Ohne leistungsstarke Bundesstraßen geht's nur Stück für Stück voran

MARKDORF (li) "Auf neuen Wegen" heißt die aktuelle SZ-Serie rund ums Thema Stück für Stück voran Mobilität. Auf neuen Wegen ganz wörtlich genommen sollen sich in den nächsten Jahren die Autofahrer rund um Markdorf, Bermatingen und Neufrach bewegen. Diese Orte sollen Umfahrungen bekommen. Über den Stand der Planungen informiert die SZ heute auf einer Sonderseite.

Straßenplanungen sind eine komplizierte Angelegenheit. Vor allem in Regionen wie dem Bodenseekreis, wo es der Politik über Jahrzehnte hinweg nicht gelungen ist, leistungsstarke Verbindungen für den überörtlichen Verkehr zu schaffen - und man sich deshalb heute damit begnügen muss, Stück für Stück punktuelle Lösungen zu finden, die sich irgendwann in ferner Zukunft zu einem großen Ganzen zusammenfügen sollen. Denn eines ist längst klar: Die große, schnelle, überregionale Lösung der Verkehrsprobleme mit durchgängig leistungsstarken Verbindungen zwischen Ost und West sowie Nord und Süd scheitert am Geld.

Selbst wenn"s bei den Bundesstraßen 30 und 31 demnächst mal vorwärts gehen sollte - die Hoffnung stirbt zuletzt -, wären das nur zwei von ganz vielen Schritten, die noch gegangen werden müssen, um die Verkehrsströme in den Griff zu bekommen. Vor diesem Hintergrund muss alles, was in den nächsten Jahren punktuell im untergeordneten Straßennetz getan wird, auch im überregionalen Zusammenhang betrachtet werden. Und genau das macht die Sache so kompliziert, führt bei jeder neuen Planung zu heftigem Widerstand und langwierigen Verfahren.

Gerber hofft: "Hohe Entlastung"

So ist das auch im Fall der Ortsumfahrungen, die für Markdorf, Bermatingen und Salem-Neufrach geplant sind. Für die Südumfahrung Markdorf hat das Regierungspräsidium Tübingen Mitte April das Planfeststellungsverfahren eingeleitet - mit dem Baubeginn rechnen Optimisten im Jahr 2011. Doch eines ist klar: Die Liste der Einwendungen wird lang. Kaum ein Tag vergeht, an dem nicht irgendeine Organisation zu Informationsveranstaltungen einlädt, bei denen es darum geht, negative Auswirkungen dieser Straße(n) darzustellen. Vergangene Woche war"s der BUND, am Dienstag die Interessengemeinschaft Verkehrsneuplanung Ittendorf, gestern Abend informierte die Bürgerinitiative Kluftern, morgen tut's die Umweltgruppe gemeinsam mit dem BUND und der Aktionsgemeinschaft Südumfahrung.

Markdorfs Bürgermeister Bernd Gerber hat für den Widerstand, vor allem in Markdorf selbst, kein Verständnis. Er erhofft sich von der Südumfahrung eine Halbierung des Verkehrs durch Markdorf und "mehr Durchlässigkeit" in der Stadt. Er spricht von einer "hohen Entlastung der Bürger" und verweist auf den Bürgerentscheid, durch den die Südumfahrung 2003 legitimiert worden sei. "Das müssen die Gegner akzeptieren", sagt er. Die große Mehrheit der Bürger wünsche sich diese Straße.

Hansjörg Renner, Fraktionsvorsitzender der Umweltgruppe und Kritiker der Planungen, sieht das anders. Denn seit die Bürger sich im Jahr 2003 für die Südumfahrung ausgesprochen haben, hätten sich die Bedingungen entscheidend verändert. Damals sei nämlich noch davon die Rede gewesen, dass B30 und B31 beziehungsweise eine Bündelungstrasse zeitnah zum Bau der Südumfahrung neu oder ausgebaut würden. Aus heutiger Sicht wird das allerdings auf Jahre hinweg ein frommer Wunsch bleiben.

Kritiker fürchten mehr Verkehr

Dass die Südumfahrung die Stadt Markdorf zumindest von einem Teil der täglich 25 000 Fahrzeuge befreien wird, bezweifelt Hansjörg Renner gar nicht. Diese Entlastung werde aber - vor allem eben im Zusammenhang mit dem fehlenden Aus- beziehungsweise Neubau von B 30 und B 31 - sicher nicht so stark sein wie angekündigt. Dass Lastwagen, die auf der B 33 unterwegs sind, freiwillig den Umweg über die Südumfahrung in Kauf nehmen, daran glauben Renner und seine Mitstreiter jedenfalls nicht. Und vor dem Hintergrund, dass zusammen mit den Umfahrungen Bermatingen und Neufrach eine relativ durchgängige Ost-West-Verbindung entsteht, befürchten Renner und seine Mitstreiter sogar, dass die Südumfahrung noch mehr Verkehr von der überlasteten B 31am See ins Hinterland zieht - und die Belastung vor allem in den Stadtteilen zu- statt abnimmt.

(Erschienen: 28.05.2009)