Lesermeinung

Gericht lässt sich irreführen

Im Namen des Volkes für Recht erkannt: Die Klagen werden abgewiesen! So lautet das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg in Sachen B31 neu. Der aufmerksame Beobachter beider Verhandlungstage vom 27. und 28. Juli konnte nichts anderes erwarten, denn die Vorgehensweise des Gerichts ließ von Anfang an ein derartiges Urteil erwarten. Die Gutachter der Beklagten (Land Baden-Württemberg) konnten reden, so oft und so lange sie wollten. Sie durften ungerügt einfach das Wort ergreifen und den Gutachtern der Klägerseite ins Wort fallen. Sie konnten ihre oft weit hergeholten unbewiesenen Argumente langatmig vortragen, während den Gutachtern der Kläger vom Gericht bedeutet wurde, sie mögen sich bitte kurz fassen und diese zudem vom Senat oft mitten im Vortrag unterbrochen wurden. Die vom Gutachter der Klägerseite detailliert nachgewiesenen und belegten Fehler des Verkehrsgutachtens der Fa. Modus Consult wurden vom Senat einfach vom Tisch gewischt.

Das Gericht setzte sich über Europäisches Recht hinweg, indem es zulässt, dass das wichtigste Vorkommen der höchst geschützten Bachmuschel in Süd-Württemberg zerstört wird. Eine Umsetzung in einen neuen Lebensraum, wie dies das Regierungspräsidium Tübingen vorschlägt, ist bis heute noch nie erfolgreich durchgeführt worden. Dabei wäre die Muschelpopulation unter Beibehaltung der B-31-neu-Trassenlinie durch Verschieben des Heiselochknotens leicht zu retten.

Das Gericht lässt sich von der Beklagtenseite, dem Regierungspräsidium Tübingen, irreführen. Letzteres behauptet, es würden Alternativen zur geplanten bahnparallelen Trasse erwogen, die den Spaltensteiner Knoten ebenfalls benötigen. Obwohl das Regierungspräsidium kurze Zeit vorher ausgeführt hatte, es gäbe bis jetzt noch keinerlei Pläne, zauberte es einen Plan aus dem Hut, der neben der bahnparallelen Trasse zwei Alternativen enthielt, die jedoch jeder vernünftige Straßenplaner wegen Undurchführbarkeit ablehnen würde. Dadurch sei bewiesen, dass dieser Anschlussknoten die bahnparallele Trasse nicht erzwinge. Dabei übersieht das Gericht außerdem geflissentlich, dass Gemeinderats- und Kreistagsbeschlüsse schon längst die bahnparallele Trasse beschlossen haben und keinerlei Alternativen mehr in Betracht ziehen.

Schließlich muss das Gericht bei seinem Urteil kalte Füße bekommen haben, sonst würde es bedenkenlos die Revision zugelassen haben. So aber riskiert das Gericht jedoch, dass die Nichtzulassung der Revision binnen eines Monats nach Zustellung der schriftlichen Urteile durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht angefochten wird.

Adalbert Kühnle, Mitglied des Vorstands von „Pro Kluftern e.V.“,

Friedrichshafen-Kluftern