29.03.2003 05:56 |
Die Natur holt sich das Paradies selbst zurück |
Vorbildliche
Renaturierung der Brunnisach beim Lettenhof
zwischen Efrizweiler und Riedheim - Bald Heimat bedrohter Tiere und Pflanzen |
|
Markdorf |
Braune Ödnis,
offene Erdkrume, kaum ein Grashalm. Mitten drin: Betonmasten für eine
Hochspannungsleitung. Willkommen im Paradies. Für so manchen Spaziergänger, der
am "Lettenhof" zwischen Efrizweiler und Riedheim vorbeikommt, ist es
schwer vorstellbar, dass hier so etwas wie eine grüne Vorzeige-Oase entsteht.
"Die spinnen", sagen etliche Bauern der Gegend, erzählt
Lettenhof-Besitzer Rudolf Moser. Der Retter des denkmalgeschützten Anwesens aus
dem 17. Jahrhundert lächelt dann gütig und weiß, dass er es besser weiß. Denn
wer genau hinschaut und seiner Vorstellungskraft freien Lauf lässt, der ahnt,
dass hier Wunderbares entsteht. Ein Flecken Natur, an dem sich der Mensch in
ein paar Jahren labt und sich wundert über so viel Idylle und Schönheit.
Die Renaturierung der Brunnisach beim Lettenhof ist eine Ausgleichsmaßnahme für
den zweiten Zeppelin-Ankerplatz beim Flughafen, bei dessen Bau Erlen-Sumpfwald
zerstört werden musste, und für einen Parkplatzbau bei der neuen Messe.
Schnurgerade floss 100 Jahre lang
das Wasser der Brunnisach am Bahndamm beim Lettenhof
dem Bodensee entgegen. Das ist nun vorbei. Nun schlängelt sich der Bach auf
einer Länge von 530 Metern durch das neu modellierte Feuchtgebiet. "Die
Bachsole wurde um 20 Zentimeter angehoben, vom Gelände wurden 40 Zentimeter
Humus abgetragen", erklärt Bertrand Schmidt vom Friedrichshafener
Umweltamt bei einer Ortsbesichtigung. Zusammen mit Dieter Hornung (Erster
Bürgermeister der Stadt Friedrichshafen), Hans-Peter Kaldenbach
(Geschäftsführer der Luftschiffbau Zeppelin GmbH) und Josef Osterried
(Stadtbaumeister) erläutert er das Gesamtkonzept des Vorzeige-Projekts.
Die Brunnisach
kann ihren Verlauf selber dynamisch entwickeln. Die Altarme mit Bäumen und
Sträuchern wurden großteils erhalten, neu hinzugekommen sind einige Mulden und
Tümpel. Ein paar Baum- und Sträuchergruppen werden noch gepflanzt werden. Fürs
"Grobe" ist der Mensch zuständig, die Feinheiten wird die Natur
selbst regeln. Das spart außerdem Kosten. "Die Natur schickt keine
Rechnung", weiß Diplom-Biologe Bertrand Schmidt. Von 184000 Euro
Gesamtkosten tagen 115000 Euro die Firma Luftschiffbau Zeppelin und 69000 Euro
die Stadt Friedrichshafen, die 70 Prozent davon vom Land bezuschusst bekommt.
Dass die Renaturierung überhaupt möglich wurde, ist nicht zuletzt dem
Lettenhof-Besitzer Rudolf Moser zu verdanken. Er stellte kostenlos einen großen
Teil des Geländes zur Verfügung. Auch die Stadt Markdorf gab Grund her.
"Dies hier ist mehr als ein
Ausgleich für das, was an anderer Stelle verloren ging", bewertet Erster
Bürgermeister Dieter Hornung die Brunnisach-Renaturierung.
Auch die Situation bei Hochwasser habe sich verbessert, so der Chef des
Eigenbetriebs Stadtentwässerung, Josef Osterried. In der Talaue
wurde ein Hochwasserrückhaltevolumen von 13000 Kubikmeter erreicht. "Das
mindert die Überschwemmungsgefahr für Anlieger weiter unten", so
Osterried. In den nächsten Tagen werden die Strommasten entfernt und die Kabel
unterirdisch geführt.
Was heute wüst und leer ausschaut
und von Fachleuten "Pionierfläche" genannt wird, wird bald vor Leben
platzen. "Die Natur wird das Terrain schnell erobern, es werden sich
Feuchtgebüsche und Erlensumpfwald entwickeln", ist sich Schmidt sicher,
"dies hier ist eine echte Chance für gefährdete Tier- und
Pflanzenarten".
Am Ende ist also alles gut. Nicht
ganz, denn eine große dunkle Wolke ist am Horizont schon sichtbar. Wieder
einmal kein Naturereignis, sondern von Menschenhand herbeigeführt: Unmittelbar
am künftigen Mini-Paradies könnte bald eine vielbefahrene
Straße verlaufen: In den Planungen ist ein Korridor für die L207 neu entlang
der Bahntrasse freigehalten.
Andreas Ambrosius