpräsident erläuterte gemeinsam mit Verkehrsminister Hermann
zunächst die Finanzierungssituation im Bundesfernstraßenbau. Der Bund ist hier
Baulastträger. Das Land nimmt die Aufgaben im Wege der Auftragsverwaltung für
den Bund wahr. "Bei den Autobahnen und Bundesstraßen hat die
Zustandsbewertung von 2008 schwerwiegende Substanzschäden festgestellt. Etwa
ein Drittel der rund 2.000 Brücken ist in einem nicht ausreichenden oder
ungenügenden Zustand", erklärte Hermann. Auch beim Neubau von
Bundesfernstraßen sei eine deutliche Finanzierungslücke ersichtlich. Im Bereich
der Bundesstraßen habe man laufende Maßnahmen mit Kosten von noch 900 Millionen
Euro im Bau. Alle Maßnahmen im Vordringlichen Bedarf beliefen sich in
Baden-Württemberg auf 4,6 Milliarden Euro. Im Mittel der letzten Jahre habe man
aber vom Bund nur rund 280 Millionen Euro erhalten. Kretschmann: "Die
strukturelle Unterfinanzierung im Bundesfernstraßenbau macht Neubeginne im Land
ohne zusätzliche Bundesmittel aus heutiger Sicht nicht vor 2015 möglich. Um es
auf den Punkt zu bringen: Der Bund gibt uns für die Sanierung und den Bau von
Autobahnen und Bundesstraßen in Baden-Württemberg einfach nicht genug Geld.
Eine gute und sichere Straßeninfrastruktur bei Autobahnen und Bundesstraßen ist
für ein Wirtschaftsland wie Baden-Württemberg aber unerlässlich." Beim Aus-
und Neubau solle dabei insbesondere ein ökologisch vertretbarer Ausbau der
Hauptverkehrsachsen im Vordergrund stehen.
Substanzerhaltung bei den Landesstraßen
"Beim Straßennetz des Landes sieht es leider nicht besser aus", sagte
der Verkehrsminister. "Der Schwerpunkt der Straßenbaupolitik des Landes
muss in den nächsten Jahren auf der Substanzerhaltung der Landesstraßen als
eine der größten Vermögenspositionen des Landes liegen." Allein für die
Erhaltung des Landesstraßennetzes im jetzigen Zustand brauche das Land in den
nächsten Jahren 80 Millionen Euro jährlich. "Für eine Verbesserung wären
jährlich 100 Millionen Euro erforderlich. Zusätzlich ist ab 2014 die
Ertüchtigung von Brücken erforderlich, die jährlich weitere 40 Millionen Euro
in Anspruch nehmen wird", betonte Kretschmann. Die Landesregierung wolle
deshalb die bisher in der mittelfristigen Finanzplanung vorgesehenen
Erhaltungsmittel von 50 Millionen Euro auf 100 Millionen Euro aufstocken. Eine
solche Verstärkung der Mittel auf 100 Millionen Euro sei im Haushalt 2012
erstmals enthalten.
Der Abbau des Sanierungsstaus wirke sich auf den Aus- und Neubau von
Landesstraßen in den nächsten Jahren aus. Verkehrsminister Hermann:
"Derzeit sind noch etwa 70 Maßnahmen mit einem Volumen von 170 Millionen
Euro im Bau. Die Finanzierung dieser Maßnahmen wird auch aufgrund der
anstehenden teuren Sanierungen bis 2015 dauern. Vor 2015 werden deswegen auch
bei den Landesstraßen keine neuen Aus- und Neubaumaßnahmen möglich sein."
Kretschmann und Hermann wiesen daher auf die Notwendigkeit einer Priorisierung der anstehenden und umfangreich gelisteten
Maßnahmen im Bundes- und Landesstraßenbau hin: "Die Priorisierung
wird aufzeigen, welche Aus- und Neubaumaßnahmen ökologisch und ökonomisch
sinnvoll und finanzierbar sind und welche Projekte wegen mangelnder
Realisierungschancen auf absehbare Zeit nicht weiterbetrieben werden
sollen." Mit der Konzentration der Mittel auf die laufenden Projekte
sollen die begonnenen Maßnahmen in kürzerer Zeit abgeschlossen werden. Allein bei
den Bundesstraßen stehen bereits zwanzig baureife Projekte an. "Die Priorisierung ist eine der wichtigsten Aufgaben des
Straßenbaus in Baden-Württemberg im Jahr 2012", betonte Kretschmann.
"Wir versperren uns nicht dem Bau notwendiger Straßen. Aber wir müssen
sauber prüfen und ehrlich sagen, was verkehrlich erforderlich, ökologisch
sinnvoll und finanziell machbar ist. Es geht darum, die Mittel zu verstetigen
und zur ökologisch verträglichen Sicherung der Straßeninfrastruktur bestmöglich
einzusetzen", unterstrichen Kretschmann und Hermann.
Kommunaler Straßenbau: Mehr Mittel für Finanzierung des Umweltverbundes
Im Kommunalen Straßenbau werden in Zukunft 60 Prozent statt bisher 40 Prozent
der Mittel aus dem sogenannten Entflechtungsgesetz des Bundes für den
Umweltverbund – also für Investitionen in den ÖPNV und den Radverkehr –
eingesetzt. Von den jährlich 165 Millionen Euro aus diesen Mitteln sollen mit
künftig 100 Millionen Euro die Engpässe bei der Finanzierung des
Umweltverbundes abgebaut und dieser Bereich nachhaltig gestärkt werden.
Ministerpräsident Kretschmann betonte allerdings, dass die für 2014 zwischen
Bund und Länder vereinbarte Überprüfung dieser Bundesmittel die Gefahr berge,
dass die Mittel bis zum Auslauf des Programms 2019 rasch abgeschmolzen werden
sollen. "In welchem Umfang wir nach der Revision überhaupt noch
Ausgleichsmittel erhalten werden, ist derzeit ungewiss", so Kretschmann.
Ein weiterer Straßenbaugipfel fand am 13. März 2012 mit Vertretern der
Wirtschaft statt.
Quelle und weitere Informationen: Staatsministerium Baden-Württemberg
http://www.logistik-bw.de/Nachricht-lesen.125+M52e02acc77e.0.html