FRIEDRICHSHAFEN (sig) Zwar wollte die CDU aus Stadt und Kreis am
Montagabend in der "City-Krone" über den neuen Generalverkehrsplan
(GVP) diskutieren, dessen Thema ausschließlich die Landesstraßen sind.
Tatsächlich aber gewannen im Verlauf der Diskussion B 31 und B 30 die Oberhand,
die weiter auf sich warten lassen.
"Die Bürger haben kein
Verständnis mehr für die dauernden Ausreden" (wegen der Verzögerungen),
äußerte ein Unionler Frust an den eigenen Politikern.
In der Reihenfolge der Dringlichkeit in der Umsetzung der planfestgestellten
B 31 in Friedrichshafen und Überlingen sowie der B 30 in Ravensburg machte der
frühere Verkehrsminister "keinen Unterschied". Ebenso wenig daran,
wie drängend eine dritte Spur und zusätzliche Abfahrten an der Umgehung Kressbronn-Lindau sind.
Kressbronns Bürgermeister Edwin Weiß erinnerte
den Abgeordneten daran, zwischen Meersburg und Lindau könne man nicht
überholen. Und: Das Land könne mit seinen Mitteln vor dem Hintergrund der
Unfallhäufigkeit durchaus etwas für einen dritten Streifen auf
baden-württembergischem Gebiet tun. Polizeichef Karl-Heinz Wolfsturm pflichtete
bei. Die B 31 sei nur bei Stau nicht gefährlich. Der Zuwachs an schweren
Verkehrsunfällen sei unübersehbar. Hier müsse zur Verkehrsflüssigkeit und
-sicherheit "dringend Entspannung her", sei "zwingend und
dringend Entlastung nötig".
Michael Jeckel
aus Überlingen kritisierte die Debatte lediglich um Landesstraßen: "Wir
konzentrieren uns wie seit 30 Jahren auf Nebenkriegsschauplätze", dabei
müssten die Probleme auf den Hauptachsen gelöst werden. An die eigene Partei
gerichtet warnte er, so an Glaubwürdigkeit zu verlieren. Müller erinnerte an
die zwei vorliegenden Planfeststellungsbeschlüsse im Bodenseekreis und daran,
"auf die wichtigeren Straßen (B 30/B 31) keinen Einfluss zu haben",
weil im zuständigen Berlin der Verkehrsminister aus Leipzig kommt, der die
Straßen im Osten bevorzuge. "Die Entscheidung fällt im Bund, ich kann's nicht
ändern", versuchte Ulrich Müller, das Thema Generalverkehrsplan und die
Landesstraßen wieder in den Vordergrund zu rücken.
Dieser Generalverkehrsplan
(GVP) des Landes betrifft alle verkehrspolitischen Fragen, die in der Kompetenz
des Landes liegen, zu Lande, zu Wasser und in der Luft, sowie generelle Aspekte
wie Sicherheit und Umwelt. Erstmals seit 15 Jahren wird die Landesregierung
diesen Plan im nächsten Jahr mit dem Planungshorizont 2025 fortschreiben. In
Friedrichshafen fand am Montag landesweit die erste Informationsveranstaltung
dazu statt, in der Müller daran appellierte, sich gemeinsam für Projekte
einzusetzen, um so bessere Chancen zur Realisierung zu haben.
Verkehr nimmt weiter zu
Prognosen zufolge geht die
Verkehrszunahme unvermindert weiter, auch im Bodenseekreis und trotz der
Ölkrise, verriet Müller aus Untersuchungen des Verkehrsministeriums. Der Lärm
wird künftig eine größere Rolle spielen und der Radverkehr erhält einen höheren
Stellenwert. Streit dürfte es wegen der Absicht des Bundes geben, Straßen abzugeben
und sie in die Zuständigkeit und damit Baulast der Länder zu übertragen. Und
Streit steht auch darüber ins Haus, wenn 2012 die Zweckbindung der Mittel aus
dem Gemeindefinanzierungsgesetz wegfällt, weshalb es sich lohne, mit
Straßenbauvorhaben "frühzeitig loszulegen", ehe der Bund ab 2019 kein
Geld mehr gibt.
Derzeit, so Müller, wird
der Zustand aller Landesstraßen erfasst, wobei erkennbar ist, dass die
Landesstraßen im Bodenseekreis sich in einem noch besseren Zustand befinden als
im Landesdurchschnitt. Der Anteil der Neubaumaßnahmen (bei den Landesstraßen)
werde aus Kostengründen sinken, "hochrangiges Ziel" seien die
Ortsumfahrungen. Ziel sei auch, Radwege auch einmal unabhängig von Straßen zu
bauen. Bisher wurden solche Maßnahmen nicht finanziert.
Herbe Kritik setzte es vor
allem in der Diskussion an der Bahn. Im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV)
habe sich in der Vergangenheit viel verbessert, beschwor Müller. Vor dem
Hintergrund der Finanzprobleme gelte es nun, das Erreichte zu erhalten. Ob die Bodensee-S-Bahn bezahlbar sei, stellte er in Frage.
"Riesenneue Konzepte sind nicht zu bezahlen", machte er klar.
"Schattenseite"
der Bahn
Der GVP beinhalte die
Elektrifizierung der Bahnstrecke Ulm-Friedrichshafen-Lindau, wobei die Schweiz
die Elektrifizierung der Strecke Basel-Schaffhausen-Friedrichshafen untersuchen
lasse. Die Diskussion um ein zweites Gleis von Friedrichshafen nach Lindau habe
sich beruhigt, weshalb er vermutet, dass das Land das Gleis aufgebe oder nicht
mehr forciere, da es auch in Kressbronn und
Langenargen umstritten sei. Die Auswirkungen von "Stuttgart 21"
würden im ganzen Land spürbar, glaubt Müller. "Wenn ein Ulmer schneller
nach Stuttgart kommt, kommt auch der Häfler schneller
dorthin." Er verspricht sich nach "Stuttgart 21" eine intensivere
Nutzung der Südbahn, die dadurch an Attraktivität gewinnt und Wünsche äußern
darf. Von einer "Katastrophe" sprach ein Gast, den Komfort der
Zugabteile zwischen Ulm und Friedrichshafen ansprechend, den er
"unannehmbar" nannte. Bis Ulm stimme es, anschließend hänge man
"am Tropf", räumte Müller diese "Schattenseite einer an sich
guten Sache" ein. Die Qualität der Deutschen Bahn sei ein "trauriges
Kapitel", beklagte auch er die Vernachlässigung des Komforts und den fehlenden
Wettbewerb. "Der Bahn täte Wettbewerb verdammt gut", formulierte er.
Dennoch gilt: "Insgesamt ist der ÖPNV massiv besser geworden."
Der Häfler
CDU-Vorsitzende Norbert Fröhlich, ausgewiesener Verkehrsexperte, sieht die
Region über Schleichwege bereits wieder von modernem Zuggerät abgehängt und
beklagt schmutzige Abteile und verschlossene Toiletten auf der gesamten
Strecke. Dabei funktioniere es anderswo. CDU-Kreisvorsitzende Sylvia Zwisler dankte nach mehr als zwei Stunden intensiven
Referats und Diskussion Ulrich Müller und rief im Kreis zu Einigkeit auf.
Kommentar
Obwohl überraschend viele
Menschen aus dem gesamten Kreisgebiet gekommen waren - über Landesstraßen zu
diskutieren hatte am Montagabend keiner Bock. Dabei waren die das Thema.
Dass Landesstraßen vor Ort
kaum ein Streitpunkt sind, ist schon daran zu erkennen, dass nicht einmal der
ehemalige Verkehrsminister mit jeder Straßennummer etwas anfangen konnte. Im
Bodenseekreis will man wissen, wie es mit der B 31 und B 30 weitergeht und was
sich auf der Schiene tut. Um es vorwegzunehmen: Nicht viel, lautet die Antwort,
auch wenn die sogenannten Experten jetzt aufheulen und auf allerlei
Fortschritte auf dem Papier verweisen. Wie seit 30 Jahren. Arg aufgehellt haben
sich die Mienen der Anwesenden im Verlauf des Abends nicht. Von
Unglaubwürdigkeit der Politik war vielmehr die Rede.
Von den unendlichen
Geschichten B 31 und B 30 abgesehen, bringt man es nicht einmal fertig, auf
einer sogenannten Umgehung von Kressbronn bis Lindau
wenigstens abschnittsweise dritte Spuren zu installieren, um ein Überholen
möglich zu machen und deren Ruf als Todesstrecke vergessen zu machen. Nicht
einmal eine solche banale Verbesserung ist auf deutscher Seite möglich, und es
gehört keine besondere Prophetie dazu, vorherzusagen, dass die im Bau
befindliche Pfänderröhre eher fertig ist als zwischen Kressbronn
und Lindau überholt werden kann. Das ist ein schlichtes Armutszeugnis.
Prognosen zufolge wird der
Verkehr zunehmen, nicht zuletzt auch im Bodenseekreis. Gleichzeitig nehmen die
finanziellen Mittel ab, Entlastung zu schaffen. Letztere ist auch nicht auf der
Schiene zu erwarten. Dort hapert es schon am Komfort und am elektrischen Strom.
(Erschienen: 11.03.2009)