Friedrichshafen

 

"Aber der Verkehr, der ist immer"

KLUFTERN - Wie laut es wird in den Ortschaften, wenn die aktuellen Straßenpläne verwirklicht werden? Das haben am Mittwoch 65 Klufterner wissen wollen. Die Initiative Pro Kluftern hatte einen Fachmann für Verkehrslärm und eine lärmgeschädigte Einwohnerin aus Mariabrunn eingeladen.

Von unserer Mitarbeiterin Elke Oberländer

"Das wird schon nicht so schlimm kommen - denkt man, wenn man die Pläne der Verkehrsgutachter ansieht." Gerdi Spengler spricht aus Erfahrung. Die Musiklehrerin wohnt im Eriskircher Ortsteil Mariabrunn, direkt an einer Tunnelöffnung der B 31 neu. "Sie ahnen nicht, was auf Sie zukommt", warnt die lärmgeplagte Frau die Klufterner. In Mariabrunn gehe man nicht mehr auf den Balkon, niemand öffne mehr ein Kippfenster und Besuch komme auch keiner mehr. Der Lärmteppich reiche viel weiter, als die Planer vor Baubeginn gesagt haben.

"Schauen Sie das Haus Ihrer Nachbarn an", rät Gerdi Spengler. "Womöglich hat es einen Giebel, und der wirkt wie ein Lautsprecher." In diesem Fall treffe einen der Lärm zwar nicht direkt. Aber der Widerhall könne genau so laut sein. Lärmschutzfenster? Für die Mariabrunnerin inzwischen ein Reizwort. Die Fenster seien so dicht, dass man zum Lüften einen Frischluftventilator brauche - mit 60 Dezibel. Daneben könne man kein Kind schlafen legen.

"Unerschöpflich" sei die "Lärmerfahrungsreise", die den Klufternern bevorstehe. Für den Straßenabschnitt bei Mariabrunn hätten die Planer mit zehn Prozent Lastwagenanteil gerechnet. Aber jetzt seien es tatsächlich 33 Prozent - die Steigerung durch die LKW-Maut noch nicht eingerechnet. Die Minister, die damals Versprechungen gemacht hätten, seien heute nicht mehr im Amt.

Zu Beginn der Planungsphase hätten noch viele gedacht: "Mein Häusle verlassen, das tu ich nicht. Ich werd mich schon noch dran gewöhnen." An Züge oder Flugzeuge könne man sich gewöhnen, sagt Gerdi Spengler. "Aber der Verkehr, der ist immer!" Den Klufternern rät sie: "Suchen Sie sich ein Hobby, das man in geschlossenen Räumen ausüben kann. Planen Sie viel Urlaub ein. Beantragen Sie schon jetzt Teilzeit, damit Sie möglichst oft weg können."

Steigendes Herzinfarktrisiko

Die Musikerin singt den bedrohlich heranklingenden Sirenenton eines nahenden Lastwagens. Die Frage "Soll ich"s nochmal singen?" klingt danach wie eine Drohung. Wer keine Nerven wie Stahlseile habe, der sei bei solcher Lärmkulisse ständig gereizt. "Und den Zorn, den lassen Sie an Ihren Mitmenschen raus." Den Klufternern prophezeit Gerdi Spengler: "Ihr werdet kurzfristig zu aggressiven Menschen werden." Aber das wünsche sie ihnen auch - und zwar schon vor Baubeginn, für den Kampf gegen die Straßenpläne. Über die Folgekosten des Lärms hat Helmar Pless die Klufterner informiert. Bereits ab einem mittleren Pegel von 65 Dezibel am Tag oder 55 Dezibel in der Nacht steige das Herzinfarkt-Risiko, sagt der Biologe vom Verkehrsclub Deutschland. Dabei werde der Schallwert an der Außenfassade eines Gebäudes gemessen. Lärm vermindere die Leistungsfähigkeit am Arbeitsplatz und sorge dafür, dass Kinder sich nicht konzentrieren könnten und schlechter sprechen und lesen lernen. Und der Wertverfall der betroffenen Häuser führe langfristig zur Bildung von Ghettos. }

"Sie ahnen nicht, was auf Sie zukommt": Gerdi Spengler warnt die Klufterner vor einer "Lärmerfahrungsreise". Foto: Elke Oberländer

 (Stand: 15.04.2005 00:19)