B 31: IHK zieht die Wünsch-Dir-was-Karte

FRIEDRICHSHAFEN - "Wachstum braucht Mobilität", steht im Leitbild Verkehr der Industrie- und Handelskammer (IHK) Bodensee-Oberschwaben. Und die Wirtschaft am Standort Friedrichshafen wächst. Der IHK-Verkehrsexperte Dr. Wolfgang Heine ist sich allerdings sicher, dass die Mobilität nicht mehr zu diesem Wachstum passt und sagt: "Der Region droht ein Verkehrskollaps."

Was Heine in Händen hält, lässt wohl viele Herzen rund um den See höher schlagen. Denn auf der Verkehrskarte der Industrie- und Handelskammern in Baden-Württemberg sind sie zu sehen: die Ortsumfahrung BF31 neu Friedrichshafen West, der Neubau der BF31 westlich von Immen-staad sowie der BF30 Süd von Ravensburg bis Eschach und weiter bis Friedrichshafen. Zudem ist der Lückenschluss der A 96 vollbracht, die BF31 zwischen Friedrichshafen und Lindau abschnittsweise dreispurig ausgebaut und die Südbahn von Ulm über Aulendorf und Friedrichshafen bis nach Lindau elektrifiziert und zweigleisig.

"Wünsch-Dir-was-Karte" nennt der Leiter des IHK-Geschäftsbereiches Standortpolitik den Plan, der seiner Meinung nach bis zum Jahr 2020 zumindest zu einem großen Teil die Wirklichkeit darstellen sollte. "Ich bin mal mutig und sage, bis in elf Jahren ist alles bis auf die BF31 zwischen Immen-staad und Überlingen realisiert. Letzteres sollte bis dahin zumindest planfestgestellt sein." Dies sei als optimistische Sichtweise verbunden mit einer Forderung zu verstehen, betont Wolfgang Heine. "Verkehrswege sind die Lebensadern der Wirtschaft, denn Mobilität ist Voraussetzung für wirtschaftliches Wachstum und Entwicklung", heißt es passend dazu im IHK-Leitbild Verkehr. Heine sagt: Man müsse sich im Klaren darüber sein, dass der Wohlstand am Bodensee nicht primär dem Tourismus und der Landwirtschaft, sondern der Industrie zu verdanken ist. "Wer Verkehrsverhinderungsstrategien verfolgt und gegen den Straßenausbau ist, verscheucht Firmen und Arbeitsplätze. Wir dürfen über die Region keine Käseglocke legen. Mensch und Umwelt profitieren von gut ausgebauten Bundesfernstraßen mehr als von Dauerstaus."

Prognosen deuten daraufhin, dass der Güterverkehr auf Deutschlands Straßen bis zum Jahr 2025 um 75 Prozent zunehmen wird. Das hänge unter anderem mit der internationalen Arbeitsteilung zusammen und damit, dass Güter vermehrt dort gefertigt würden, wo es am billigsten ist. "Und das erzeugt Verkehr. Für eine boomende Region wie die unsere bedeutet das gut und gerne eine Verdopplung des Verkehrsaufkommens", fürchtet der IHK-Geschäftsbereichsleiter. "Unsere Sor-ge ist: Man weiß seit langem, was auf uns zurollt und hat nicht genügend getan."

Brief an die Staatssekretärin

Untätig bleiben will die IHK auf keinen Fall. Doch kann eine Organisation wie die Industrie- und Handelskammer überhaupt etwas ausrichten? "Wir können nicht planen und auch kein Geld drucken", sagt Heine. "Wir können aber der Politik in Land und Bund die Notwendigkeit dieser Straßenbauprojekte aus Sicht der Wirtschaft immer wieder vor Augen führen." Zuletzt ist das in einem Brief geschehen, der Ende September an Karin Roth, Staatssekretärin im Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, ging. Darin steht unter anderem, dass ein zügiger Baubeginn der BF31 neu wichtig sei, denn: "Die drei unterzeichnenden Firmen beschäftigen in Friedrichshafen rund 13000 Mitarbeiter und fühlen sich dem Standort seit Jahrzehnten verbunden. Die Verkehrsprobleme rund um die BF31 stellen jedoch einen ernstzunehmenden Standortnachteil dar." Absender: IHK Bodensee-Oberschwaben, ZF Friedrichshafen AG, Tognum AG und Zeppelin GmbH. Eine Reaktion der Staatssekretärin blieb bislang aus.

"Wir wollen aber nicht nur meckern, sondern auch Vorschläge machen", sagt Wolfgang Heine. Einer davon sieht so aus: "Die Lkw-Maut muss endlich in voller Höhe zweckgebunden werden. Bisher wurde sie komplett vom Finanzminister vereinnahmt. Daher dürfen die Mautgelder erst gar nicht im Topf des Finanzministers landen, sondern sollten in eine eigene Gesellschaft abgeführt werden, die die Verkehrsinfrastruktur plant und baut." Bei einer Pkw-Maut, für deren Einführung die IHK plädiert, "müsste man von Anfang an höllisch aufpassen, dass sie nur zweckgebunden verwendet wird und die Bürger an anderer Stelle in gleicher Höhe entlastet werden", betont Heine. Ob es mehr Geld für den Straßenbau gibt und woher es kommt, werden erst die nächsten Jahre zeigen. Bis dahin kann man die BF31 neu westlich von Immen-staad lediglich auf der "Wünsch-Dir-was-Karte" der IHK abfahren.

(Erschienen: 25.11.2008)