04.04.2003 06:26

Volkes Wille zählt

 

 

Gesamt

VON GüNTER ACKERMANN

 

Bürgerentscheide über Ortsumfahrungen

 

 

Endlich. Der Tag der Abstimmung naht. Übermorgen ist Bürgerentscheid. Dann wird das wochenlange Hin und Her ein Ende haben. Hoffentlich. Zuletzt musste man sich ja richtig aufraffen, um der Diskussion noch folgen zu können.

Irgendwie war es wie Weihnachten. Zunächst, vier Wochen vorher, ist man ganz gespannt und fragt sich, wie die Bescherung wohl ausfallen wird. Von Tag zu Tag steigt die Nervosität. Erster Advent: die Bürgerversammlungen. Selbstbewusste Verkehrsplaner und Bürgermeister preisen die Straßenprojekte. Die Sache scheint klar. Das wird ein Fest!

Zweiter Advent: Die Zeit der vollen Briefkästen beginnt. Da fängt es dann schon an zu nerven. Egal ob Engel mit Glöckchen an Tannenbäumen oder wilde Straßenskizzen mit Lärmtabellen. Noch schaut man sich die Broschüren und Flugblätter an, weiß aber schon: Bitte lass es nicht so weitergehen.

Dritter Advent: Die Straßengegner holen zum Rundschlag aus, die Befürworter geraten in Erklärungsnotstand. Das Ganze gerät aus den Fugen. Man beginnt sich vom Thema abzuwenden. Seit Wochen nichts anderes.

Vierter Advent: Das große Geschäft lockt. Transparente werden durch die Stadt getragen. Auf die eine folgt die andere Demo. Man hört und sieht nichts anderes mehr. Anstelle von Weihnachtsliedern wird man von Schlachtrufen berieselt. Bald ist es ja vorbei. Hoffentlich.

Doch dann der Endspurt: Jetzt fühlen sich diejenigen auf den Plan gerufen, die das Ganze bisher irgendwie verpasst haben. Alle anderen machen das Gleiche wie bisher: Sie wiederholen sich. Nur der Ton wird schärfer, giftiger. Es geht ja um was.

Worum eigentlich? Einfach gesagt: um unser höchstes demokratisches Gut, die Stimme von uns Bürgern. Davon hat man in der Auseinandersetzung oftmals aber wenig gemerkt. Nicht immer stand die sachliche Information, das Abwägen von Pro und Contra, im Mittelpunkt der Diskussion, die zeitweise ins Polemische und auch Niveaulose abglitt. Plötzlich waren die Naherholungsgebiete bei Wanderern angeblich überhaupt nicht mehr beliebt. Manch einer wollte auf 400 Arbeitsplätze verzichten, um so die Straße zu verhindern. Nimmst Du mir mein Förmchen weg, klaue ich Dir Deines!

Davon kann sich kein Bürger ein eigenes Bild machen. Doch darum sollte es gehen. Die Menschen wollen nicht, dass man ihnen vorschreibt, wie sie abzustimmen haben. Sie möchten sich eine eigene Meinung bilden, Vor- und Nachteile präsentiert bekommen, um diese gegenüberstellen und sich daraus ein Urteil machen zu können. Das war leider nicht immer der Fall - hüben wie drüben.

Wie Weihnachten halt: Werbung ist Werbung und sagt nicht alles. Dafür aber, wie die Bescherung ausfallen soll. Was am Ende aber herauskommt, das liegt in anderen Händen. In denen der Bürger von Markdorf und Bermatingen. Sie dürfen wählen und sollten dieses hohe demokratische Recht auch wahrnehmen. Nicht oft besteht die Gelegenheit, über ein einzelnes Projekt von derartiger Tragweite abzustimmen. Wann wird der Bürger schon einmal ganz konkret um seine Meinung in einer bestimmten Angelegenheit gefragt, wann hat er schon einen derart großen Einfluss? Sonst darf er ja nur sein Kreuzchen bei Personen oder Parteien machen.

Eine hohe Wahlbeteiligung ist in zweierlei Hinsicht wünschens- und lohnenswert. Erstens ist der Bürgerentscheid nur dann erfolgreich, wenn das Quorum von 30 Prozent der Wahlberechtigten erreicht wird. Zweitens erfordert das Ausmaß der Angelegenheit ein Votum, das von möglichst vielen Bürgern getragen wird.

Wie bei Wahlen üblich, gibt es bis zuletzt Unentschlossene. Es bleibt nur zu hoffen, dass diese bis Sonntag Pro und Contra abwägen, sich eine eigene Meinung bilden und diese mit dem Urnengang demonstrieren. Demokratie heißt Bürgerbeteilung. Wer dieses Recht einfordert, muss es auch ausüben, damit Volkes Wille zum Ausdruck kommt. Denn darum geht es.