22.03.2007 00:07

Von Drückebergern und Konjunktiven

Standpunkt

Die Veranstaltung war - vorsichtig ausgedrückt - ernüchternd. Das Regierungspräsidium Tübingen machte in Person von Behördenchef Hermann Strampfer vor dem Kreistag am Dienstag keine gute Figur. Aufschlussreich war sein Auftritt zum Straßenbau in der Region trotzdem. Ein Standpunkt von SZ-Redakteur Andreas Mühl.

Wer im Dezember 2006 die beiden Sonderseiten der Schwäbischen Zeitung "Straßen, Straßen Straßen ..." studiert hat, dürfte deutlich besser informiert sein als die Mitglieder des Kreistages nach dem Vortrag des Regierungspräsidenten. Dem fehlte neben der Sachkenntnis auch Mut und Wille zu einem klaren politischen Bekenntnis für die großen Straßenbauprojekte B 30 und B 31.

1. Der Vorwurf. Weil sich die Landesregierung ziert, klar zu sagen, welche Bundesstraßen in Baden-Württemberg mit den bescheidenen Finanzmitteln des Bundes gebaut werden sollen, können die Regierungspräsidien im Land nicht gezielt arbeiten und planen. Diesen Vorwurf, den vor allem der Landtagsabgeordnete Norbert Zeller (SPD) seit Jahren erhebt, hat Strampfer am Dienstag erstmals klipp und klar bestätigt. Dies ist umso bemerkenswerter, weil es sich beim Regierungspräsidium Tübingen um eine Landesbehörde handelt. Politisch heißt das, CDU und FDP drücken sich um die Entscheidung, welche Region beim Straßenbau in die Röhre gucken wird, weil längst nicht alle Wünsche aus Städten und Kreisen erfüllt werden können. Denn dazu fehlt dem Bund das Geld. 2,5fach überzeichnet ist die Wunschliste aus Baden-Württemberg, die der Bund bereits komplett in seinem "Vordringlichen Bedarf" platziert hat. Gebaut wird aber letztlich längst nicht alles, sondern nach den Vorgaben des Landes - solange wie das Geld eben reicht.

2. Die Prioritäten. Bemerkenswert ist ferner, dass sich das Regierungspräsidium auf Drängen des Kreisrates Hans-Peter Wetzel (FDP) am Dienstag zu einer Priorisierung verleiten ließ. "Sie wollen eine Prioritätenliste?", fragte Hartmut Kopp vom Straßenbauamt genervt. "Die können sie haben. Wir wollen zunächst vier Straßen bauen: B 27; Ortsumfahrung Herbertingen; Ortsumfahrung Reutlingen; B 30 Ravensburg/Süd bis Eschach. Dann die Maßnahmen im Verfahren: Überlingen und Friedrichshafen-Immenstaad, je nachdem, welcher Planfeststellungsbeschluss zuerst steht."

3. Ein Streit? Immerhin - so deutlich hatte das ein Fachmann aus der Tübinger Behörde mit einer erkennbaren Spitze Richtung Stuttgart noch nie gesagt. Man kann sich ausmalen, dass jetzt die Fetzen fliegen werden. Wenn's gut ist für Friedrichshafen und die Region, soll's uns recht sein.

4. Viele Konjunktive. Was also könnte man unternehmen, um die Verfahren für den B 31-Abschnitt zwischen Friedrichshafen und Immenstaad bis zum Baubeginn zu beschleunigen? Mit einer klaren politischen Aussage der Landesregierung im Rücken könnte die Straßenbaubehörde in Tübingen gezielt die Kräfte auf jene Verfahren konzentrieren, die tatsächlich umgesetzt und finanziert werden. Also auch auf die B 31 in Friedrichshafen. Zeitgleich mit dem Abschluss des Planfeststellungsverfahrens könnte die Ausführungsplanung vorangetrieben werden, also die detaillierte Bauplanung, ohne die naturgemäß ein Baubeginn nicht möglich ist. Konzentrierte und schnelle Arbeit könnte hier den Baubeginn durchaus um mehrere Jahre beschleunigen.

5. Der Sofortvollzug. Momentan liegen für den B 31-Weiterbau um Fischbach herum kaum neue Einwendungen vor. Die überarbeiteten Unterlagen lagen zur Einsicht aus, bis 2. April sind Einwendungen möglich. Zumindest aus Kluftern dürften noch Proteste schriftlich eintrudeln. Wenn das Regierungspräsidium sauber geplant hat, spielen diese Einwendungen aber kaum eine Rolle. Nach neuester Gesetzeslage kann mit dem Planfeststellungsbeschluss ein Sofortvollzug der Baumaßnahme beschlossen werden, selbst wenn noch Klagen vor Verwaltungsgerichten zu erwarten sind. Die ständigen Vorhaltungen aus Stuttgart und Tübingen, die Region müsse sich einig sein, um einen schnellen Baubeginn zu erreichen, greifen insofern nicht. Zum einen ist die Region sich relativ einig, was auch am Dienstag im Kreistag deutlich wurde. Zum anderen ist es bei schwierigen Vorhaben illusorisch, 100 Prozent Einigkeit zu erzielen.

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