SALEM (sz) Salem, Sonntag, 17.45 Uhr: Vor dem "Prinz
Max" sitzen vereinzelt Menschen auf Bänken, stehen zusammen und
warten. Ab 18 Uhr sollen die Ergebnisse aus den 13 Wahlbezirken einlaufen. Die
Stimmung ist angespannt, mit jeder Minute wird die Menschentraube
größer. Keiner weiß, wie es ausgehen wird. Bekannt ist
allerdings bereits, dass sich eine überdurchschnittlich hohe
Wahlbeteiligung abzeichnet. "Wenn Markdorf sich früher immer so gegen
Wirtschaft gesperrt hätte wie Salem es gerade tut, wäre Markdorf
immer noch ein 4000-Einwohner-Dorf mit vielen Kühen", sagt eine Dame,
die wohl bei "Ja" ihr Kreuzchen gemacht hat. MTU-Logistikleiter Bernd
Baader war zuletzt im Januar in Neufrach im
"Prinz Max", als auf der Informationsveranstaltung von
Bürgermeister Härle die Emotionen hochkochten. Heute dürfte Baader angespannter sein.
Pressesprecher Wolfgang Boller und er tun das, was
sie in den vergangenen Wochen so oft tun mussten: Sie warten ab.
Kurz nach 18 Uhr
strömen die Menschen in die Halle. Hastig werden noch Salem-Banner
neben die riesige Leinwand gehängt, auf der in wenigen Minuten
Balkendiagramme, Zahlen und Prozentwerte flimmern werden. Vor knapp einer
Stunde ging hier erst der Flohmarkt zu Ende. Als das erste Wahlergebnis aus
Rickenbach erscheint, dringen Jubelrufe aus den Reihen der rund 300 Menschen,
die live miterleben wollen, wie Salem abgestimmt hat: Der rote Balken, der die
"Nein"-Stimmen zeigt, ist höher als
der grüne. Gebannt sehen die Menschen auf die Leinwand und warten auf die
nächsten Zahlen. Bis das Endergebnis auftaucht, wird immer wieder gejohlt,
die Gegner liegen die ganze Zeit über vorne, manchmal schmilzt der Abstand
etwas zusammen.
Nach gut einer Dreiviertel
Stunde steht das Ergebnis fest - und es ist denkbar knapp: 50,7 Prozent der
Stimmen sagen "Nein" zum Logistikzentrum, 49,3 Prozent sagen
"Ja". Jubel brandet auf, ein bisschen wie beim "Public Viewing" während der WM. Während die einen
sich in den Armen liegen und den Sieg feiern, der auch ein Sieg der
Bürgerinitiative ist, frieren bei den engagierten Befürwortern die
Gesichtszüge fest, die Minen verdüstern sich. Es gilt zwar,
demokratische Spielregeln zu wahren, doch mancher dürfte in diesem Moment
gar undemokratische Gedanken haben.
Mit dem
Bürgerentscheid zu Ungunsten des Friedrichshafener
Motorenbauers endet in Salem eine monatelange Auseinandersetzung, in der es zur
Genüge auch unschöne Momente und demokratisches Foulspiel gegeben
hat. Der Bürgerentscheid gelte wie ein endgültiger
Gemeinderatsbeschluss, sagt Bürgermeister Manfred Härle,
der das Ergebnis verkündet. Für ihn ist das "Nein" eine
Niederlage. Nun müsse man Schlüsse für die künftige
Gewerbeansiedlung ziehen, sagt Härle.
SPD-Gemeinderat
Arnim Eglauer, von Anfang an vehementer Verfechter
der MTU-Ansiedlung, sagt: "Das ist nicht das Ende von Salem, aber ich
hätte mir ein deutlicheres Ergebnis gewünscht." Das sieht die
MTU-Abordnung ähnlich: "Wir wären gerne nach Salem gekommen, das
war unser Plan A. Jetzt werden wir die Alternativpläne reaktivieren",
sagt Wolfgang Boller. Die heißen unter anderem
Wangen oder Stockach.