Heilung für das kranke Herz Bermatingens oder Büchse der Pandora?

 

Informative Veranstaltung der Bürgerinitiative zum Thema Ortsumfahrung - "Informationspolitik ist unzureichend"

 

 

Bermatingen (sam) Das Nebenzimmer der Pizzeria La Stella an der Landesstraße 205 mitten durch Bermatingen war als Schauplatz der zweiten Veranstaltung gut gewählt. Die "Bürgerinitiative für ein besseres Verkehrskonzept" lud zur Information und Diskussion zum Thema Ortsumfahrung und über 40 Interessierte kamen. "Das rege Interesse freut uns und wir hoffen auf einen offenen Meinungsaustausch", führte Jürgen Tittel ein. Seit zwei Jahren laufe eine Anfrage bei der Gemeindeverwaltung, die bis dato unbeantwortet geblieben sei: "Diese Informationspolitik ist unzureichend angesichts des bedeutenden Themas", bedauerte er.

Wolfgang Jürgensmeyer stellte in einem Sachreferat die geplanten und bereits umgesetzten Ortsumfahrungen der Region vor. Daraus zeichne sich ein deutliches Bild einer leistungsfähigen Trasse für den Fernverkehr ab, schlussfolgerte er. Eine solche "Hinterlandstrasse durch die Hintertüre" ergäbe jedoch für die Gemeinde Bermatingen mit dem Ortsteil Ahausen nicht die gewünschte Minder-, sondern eine deutliche Mehrbelastung.

Betroffenheit unter den Teilnehmern löste die eindrucksvolle Bild- und Tondemonstration der Auswirkungen der geplanten Ortsumfahrung aus. Jedoch wurde bemängelt, dass die Fotomontagen und Geräuschsimulationen "den Zustand in der Prärie", jedoch nicht die inakzeptable Situation im Ortskern dargestellt hätten. In 25 Jahren, so ein Besucher, habe der Verkehr um 300 Prozent zugenommen. Um einen endgültigen Kollaps zu verhindern, müsse eine Ortsumfahrung als einzige Alternative gebaut werden. Durch die erwartete Reduzierung des Durchfahrtsverkehrs von 11000 auf 5000 Fahrzeuge täglich lasse sich lediglich ein kaum wahrnehmbarer Lärmrückgang von 61 auf 57 Dezibel bewirken, entgegnete Jürgensmeyer. Um einen nachhaltigen Lärmeffekt zu erzielen, müsste der Verkehrsstrom auf 100 Fahrzeuge reduziert werden: "Das ist so. Ich kann an den physikalischen Zusammenhängen auch nichts ändern". Lediglich eine Verlagerung der Verkehrsbelastung befürchtete eine Diskussionsteilnehmerin: "Und wo bleibt dann meine Umfahrung?"

Eine leistungsfähige Hinterlandstrasse sei bereits verwirklicht, wurde weiter eingeworfen: "Und zwar mitten durch das Herz Bermatingens. Das gibt es so sonst nirgends". Eine ständig steigende Belastung aus wachsender Bevölkerungszahl und entstehenden Gewerbegebieten aus dem Salemer Becken rolle auf Bermatingen zu. Wenn jetzt keine kleinräumige Umfahrung verwirklicht werde, dann verliere eine Dorfentwicklung jede vernünftige Perspektive: "Dann geht Bermatingen den Bach hinunter." Vier Straßenzüge" die L 204 durch das Deggenhausertal, die jetzige Ortsdurchfahrt L 205, die Strecke Mühlhofen Ahausen Ittendorf und die Seestraße seien ausreichend, den tendenziell zurückgehenden Gesamtverkehr zu schultern, glaubt Jürgensmeyer: "Wir brauchen keine fünfte Linie". In Ahausen werde sich der Verkehr mit Ortsumfahrung nach offiziellen Prognosen verdreifachen, ohne Ortsumfahrung verdoppeln.

Auch Edmund Mahler von der Bürgerinitiative räumte auf die Forderung, dass der Salemer Verkehr abgenommen werden müsse, ein, an einer kleinen Umfahrung wohl nicht vorbeizukommen, doch müsse man einen Fernstraßencharakter unter allen Umständen verhindern. Hier seien jedoch keinerlei Initiativen erkennbar. Auch Lösungen zur Geschwindigkeitsminderung über Zebrastreifen oder Ampeln stießen in der Runde auf Kritik: "Jeder kann heute schon sehen, was bei einer kleinen Störung im Ortskern los ist." Unbeantwortet blieb die Frage, warum eine als "kleine Ortsumfahrung" deklarierte Strecke einen 20-Meterschutzstreifen benötige. Kritisiert wurde zudem, dass vor der qualifizierten Beurteilung des Nutzens einer Umfahrung ein Konzept zur Dorfentwicklung stehen müsse. Unverzichtbar sei, so Jürgensmeyer, dass die Ortsdurchfahrt im Falle einer Umfahrung von der Landstraße zur Gemeindestraße herunterqualifiziert werde, forderte er.

"Keiner will die Hinterlandstrasse", soweit sei man sich einig, fasste Diskussionsleiter Jochen Jehle das Ergebnis des Abends zusammen. "Das Kommen hat sich gelohnt, es war spannend und konstruktiv".