Lesermeinung

Wehren verboten

Der B 31-neu-Diskussion liegt der soziale Konflikt zu Grunde, dass in Fischbach und auch sonst wo auf der B 31-alt durch ungesteuerte Entwicklung ein Verkehrsaufkommen von unerträglichen 22 000 bis 26 000 Kfz/Tag entstanden ist. Dem setzt das Regierungspräsidium Tübingen nun ein Verkehrskonzept entgegen, das wohl diese Fischbacher Misere etwas mindert, dafür aber mitten in Kluftern, neu geplant (!), durch die bahnparallele K 7743-neu eine Belastung von noch unerträglicheren insgesamt zirka 30 000 Kfz/Tag bewirkt – eine auch laut namhaften Verkehrsplanern schlichte Fehlplanung.

Wie die Fischbacher wehren sich zu Recht auch die Klufterner und legten zur Lösung des Zubringerproblems sogar eine verkehrstechnisch einwandfrei funktionierende und zudem billigere Verkehrsalternative vor. Resultat: Ein empörter Aufschrei des Regierungspräsidiums, der Stadtverwaltung Friedrichshafen, des Kreistags, der Fischbacher, der machthaltenden Parteiblöcke und besonders der „Oberdemokraten“ von der Gruppe Pro B 31neu. Obwohl die geringe Planungsänderung keinen Zeitverzug bedeuten würde, müsse Kluftern geopfert werden. Alle waren sich einig, das was Fischbach darf, sich wehren, dürfen die Klufterner nicht. Deren Alternativvorschläge und Petitionen werden abgelehnt, Klagen gegen den B 31neu-Planfeststellungsbeschluß, der die Kluftern durchschneidende geplante Zubringerstrasse K 7743-neu präjudiziert, werden mit fadenscheinigen Begründungen zurückgewiesen.

Das für Kluftern mörderische Verkehrskonzept soll nicht geändert (was immer noch leicht möglich wäre), sondern mit Gewalt durchgesetzt werden. Darüber hinaus wird, mangels vernünftiger Flächennutzungsplanung in FN, Klufterns Naherholungsgebiet in Industriegebiet umgewandelt und Kluftern allseitig mit Straßenneuplanungen eingeschnürt. Wenn Kluftern sich gegen diese Vergewaltigung wehrt, wird es verteufelt, ist böswillig, undemokratisch, egoistisch und gefährdet die heimische Industrie samt Arbeitsplätzen etc.... All diese wohlfeilen Phrasen werden von den in FN machthaltenden Gruppen und der ihnen hörigen Presse stereotyp wiederholt, und so die Bevölkerung FNs gegen Kluftern aufgewiegelt, das nur sein gutes Recht will. Man sollte den Klufternern die Autos wegnehmen, stand neulich in einem Leserbrief. Bittet man den Gemeinderat, die Legislative um Hilfe, wird man abgewiesen. Der Gemeinderat spricht nach, was ihm die Exekutive zu sagen vorgibt und nickt ab, was sie ihm zum Beschluss vorlegt. Die eigenmächtige, fast hegemonial handelnde Verwaltung hat längst die Herrschaft über die Stadt übernommen.

Wer in diesem bösen Spiel ist dann böswillig und wer im Recht?

So stellt sich die kommunale repräsentative Demokratie in FN dar. Sie gleicht gelegentlich eher einer Diktatur der machthaltenden Mehrheit von Parteien und Interessengruppen als einem demokratischen System, das ja auf einer legitimierten, fairen Konfliktaustragung basiert, die beiden Kontrahenten gerecht wird. Für so ein faires Beziehungsgeflecht steht das Wort Demokratie, nicht für die Diktatur einer Mehrheit. Tröstlich angesichts dieses Niedergangs demokratischer Grundsätze in Friedrichshafen ist jedoch, dass immer mehr eigenständig denkende, politisch mündige Bürger Initiativen gründen, die solche Missstände aufdecken, diesen politischen Filz anprangern und ihre Bürgerrechte durchsetzen, zum Beispiel vielleicht demnächst durch die Anfechtung der Nichtzulassung einer Revision in Sachen B 31-neu durch den in eigener Sache „Recht“ sprechenden VGH-BW. Und die das wahrscheinlich tun, sind dann nicht böswillig, wie „Pro B 31-neu“ meint feststellen zu müssen, sie nutzen lediglich ihre politischen Rechte und decken undemokratisches Verhalten von Kluftern verunglimpfenden Interessengruppen auf, wie zum Beispiel auch das von „Pro B 31neu“.

Rudolf Moser,

Lettenhof, Markdorf