16.09.2005 05:01

Straßenlärm höher als gedacht

Neue Daten durch Verkehrszählungen - Schallschutzprogramm Thema im Gemeinderat

An den Häfler Durchgangsstraßen geht's oft lauter zu als bisher angenommen. Das haben neue Lärmberechnungen im Auftrag der Stadtverwaltung ergeben. Nicht nur tagsüber, sondern vor allem nachts belastet Lärm die Anwohner. Deshalb soll der Gemeinderat am Montag eine Ausweitung des Schallschutzprogramms beschließen, mit dem Lärm mindernde Fenster bezuschusst werden.

Friedrichshafen

VON WOLFGANG BOLLER

 

 

Friedrichshafen - Im Gefühl hatten es viele, jetzt ist es mit Zahlen untermauert: Der Straßenverkehr und damit die Lärmbelastung haben teilweise deutlich zugenommen. "Fast 90 Prozent der untersuchten etwa 20 Straßenkilometer sind mit über 55 Dezibel in der Nacht belastet", sagt der städtische Umweltamtsleiter Tilmann Stottele.

 

Ab einem Dauerschallpegel an der Hausfassade von über 70 Dezibel in der Zeit von 6 Uhr bis 22 Uhr gewährte die Stadt bisher gemäß ihres Förderprogramms für Schallschutz einen Zuschuss von 75 Euro pro Quadratmeter Fensterfläche, wenn neue Fenster der Lärmschutzklasse 3 eingebaut werden. Dauerlärm über 70 Dezibel gilt als gesundheitsschädlich, weil er das Risiko für Herz- und Kreislauferkrankungen erhöht. 300 Häuser waren bisher förderfähig.

Doch von starkem Lärm sind offenbar deutlich mehr Menschen belastet. In den vergangenen zwei Jahren berechnete die Immenstaader Verkehrsplanerin Gabriele Schule anhand von Verkehrszählungen die Belastung entlang der Durchgangsstraßen und fand heraus: Statt für bisher 300 Gebäude gilt nun für 466 Häuser eine Belastung von über 70 Dezibel Dauerschallpegel tagsüber.

Besonders störend und gesundheitsschädlich ist der Lärm aber vor allem nachts, der bislang für die Förderung von Schallschutzfenstern keine Rolle spielte. Dabei gehen die Fachleute davon aus, dass Dauerlärm über 65 Dezibel das Herzinfarktrisiko um 20 Dezibel steigen lässt. Nicht zuletzt wegen des vermehrten Ost-Westverkehrs nach der Öffnung Europas nach Osten wurde der Lastwagenverkehr auf Friedrichshafens Straßen stärker. Deshalb soll nun auch die Nachtbelastung zum Kriterium für die Bezuschussung werden. Nach den Berechnungen kommen weitere 200 Gebäude dazu, deren Bewohner nachts zwischen 22 und 6 Uhr mehr als 60 Dezibel aushalten müssen.

Demnach ist es so gut wie an der ganzen B-31-Ortsdurchfahrt Friedrichshafens bis nach Fischbach zu laut. Sogar in der Keplerstraße, in der Ailinger Straße, in der Friedrichstraße, der Paulinenstraße und der Ravensburger Straße ist es an mehr als der Hälfte der Häuser über 60 Dezibel laut.

Laut geht es ebenfalls in Kluftern und in Meistershofen zu. Die ganze Markdorfer Straße im Klufterner Ortsteil Lipbach sowie die Immenstaader Straße und Teile der Markdorfer Straße in Kluftern gelten als mit starkem Lärm belastet, ebenso die Untere Mühlbachstraße in Schnetzenhausen sowie die Teuringer Straße und die Waggershauser Straße.

Insgesamt gelten nun 666 Gebäude als besonders lärmbelastet. Wenn Hausbesitzer sich für den Einbau von Schallschutzfenstern entscheiden, können sie pro Quadratmeter Fenster 75 Euro erhalten - vorausgesetzt der Gemeinderat beschließt die Änderung des Förderprogramms und genehmigt jährlich 60000 Euro dafür. Gefördert werden entlang der Straßen aber nur die Fassaden, die dieser Belastung ausgesetzt sind. Anders sieht es bei Häusern in der Einflugschneise des Flughafens aus. Dort werden sämtliche Gebäudeseiten gefördert.

Die Minderung des Lärms mit Schallschutzfenstern ist für Oberbürgermeister Josef Büchelmeier aber nur der Teil der Lösung des Problems, den die Stadt selber beeinflussen kann. Viel wichtiger wäre es, so Büchelmeier, dass der weitere Abschnitt der B31 zwischen Waggershausen und dem Grenzhof zwischen Immenstaad und Fischbach gebaut wird. Weil dies aber noch eine Weile auf sich warten lässt, hofft Büchelmeier darauf, dass auf die Benutzung der B31 eine Straßenmaut erhoben wird. Einen entsprechenden Vorstoß hat er längst gemacht. Auch die Landesregierung will bekanntlich in dieser Richtung aktiv werden. Damit könnte der Teil des Überland-Lastwagenverkehrs vermieden werden, der die kostenlose B31 statt der gebührenpflichtigen Autobahnen benutzt. "Wir müssen genau beobachten", so der Oberbürgermeister, "ob es hausgemachter Verkehr oder Durchgangsverkehr ist, der die Menschen hier belastet". Er erhofft sich weitere Erkenntnisse durch die derzeit stattfindenden Verkehrszählungen durch das Land.