Ministerpräsident Kretschmann und Verkehrsminister
Hermann: Sanierung und Erhalt der Straßen geht vor Neubau – knappe Mittel
effizient einsetzen
17.01.2012Sanierung
und Erhalt der Straßen im Südwesten haben für die Landesregierung oberste
Priorität. „Der Südwesten verfügt über ein weit gefächertes Straßennetz, das
für Baden-Württemberg als Land mit viel Transitverkehr und als dynamischen
Wirtschaftsstandort mit vielen innovativen Betrieben auch in ländlichen
Gebieten notwendig ist. Da der Zustand vieler Straßen schlecht ist, müssen wir
uns angesichts knapper Haushaltsmittel auf die Sanierung und den Erhalt
konzentrieren“, sagten Ministerpräsident Winfried Kretschmann und der Minister
für Verkehr und Infrastruktur, Winfried Hermann, am Dienstag (17. Januar 2012)
in Stuttgart. Die Straßen zwischen Main und Bodensee seien hoch belastet. Die
Jahresfahrleistung sei auf allen Straßen im Land von 75,5 Millionen Kilometer
im Jahr 1990 auf 93 Millionen Kilometer im Jahr 2009 gestiegen.
„Die neue Landesregierung hat bei einem Kassensturz im Straßenbau eine gravierende
Unterfinanzierung bei den Bundesfernstraßen und bei den Landesstraßen
festgestellt. Schäden an der Substanz erfordern bei vielen Autobahnen vermehrt
grundlegende und kostenintensive Erhaltungsarbeiten. Rund ein Drittel der
Gesamtfläche der 1.965 Autobahnbrücken ist in einem nicht ausreichenden oder
ungenügenden Zustand“, stellte Minister Hermann fest.
Bundesfernstraßen
Das gelte auch für etwa sechs Prozent der Fläche bei den 3.890 Brücken an
Bundesstraßen. Für alle Erhaltungsaufgaben an den Bundesfernstraßen seien von
2014 an 350 Millionen Euro pro Jahr erforderlich. „Für 2012 sind 286 Millionen
Euro im Bundeshaushalt eingestellt. Wir werden beim Bund in den nächsten Jahren
die erforderlichen Erhaltungsmittel einfordern“, unterstrichen der Regierungschef
und der Minister. „Ich werde auch in der Verkehrsminister-konferenz
als Mitglied der Kommission für die Finanzierung der Verkehrs-infrastruktur
vom Bund eine bessere finanzielle Grundausstattung fordern“, fügte Minister
Hermann hinzu.
Bei den Bundesfernstraßen seien derzeit Maßnahmen mit einem Volumen von 900
Millionen Euro im Bau, erklärte Hermann. Zusammen mit dem Finanzbedarf der
übrigen Vorhaben im vordringlichen Bedarf von 3,7 Milliarden Euro ergäbe sich
ein Gesamtbedarf von 4,6 Milliarden Euro. Die Restfinanzierung aller Vorhaben
im vordringlichen Bedarf würde mit den vorläufigen Haushaltsansätzen von
durchschnittlich 120 Millionen Euro pro Jahr rund 38 Jahre dauern. Damit würde
allein die Restfinanzierung der laufenden Bedarfsplanmaßnahmen acht Jahre in
Anspruch nehmen.
Allerdings lagen vor allem wegen der Konjunkturprogramme die tatsächlichen
Investitionen in den letzten zehn Jahren bei durchschnittlich 230 Millionen
Euro pro Jahr und in den letzten fünf Jahren bei durchschnittlich 285 Millionen
Euro pro Jahr. Wie viel zusätzliches Geld über den Etatansatz von 120 Millionen
Euro pro Jahr hinaus bereit gestellt wird, kann aber nicht verlässlich im
Voraus gesagt werden. So wurden etwa 2011 insgesamt 282 Millionen Euro aus
Haushaltsansatz (131 Mio. Euro), aus Mitteln des Konjunkturprogramms II (52,5
Mio. Euro), aus erhaltenem Mittelausgleich (70 Mio. Euro) und aus der
Umschichtung von Erhaltungsmitteln (28,5 Mio. Euro) in Bedarfsplanmaßnahmen
investiert. Selbst unter diesen günstigen Bedingungen ergibt sich eine
Restfinanzierungsdauer allein der laufenden Bedarfsplanmaßnahmen von drei bis
vier Jahren.
Kretschmann und Hermann forderten: „Für die sich daran anschließenden 20 neuen
Bundesfernstraßenprojekte ist daher dringend eine Priorisierung
erforderlich. Diese werden wir im laufenden Jahr 2012 vorlegen.“
Landesstraßen
Insgesamt 1.600 der rund 9.400 Kilometer Landesstraßen seien in sehr schlechtem
Zustand, so der Verkehrsminister. Rund acht Prozent der Gesamtfläche der 3.150
Brücken in der Baulast des Landes befänden sich in einem nicht ausreichenden
oder ungenügenden Zustand. „Jährlich bräuchten wir 80 Millionen Euro, um den
Status Quo zu erhalten und 100 Millionen Euro, um den Zustand zu verbessern.
Von 2014 an sind weitere 40 Millionen Euro pro Jahr für die Ertüchtigung der
Brücken erforderlich“, erklärte Hermann. Im Entwurf des Staatshaushaltsplans
2012 seien zwar 100 Millionen Euro für die Sanierung der Landesstraßen
vorgesehen. Bis 2014 müssten davon zunächst jedoch noch die Mittel des
Landesinvestitionsprogramms der vergangenen Jahre in Höhe von 23,3 Millionen
pro Jahr refinanziert werden. Denn die frühere Landesregierung hat mit dem
Programm bereits künftiges Geld ausgegeben.
„Damit ist klar, dass in den kommenden Jahren die Finanzierung des Straßenbaus
eine gewaltige Herausforderung darstellt, zumal die Finanzlage je nach
Entwicklung der Konjunktur eher schwieriger wird. Zudem muss Baden-Württemberg
wie alle anderen Länder auch von 2019 an die Schuldenbremse einhalten und darf keine
neuen Kredite mehr aufnehmen. Straßenbau auf Pump kann es in Zukunft nicht mehr
geben“, unterstrichen Ministerpräsident Kretschmann und Minister Hermann.
Sie kündigten an, das Land wolle wegen der Mittelknappheit auch bei Sanierung,
Neu- und Ausbau der Landesstraßen neue Wege gehen. „Die Verbreiterung der
Straßen sowie die möglichst gerade Trassenführung mit dem Ziel höherer
Geschwindigkeiten kann nicht länger das Maß aller Dinge sein. Es kann im
Einzelfall besser sein, eine Straße auf einer bestehenden Trasse solide zu
sanieren, als den viel zu teuren Ausbau auf den Sankt-Nimmerleins-Tag zu
verschieben“, betonte Minister Hermann. Die bisher gängige Praxis,
Erhaltungsmittel für den Neu- und Ausbau zu verwenden, muss beendet werden.
Derzeit seien 69 Maßnahmen des Aus- und Neubaus von Landesstraßen mit einem
Volumen von 167 Millionen Euro in Arbeit. Neubeginne sind nach den Worten von
Minister Hermann im Landesstraßenbau kaum vor 2015 möglich. Der
Generalverkehrsplan 2010 enthalte 750 Maßnahmen im Umfang von 2,4 Milliarden
Euro. Dem stünden lediglich jährliche Ausgaben von 37,7 Millionen Euro in der
Mittelfristigen Finanzplanung gegenüber, so der Verkehrsminister.
Kommunaler Straßenbau
Auch im kommunalen Straßenbau klafft eine große Lücke zwischen den Anträgen der
Kreise, Städte und Gemeinden im Umfang von rund 800 Millionen Euro und den bis
2019 für die Landesförderung zur Verfügung stehenden Mitteln von etwa 566
Millionen Euro.
Anlage
Finanzierung Straßenbau in Baden-Württemberg
Quelle: Ministerium
für Verkehr und Infrastruktur Baden-Württemberg
http://www.mvi.baden-wuerttemberg.de/servlet/is/105808/