"Zu viel Lärm": Eltern und Lehrer machen gegen die Straße mobil

 

MARKDORF - Käme die Südumfahrung, wären die 2200 Schüler des Bildungszentrums dem Verkehrslärm "schutzlos ausgeliefert" - das fürchtet eine Gruppe von Eltern, und auch ein Teil des Lehrerkollegiums rechnet mit einer "erheblichen Beeinträchtigung des Lernerfolgs". Zu solcher Sorge gebe es keinerlei Anlass, hält Markdorfs Bürgermeister Bernd Gerber dagegen.

 

Von unserer Mitarbeiterin Kerstin Brauers

 

In 650 Metern Abstand vom Bildungszentrum verläuft die Trasse der geplanten Umfahrung - zu wenig, findet die Gruppe, die nach eigenen Angaben aus knapp 40 Elternteilen aller drei Schularten besteht. Mit einem Infoblatt hat sich die Gruppe an alle Eltern des BZM gewandt. Vor allem die Klassenräume in den oberen Stockwerken des Gebäudes seien dem Lärm voll ausgesetzt, heißt es da. Und selbst wenn der gesetzliche Lärm-Grenzwert von 57 Dezibel nicht erreicht werden sollte: "Die Schule liegt direkt an der 50-Dezibel-Linie", sagt Claudia Sengenhoff-Neitz, deren Sohn das Gymnasium besucht, und zeigt auf einen Plan des für das Straßenbauamt tätigen Umweltbüros Stocks, auf dem sich eine blaue Linie an der Schule vorbeischlängelt. "Das Landesamt für Umweltschutz sagt klar, dass man schon ab 35 Dezibel mit Lern- und Konzentrationsstörungen rechnen muss." Der Bau von Lärmschutzwänden sei unmöglich, weil dann die Frischluftzufuhr von der Lipbachaue blockiert sei, argumentieren die Eltern. Sie glauben, der "andauernde Hintergrundlärm" würde den Unterricht für Schüler und Lehrer unerträglich machen, und fürchten, dass die Südumfahrung zur "Transitstrecke für Fern- und Schwerverkehr" wird, dass "uns der Lärm für Jahrzehnte erhalten bleibt" und sich die Abgase "Tag und Nacht in der Kaltluftsenke am BZM anreichern".

 

Zudem werde sich das Schulweg-Problem verschärfen, da sich die Situation am Aldi-Kreisel zuspitzen könnte, wenn der rückfließende Verkehr vom neuen Wagner-Kreisel hinzukomme.

 

Die Eltern hatten schon begonnen, in der Schule Unterschriften gegen die Straße zu sammeln, als die Schulleitung das gestoppt habe - auf einen Brief des Bürgermeisters hin, heißt es. Ebenfalls von der Schulleitung gestoppt wurde der Elternbeirat einer siebten Klasse, der mit den Kindern bei der Demonstration für die Südumfahrung Würstchen für die Klassenkasse verkaufen wollte. Die Schüler sollten nicht für oder gegen die Straße instrumentalisiert werden.

 

"Es ist eine Aktion der Eltern", sagt deshalb Claudia Sengenhoff-Neitz zum Infoblatt. Und auch die Lehrergruppe will die Schüler außen vor lassen: 56 der rund 80 Kollegen von Gymnasium und Hauptschule haben - unabhängig von den Eltern - für einen Aufruf gegen die Straße unterschrieben, sagt ihr Sprecher Peter Neumann. Ausschlaggebend sei eine Infoveranstaltung mit dem Bürgermeister gewesen: "Da blieben Fragen offen."

 

Also habe man sich informiert und erfahren, dass bei Lärmbelastungen ab 30 bis 40 Dezibel mit einer Minderung der Lern- und Leistungsfähigkeit, der Konzentration und Kommunikation und mit einer Zunahme "disziplinarischer Schwierigkeiten" zu rechnen sei - was unter dem Aspekt der Vorsorge und in Zeiten von PISA alles andere als wünschenswert sei. "Kinder sind da sicher noch anfälliger als Erwachsene", glauben die Lehrer. Im Sommer könne man auf der Südseite nur bei offenem Fenster unterrichten, sagt Neumann. "Und wir erleben es jetzt schon auf der Nordseite: Wenn ein Zug vorbeifährt, geht im Klassenzimmer gar nichts mehr."

 

Als "Pamphlet" bezeichnete Bürgermeister Gerber gestern auf Anfrage der SZ den Infobrief der Eltern. Darin würden "bewusste Falschinformationen" verbreitet. Schon in 250 Metern Entfernung vom BZM werde der Grenzwert von 57 Dezibel unterschritten: "Von der Straße geht keine Beeinträchtigung für die Schule aus." Ein Tunnel hingegen würde nur 160 Meter entfernt verlaufen: "Und da kämen jeden Tag 20 000 Autos raus."

 

(Stand: 31.03.2003 23:30)