Regierungspräsidium Tübingen

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72072 Tübingen

 

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Freiburg, 14. März 2007

Rechtsanwalt Wurster

Sekretariat Frau Klausmann

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unser AZ: 01/01499-WUR/kla

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Planfeststellung B 31 Neu zwischen Immenstaad und Friedrichshafen

h i e r: Planänderung

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

wir zeigen an, dass wir die von uns vertretenen Einwender sowie insbesondere den Verein Pro Kluftern e.V. weiterhin vertreten. Die bisher erhobenen Einwendungen vom Juli 2003 bleiben in vollem Umfang aufrecht erhalten. Zu den Planänderungen sowie den offen gelegten geänderten Unterlagen erheben wir namens und im Auftrag unserer Mandanten folgende

 

E i n w e n d u n g e n:

 

1.         Verkehrliche Fragen

 

1.1       Zum Planungsziel

 

In unserer allgemeinen Stellungnahme vom Juli 2003 haben wir uns kritisch zur Verkehrs- und Netzfunktion der geplanten B 31 neu auf der Grundlage der damals ausliegenden Pläne geäußert. Einer der zentralen Einwände gegen die Maßnahme sowie die ausliegenden Unterlagen ging dahin, dass der Lösungsan-


satz des Planungsfalls 7.5 der raumordnerischen Beurteilung des RP Tübingen der Verkehrsfunktion der B 31 nicht mehr gerecht wird. Die früher im Bodenseeraum verfolgte Zielsetzung, der Aufteilung des Verkehrs auf eine seenahe und eine Hinterlandtrasse, wurde aufgegeben. Damit ist die ursprünglich geplante „Bodenseeautobahn“ wieder auf die Tagesordnung gekommen. Diese Einwendung hat heute mehr denn je Gültigkeit:

 

Der in der Raumordnung untersuchte Planungsfall 7.5 ist durch die Fortschreibung des Bundesverkehrswegeplans 2004 der Realisierung ein Stück näher gekommen. In Abkehr von früheren Planungen verfolgt der Bedarfsplan eine grundlegend neue Bündelung der Verkehrsbeziehungen im mittleren Bodenseeraum, der dem Planungsfall 7.5 der raumordnerischen Untersuchung entspricht. Während die B 31 von Stockach bis Überlingen noch 3-streifig ausgebaut wird, enthält der Bedarfsplan 2004 ab der Umfahrung Überlingen den 4-spurigen Ausbau der B 31 neu durchgehend über Uhldingen, Meersburg, Hagnau, Immenstaad bis Friedrichshafen. In Friedrichshafen erfolgt die Verknüpfung mit der B 30 nach Ulm.

 

Die wesentliche Änderung gegenüber dem früheren Bedarfsplan liegt in der Konzentration des 4-spurigen Ausbaus der B 31/B 30 von Überlingen bis Ravensburg. Die frühere Planung eines Anschlusses der bodenseenahen Trasse der B 31 an die A 96 nördlich von Lindau wird nicht mehr weiterverfolgt. Die zentrale Verkehrsverbindung soll künftig die B 31/B 30 von Überlingen über Friedrichshafen nach Ravensburg darstellen. Im Zuge der Konzentration des Verkehrs auf diese Verbindung wird gleichzeitig der Ausbau der B 33 ad acta gelegt. Künftig soll mit Ausnahme des kurzen 3-spurigen Teilstücks zwischen Stockach und Überlingen die Bodenseeautobahn vom Autobahnkreuz Hegau bis nach Ravensburg Wirklichkeit werden. Wird dann die Lücke im 4-spurigen Netz zwischen Bad Waldsee und Biberach im Zuge der B 30 geschlossen, so wird es eine leistungsfähige und attraktive 4-spurige Verbindung von der A 81 im Hegau über Friedrichshafen, Biberach nach Ulm mit weiterführendem Anschluss an die A 7 und an die A 8 geben.

 

Schon in unserer Stellungnahme vom 07.07.2003 haben wir ausführlich zur künftigen Netzfunktion der B 31 im Planungsfall 7.5 Stellung genommen. War die B 31 im Bodenseeraum zur Bewältigung des regionalen Verkehrs und der seenahen Erschließung gedacht, so erhält sie nun eine grundlegend andere Funktion: Sie dient jetzt dem Lückenschluss im Autobahnnetz zwischen der A 81/A 98 Stuttgart – Singen – Stockach und der A 7/A 96 Ulm – Memmingen bzw. München – Lindau. Dieser Lückenschluss hat darüber hinaus eine weitergehende Funktion: Im Süden ersetzt die B 31 die geplante A 98 Basel – Bodensee – München („Verbindung Bordeaux nach Istanbul“). Die Realisierung dieses Lückenschlusses wird erhebliche Auswirkungen haben und Verkehrsverlagerungen nach sich ziehen. Künftig führt eine attraktive Verbindung vom Rheintal bis nach München. Auf dieser Achse hat in den letzten Jahren – auch durch die Einführung der LKW-Maut – der Schwerverkehrsanteil erheblich zugenommen. Mit weiteren Ausbaufortschritten wird diese Verbindung auch für LKW zunehmend attraktiver. Der jetzt laut Erläuterungsbericht noch geringe Fernverkehrsanteil auf der B 31 wird drastisch zunehmen. Dies führt nicht zu einer geänderten Beurteilung der Lärmwirkungen des Vorhabens. Es ist auch nicht annähernd erkennbar, wie die künftig zu erwartende Verkehrsmenge – mit deutlich höherem Schwerverkehrsanteil – den Anforderungen der Luftreinhaltung genügen soll. Es ist ebenso unverständlich, dass maßgebliche Stimmen in der Raumschaft wie der Regierungspräsident, Bundes- und Landtagsabgeordnete und auch Kommunalpolitiker von einer „Umfahrung Friedrichshafen“ sprechen können. Friedrichshafen wird durch die jetzt verfolgte Planung nicht umfahren, sondern der gesamte Verkehr aus der Raumschaft soll gebündelt und konzentriert auf der B 31 und der B 30 künftig die Stadt durchqueren. Im Hinblick auf die Lärm- und Schadstoffbelastungen, die daraus resultieren, kann diese Planung nicht als Entlastung, sondern nur als Katastrophe für die Stadt bezeichnet werden.

 

1.2       Anschluss Kluftern

 

Für die Planung einer B 31 neu im Bodenseeraum scheint die Anschlussstelle Kluftern die zentrale Schnittstelle zu sein. Die Verkehrsprognose von Modus Consult 2006 prognostiziert für den Abschnitt Immenstaad bis zum Anschluss Kluftern auf der B 31 neu eine Belastung von 31.200 Fahrzeugen am Tag. Östlich der Anschlussstelle erhöht sich die prognostizierte Verkehrsmenge um 15.000 Kfz/24 Stunden auf 46.000 Bewegungen. An der Anschlussstelle Schnetzenhausen erfährt die B 31 (vor allem durch lokalen Verkehr) im Planungsfall 2020 einen weiteren Zuwachs von 9.000 Fahrzeugen. Mithin erreicht die B 31 neu an der Anschlussstelle Colsman-Straße ihre Belastungsspitze von 55.000 Kfz/24 Stunden. Die Verkehrszunahme ab der Anschlussstelle Kluftern zeigt die Bedeutung der Anschlüsse. Diese wird jedoch nur dann Realität, wenn die Südumfahrung Markdorf und die Umfahrung Kluftern im Zuge des Ausbaus der K 7743 neu Realität wird. Schon in unserer Stellungnahme vom Juli 2003 haben wir dargelegt, dass diese Planung zum Scheitern verurteilt ist. An dieser Beurteilung hat sich nichts geändert. Der Neubau einer Landesstraße kann nicht als Kreisstraße festgestellt werden. Darüber hinaus drängt sich die Alternative des Ausbaus der K 7742 (Müllstraße) auf. Diesen Einwendungen ist nichts hinzuzufügen.

 

1.3       Prüfung Vierspurigkeit

 

Ohne die Anschlussstelle Kluftern stellt sich die Frage nach der Notwendigkeit des 4-spurigen Ausbaus. In der Tat sieht der Bedarfsplan den 4-spurigen Ausbau der B 31 neu von Überlingen bis Friedrichshafen vor. Diese gesetzliche Vorgabe gilt jedoch nur für die Bedarfsfestlegung (Planrechtfertigung). Im Planfeststellungsverfahren ist sie nicht verbindlich für die Abwägung mit entgegenstehenden Belangen. Dazu gehören hier vor allem der Eingriff in Natur und Landschaft, in geschützte Biotope, die verheerenden Folgen des 4-spurigen Ausbaus für die Entwicklung des Bodenseeraums u. a. auch für die Betroffenheit der Stadt Friedrichshafen in erheblichen Belangen, insbesondere hinsichtlich des Immissionsschutzes (Luftreinhaltung und Lärmschutz). Vor diesem Hintergrund stellt sich im Planfeststellungsverfahren die sorgfältige Prüfung des Verzichts auf den 4-spurigen Ausbau und stattdessen auf eine wesentlich umweltschonendere Verbindung zwischen Überlingen und Friedrichshafen im Bodenseeraum, bei dem die Eingriffsintensität in jeder Beziehung erheblich reduziert werden kann.

 

Dass Autobahnquerschnitte und der 4-spurige Ausbau der B 31 nicht erforderlich sind, um die künftig zu erwartenden Verkehrsmengen zu bewältigen, zeigt der Ausbau der Fernverkehrsverbindung zwischen dem Autobahnkreuz Hegau und Überlingen bzw. Meersburg. Die realen Verkehrsverhältnisse auf dem Abschnitt Singen bis Stockach der A 98 zeigen den überdimensionierten Ausbau, der trotz erheblicher Verkehrszuwächse nach wie vor nicht ausgelastet ist. Im Abschnitt zwischen Stockach und Überlingen ist der dort durchgeführte 3-spurige Ausbau der B 31 (unter Verzicht auf den geplanten ursprünglich 4-spurigen Ausbau) ausreichend. Der 3-spurige Ausbau erlaubt einen zügigen Verkehrsfluss und entspricht durchaus einer umweltgerechten Trassierung in einem hoch empfindlichen Raum. Die Analysebelastung betrug nach dem Gutachten von Modus Consult ca. 18.000 Fahrzeuge auf der B 31 im Zuge der Umfahrung von Meersburg. In ähnlichen Größenordnungen dürfte sich das Verkehrsaufkommen auf der Umfahrung Überlingen im Zuge der B 31 bewegen. Auch im weiteren Verlauf der B 31 bis Immenstaad liegt die Analysebelastung unter 20.000 Fahrzeugen (Modus Consult 2005, Plan 3). Erst östlich von Immenstaad wächst das Verkehrsaufkommen zwischen Immenstaad und Fischbach bis Friedrichshafen auf über 20.000 Fahrzeuge.

 

Ausgehend vom Ist-Verkehr ist ein 2 bzw. 3-spuriger Ausbau durchaus ausreichend. Dies gilt gleichermaßen auch für eine Umfahrung Friedrichshafen im Zuge der B 31. Wird vernünftigerweise auf das katastrophale Bündelungsprinzip aller Verkehre bodenseenah durch Friedrichshafen verzichtet, so erweist sich auch hier ein 2- bzw. 3-spuriger Ausbau als ausreichend.

 

1.4       Netzverknüpfung

 

Die Verknüpfung der geplanten B 31 mit dem nachgeordneten Netz ist nach wie vor völlig unzulänglich. Auf sehr kurzer Strecke sind vier Anschlussstellen vorgesehen, die die verkehrlichen Probleme jedoch nicht lösen. Die Hauptbelastung soll nach der Planung die Anschlussstelle Kluftern tragen. Diese löst jedoch keine Probleme des Bodenseenahbereichs oder der Gemarkung Friedrichshafen. Die extreme Belastung des Knotens resultiert aus dem Ausbau der L 205 Bermatingen - Markdorf und vor allem der Südumfahrung Markdorf, die zu einer erheblichen Verkehrsbelastung auf der geplanten Trasse der K 7743 in Kluftern führt. Damit sollen auf Kosten der Bürger Klufterns und letztlich der Bürger Friedrichhafens die Probleme von Markdorf gelöst werden. Zumindest die Bürger Klufterns haben dies bereits erkannt, die Kommunalpolitik im Rathaus in Friedrichshafen noch nicht.

 

Der Gipfel der planerischen Unvernunft ist die Anschlussstelle Schnetzenhausen. Diese hat allein eine Verknüpfung nach Süden. Eine Anbindung nach Norden fehlt. Der Verkehr der K 7742 muss auch künftig die Ortsdurchfahrt von Schnetzenhausen durchfahren, um auf die B 31 zu kommen. Die unzulängliche Anbindung wird ferner dazu führen, dass ein erheblicher Teil des Verkehrs, der nach Westen orientiert ist, die Anschlussstelle Kluftern benutzen wird. Dies führt nicht nur zu zusätzlichen Belastungen in Spaltenstein und in Manzell, sondern auch in Schnetzenhausen. Nicht zuletzt deshalb plant die Kommunalpolitik eine Westumfahrung Schnetzenhausen. Noch eine weitere Straße in diesem hoch belasteten Raum, weil planerische Unvernunft der Gigantomanie den Vorrang vor vernünftigen und verhältnismäßigen Lösungen gibt.

 

Die mehrjährige Diskussion um die Netzverknüpfung der geplanten B 31 neu seit der ersten Offenlage im Jahr 2003 hat gezeigt, dass ein Verzicht auf die Anschlussstelle Kluftern und stattdessen ein Vollanschluss nördlich von Schnetzenhausen mit Anbindung an die K 7742 die beste Lösung und vor allem die Lösung mit den geringsten Eingriffen darstellt. Dies ist auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten ein hoch interessanter Vorschlag, weil hier erhebliche Kosten eingespart werden können.

 

Modus Consult hat im Auftrag des Regierungspräsidiums in seiner Stellungnahme „Anschlussvarianten“ vom 30.03.2006 einen Vorschlag untersucht, in dem auf den Neubau der L 205/L 207 verzichtet und stattdessen die K 7742 nördlich von Schnetzenhausen mit der B 31 verknüpft wird. Diese Variante wird in einer Stellungnahme zu den Anschlussvarianten vom Referat 44 des Regierungspräsidiums negativ bewertet. Tatsächlich vermögen diese Argumente nicht zu überzeugen. So übersieht das Referat 44 in seiner Stellungnahme, dass nach wie vor hohe Entlastungswirkungen vor allem auf der B 31 alt aber auch auf der B 33 auftreten. Wie sich aus Plan 29 der Diskussion der Anschlussvarianten von Modus Consult ergibt, nimmt der Verkehr auf der L 205/L 207 ab. Die Begründung des Regierungspräsidiums die K 7742 sei nicht verkehrssicher, wird durch ständiges Wiederholen nicht überzeugender. Im Auftrag von Pro Kluftern hat Prof. Lauffer bereits nachgewiesen, dass ein leistungsfähiger Ausbau mit einem Anschluss an die B 31 möglich ist.

 

Das entscheidende Argument gegen die Diskussion von Verknüpfungsvarianten bzw. Anschlüssen ergibt sich allerdings daraus, dass der Planung die Bündelung der Verkehre auf der B 31 neu zu Grunde liegt. Dies setzt den Straßenneubau (Umfahrung Markdorf, Umfahrung Kluftern) voraus, um den Verkehr auf die seenahe B 31 zu bringen. Dass dieses Konzept abwegig ist, liegt vor allem für die Verkehre auf der Hand, die gerade nicht auf Friedrichshafen oder den seenahen Bereich, sondern auf das Hinterland (Ravensburg) orientiert sind.


 

1.5       Zwangspunkt

 

Schon in den Einwendungen des Jahres 2003 wurde nachdrücklich darauf hingewiesen, dass mit der Anschlussstelle Kluftern ein Zwangspunkt für den Neubau der bahnparallelen Trasse und der Umfahrung Markdorf festgelegt wird. Daran hat sich auch mit der Neuplanung nichts geändert. Aus den in der Stellungnahme vom Juli 2003 unter Ziff. 5 dargelegten Gründen halten wir diese Planung nach wie vor für völlig verfehlt. Wir machen unsere damalige Stellungnahme erneut zum Gegenstand unseres Vorbringens.

 

1.6       Zusammenfassung

 

Auch in Gestalt der Änderungsplanung verstößt die vorgelegte Planung gegen elementare Grundregeln des geltenden Planungsrechts. Das in den Bundesverkehrswegeplan übernommene Konzept der Raumordnungsvariante 7.5 muss einmal hinsichtlich seiner elementaren Prinzipien auf den Prüfstand. Dies gilt zum einen hinsichtlich des angestrebten Bündelungsprinzips der Verkehre auf eine Trasse, die bodenseenah und mitten durch die Stadt Friedrichshafen führt. Vor diesem Hintergrund ist die Dimensionierung der Trasse nochmals zu überprüfen: Es steht zu befürchten, dass der geplante 4-streifige Querschnitt zu Verkehrsmengen führt, die nicht nur die Trasse, sondern vor allem die betroffenen Orts- und Stadtteile hoffnungslos überlasten. Bei den aus Modus Consult zu entnehmenden Verkehrsmengen bleibt ohnehin die Frage, ob hier die Verlagerungswirkung nicht längst ihre Grenzen erreicht und mit erheblichen Teilrückverlagerungen zu rechnen ist. Aufgabe der Straßenplanung im Raum Friedrichshafen sollte es sein, die vorhandenen Probleme mit verhältnismäßigen Maßnahmen zu lösen und nicht Probleme durch überdimensionierten Straßenbau erst zu schaffen, die mit den herkömmlichen Mitteln nicht zu bewältigen ist.


2.         Umweltaspekte

 

2.1       Luftschadstoffe

 

            2.1.1 Im überarbeiteten Erläuterungsbericht wird die Luftschadstoffproblematik auf S. 82 f unter Ziff. 5.2 behandelt. Danach wurde die Schadstoffproblematik in einer „lufthygienischen Untersuchung für das Planfeststellungsverfahren“ von Lahmeyer international im Oktober 2002 mit einer Fortschreibung vom November 2005 abgehandelt. Dieses Gutachten findet sich weder in den alten noch in den überarbeiteten Planunterlagen. Als Grenz- und Prüfwerte für Stickstoffdioxid, Benzol und Feinstaub wurden die Grenzwerte der 22. BImSchV zu Grunde gelegt. Diese würden durch die vorliegende Planung nicht überschritten. Die höchste Belastung wurde für die Portalbereiche des Tunnels Waggershausen ermittelt. Aber auch hier soll der Grenzwert für Stickstoffdioxid von 40 mg/m2 im Jahresmittel eingehalten werden.

 

Nach dem Erläuterungsbericht werden ebenso die Jahresgrenzwerte für Stickoxide, Benzol und Feinstaub nicht erreicht. Der Erläuterungsbericht verweist ergänzend auf die Ergänzungen der Umweltverträglichkeitsstudie von Stocks vom Dezember 2006 (Unterlage 1aA S. 20, dort Modul 3a).

 

Im Abschnitt 5.7 des Erläuterungsberichts finden sich Aussagen zur geplanten späteren Fortsetzung der Planung östlich der Anschlussstelle Colsman-Straße bis zur Anschlussstelle Löwental legt das Verkehrsgutachten für das Prognosejahr 2020 eine Verkehrsmenge von 54.600 Kfz/24 Stunden zu Grunde. Gleichwohl werden nach den Aussagen im Erläuterungsbericht weder Lärmgrenzwerte nennenswert noch die Luftschadstoffe überschritten (s. 5.7.5, S. 105).

 

Die Stellungnahme und Fortschreibung der lufthygienischen Untersuchung von Lahmeyer wirft folgende Fragestellungen auf:

 

 

            2.1.2 Die Fortschreibung der lufthygienischen Untersuchungen berücksichtigt den veränderten Prognosehorizont 2020 sowie das Handbuch für Emissionsfaktoren Version 2.1. Auch die MLuS 02 in der Fassung April 2005 sei berücksichtigt. Gleich geblieben sein sollen die Verkehrsszenarien und die meteorologischen Grundlagen. Bei den Emissionsfaktoren soll sich eine Fortschreibung ergeben haben. Allerdings ist nicht klar, welche Emissionen aus sonstigen Quellen in die Berechnung der zu erwartenden Gesamtbelastungen im Jahr 2020 eingeflossen sind. Offen ist, ob ein seit 2002 fortgeschriebenes Emissionskataster und welche Entwicklungen insbesondere im Verkehrsbereich, aber auch im gewerblichen sowie im Bereich des Luftverkehrs mit entsprechenden Emissionsanteilen 2020 berücksichtigt wurden. Die Beurteilung nach der 22. BImSchV fordert auf, die Gesamtbelastung am Immissionsort abzustellen, und nicht nur die Folgen des geplanten Vorhabens zu berücksichtigen. Wegen der Verkehrsszenarien und der Verkehrsmengenwerte wird auf die obigen Ausführungen verwiesen.

 

            2.1.3 Die grundstücksbezogene Betroffenheit durch Luftschadstoffe lässt sich aus den Unterlagen nicht ablesen. Es ist eine Rasterung von max. 200 x 200 m erforderlich, um entsprechende Hot spots ermitteln zu können. Auf S. 4 werden unter Nr. 6 die Bewertungsgrundlagen der Schadstoffimmissionen dargestellt. Die luftgetragene Schadstoffbelastung soll demnach in erster Linie durch den angrenzenden Straßenverkehr verursacht werden. Welche anderen Quellen noch in Betracht kommen, erläutert das Gutachten nicht.

 

            2.1.4 Das Gutachten lässt ferner außer Betracht, dass im Jahr 2010 bei der Komponente Feinstaub ein weit strengerer Wert zu erwarten ist. Dieser noch unter dem Prüfvorbehalt stehende Wert müsste aber bei der Betrachtung der Auswirkungen durch Luftschadstoffe im Prognosehorizont 2020 berücksichtigt werden.

 

            2.1.5 Die lufthygienische Hintergrundbelastung soll unverändert aus den bestehenden Gutachten übernommen worden sein. Ob die Daten noch aktuell sind, insbesondere im Jahr 2005 bestätigt werden konnten, lässt die Stellungnahme offen. Ebenso offen bleibt, ob das Jahr 2004 und die aktuell vorliegenden Messwerte der Messstation Friedrichshafen Ausreißer nach oben oder unten sind. Ein Vergleich zwischen Messung und Berechnung erfolgte nicht. Ob die Messstation Friedrichshafen repräsentativ für den zu prüfenden Bereich ist, ist unklar. Bei den Ergebnissen der Immissionsberechnungen wird auf S. 6 auf Abschätzungen Bezug genommen. Wie man zu diesen Abschätzungen mit ca. + 20% im Außerortsbereich für Stickstoffdioxid kommt, wird nicht begründet. Weshalb die höheren Emissions- und Immissionsbeiträge für Stickoxide NOx im Bereich der Tunnelportale mit überwiegend + 20% „konservativ“ sein sollen, ist nicht nachvollziehbar.

 

            2.1.6 Bei der Fortschreibung der Bewertung für die Ergebnisse für das 2. Teilgebiet Tunnel Waggershausen kommt das Gutachten zum Ergebnis, dass unter Berücksichtigung von Lärmschutzwand und –wall eine Unterschreitung des Grenzwerts für NO2 im Abstand von ca. 20 m für die Aufpunkte 1 und 2 erreicht werden kann. In Tabelle 6 wird eingeräumt, dass es zu Grenzwertüberschreitungen des Jahresmittelwerts im Westportal an den Punkten 1 und 2 kommen wird. Dabei sei bereits eine Lärmschutzwand bzw. ein -wall berücksichtigt. Fakt ist, dass nach Tabelle 6 Grenzwertüberschreitungen zu erwarten sind, die nach der 22. BImSchV unzulässig sind. Damit wäre das Vorhaben nicht genehmigungsfähig. Sollten tatsächlich zusätzliche Abschirmwände und –wälle geplant sein, müssten deren immissionsmindernde Wirkungen berechnet und dargestellt werden. Für den Feinstaub PM10 zeigt Tabelle 9, dass es selbst im Tunnelportalbereich Waggershausen keine Probleme mit dem Jahresmittelwert PM10 oder den Überschreitungshäufigkeiten geben soll. Selbst in unmittelbarer Trassennähe soll das Vorhaben zu keinen unzumutbaren Feinstaubbelastungen führen. Dies ist erstaunlich, da Friedrichshafen 2007 in der Top Ten der Städte mit den meisten Überschreitungen des amtlichen Feinstaubgrenzwerts rangiert.

 

2.2       Artenschutz

 

Im LBP Unterlage 12.0 A (Ergänzung November 2006) und der Untersuchung zu streng geschützten Arten 2006 der Arbeitsgruppe Tierökologie und Planung (im Folgenden: AG TP) (Stand November 2006) werden artenschutzrechtliche Aspekte insbesondere für die streng geschützten Arten behandelt. Das Gutachten von AG TP baut zum Teil auf Erhebungen aus den Jahren 1993 und 2002 auf. Teilweise werden die tierökologischen Daten aus 2002 auf Aktualität geprüft. Beispielsweise für die Fledermausfauna und die Haselmaus erfolgte erstmals 2006 eine Erhebung. Erfasst wurden streng geschützte Arten, die aufgrund von vorliegenden Daten oder/und der betroffenen Biotopstrukturen im Trassenbereich als potentiell möglich erachtet wurden. Besonders geschützte Arten wurden nicht vollständig aufgenommen. Es erfolgte ein Rückgriff auf frühere Erfassungen bestimmter Tierartengruppen, insbesondere der besonders geschützten europäischen Vogelarten. Die AG TP kommt zu dem Ergebnis, dass einige Verbotstatbestände des § 42 BNatSchG berührt sind. Naturschutzrechtliche Befreiungen nach § 62 BNatSchG i.V.m. den europarechtlichen Befreiungsmöglichkeiten seien aber möglich. Maßnahmen, die einen günstigen Erhaltungszustand gewährleisten, seien im LPB dargestellt. Die zeitliche sowie quantitative Komponente wird entsprechend dem Guidance Document der Europäischen Kommission zum Artenschutz berücksichtigt. Der Artenschutz stehe dem Vorhaben und dessen Realisierung nicht entgegen.

 

2.2.1    Untersuchung AG TP

 

Zur Untersuchung der AG TP zu streng geschützten Arten 2006 mit Stand November 2006 ist Folgendes anzumerken:

 

2.2.1.1 Untersuchungsumfang und Untersuchungsgebiet

 

Aufgabenstellung und Rahmenbedingungen werden in dem Gutachten auf Seite 4 und 5 dargestellt. Wie sich bereits aus dem Titel der Untersuchung ergibt, ist eine vollständige Bestandsaufnahme aller besonders geschützten Arten nicht erfolgt, da nicht beauftragt. Allerdings greift der Hinweis in der Fußnote auf Seite 2, eine vollständige Bestandsaufnahme aller besonders geschützten Arten sei mit einem vertretbaren Aufwand nicht möglich, zu kurz. Auch „nur“ besonders geschützte Arten fallen unter die Vorschriften des § 42 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG und sind damit geschützt. Hiervon geht offensichtlich auch AG TP aus (vgl. Fußnote 2 auf Seite 4). Die Unterlagen sind damit unvollständig. Eine Aufarbeitung der Daten aus dem Jahre 1993 und 2002 erfolgte nicht. Nur für einige besonders geschützte europäischen Vogelarten wurden 2006 weitere Untersuchungen durchgeführt. Die Daten aus dem Jahre 2002 sind inzwischen veraltet, was sich auch aus der Aufgabenstellung im Gutachten AG TP auf Seite 4 ergibt.

 

Die Auswahl der streng geschützten Arten basiert auf „vorliegenden Daten“. Welche dies sind, ergibt sich aus dem Gutachten nicht. Für Fledermäuse, die Haselmaus und die Nachtkerzenschwärmer liegt keine Erfassung aus früheren Jahren vor.

 

Gerade bei den Biotopstrukturen ist die Abgrenzung der in den Karten 1 bis 4 dargestellten Bereiche nicht nachvollziehbar. Dies ergibt sich schon daraus, dass teilweise Flächen in den Teilbereichen 10 und 11 untersucht wurden, die bisher nicht Gegenstand von Erhebungen waren. Bei der Berücksichtigung der Biotopstrukturen ergibt sich aus den Karten, dass beispielsweise das Teilgebiet 6, dessen Struktur sich offensichtlich noch weiter nördlich des Untersuchungsgebiets fortsetzt, nicht untersucht wurde. Vergleichbares ergibt sich für den westlichen Teil des Teilgebiets 11, wo die Grenze des Untersuchungsraums mitten in einem Waldbereich endet und diesen durchschneidet.

 

Außerdem stellt sich das Untersuchungsgebiet deshalb als zu klein dar, weil die „lokale Population“ einzelner Tierarten so überhaupt nicht abgrenzbar ist. Die zahlreichen Funde außerhalb der Teilgebiete der jeweiligen Untersuchungsjahre, insbesondere in der Karte 1 und nördlich der Teilgebiete 5, 6 und 7 zeigen, dass die Abgrenzung fehlerhaft ist. Auch bei den Fledermäusen, die insbesondere in den bebauten Gebieten zu erwarten sind, wurden die Teilgebiete zu klein gewählt, wie die Karte 2 zeigt.

 

Eine Überprüfung der Erfassungsergebnisse, insbesondere bei den Arten, für die bisher keine Erfassungen vorliegen, erfolgte nicht. Dies ist ebenfalls zu kritisieren. Es besteht die Gefahr, dass eine umfangreiche und umfassende Erhebung der Individuen, auf die es bei den Verbotstatbeständen nach § 42 BNatSchG ankommt, nicht erfolgt ist.

 

2.2.1.2 Methoden der Bestandserfassung

 

Die Bestandserfassungen der AG TP basieren entweder auf einer auf Vollständigkeit ausgerichteten Erfassung der einzelnen Arten/Tiergruppen oder anhand ausgewählter Biotopstrukturen mit potentiell möglichen Vorkommen. Welche Arten und Artengruppen vollständig erfasst oder nur anhand der Biotopstrukturen untersucht worden sind, ergibt sich aus dem Gutachten nicht.

 

Das Vorkommen von streng geschützten Greifvogel- und Eulenarten wurde am 03.05, 15.06., 11.07. und 20.07.2006 untersucht. Bei den Greifvogel- und Eulenarten sollen bislang keine hinreichenden Daten u.a. zu Horststandorten aus den Brutvogelerhebungen 2002 vorliegen. Eine vollständige Erfassung der Horstbäume ist allerdings bereits deshalb fraglich, weil Anfang Mai bereits viele Bäume belaubt sind und so die Überprüfung nach Horsten sehr schwierig ist. Für einige der genannten Arten, wie beispielsweise den Sperber, werden Kartierungen bereits ab Mitte März empfohlen. Ebenso für den Mäusebussard, der bereits Anfang März kartiert werden sollte. Entsprechendes gilt für den Rotmilan und den Großen Brachvogel, der möglichst im Zeitraum zwischen Ende März und Anfang Mai kartiert werden sollte. Für den Waldkauz und die Waldohreule wird sogar eine Kartierung im Januar empfohlen, spätestens aber Mitte/Ende Februar. Die o. g. Untersuchungstermine liegen z. T. außerhalb der genannten Zeitfenster. Es ist zu vermuten, dass bei einer Einhaltung der empfohlenen Erfassungstermine weit mehr Individuen festgestellt werden können. Mängel in der Bestandserhebung schlagen auch auf das Vorliegen möglicher Befreiungstatbestände nach § 62 BNatSchG i.V.m. den europarechtlichen Fragestellungen durch, da die lokale Population nur unzureichend erfasst ist und eine Beeinträchtigung derselben nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann.

 

Eine Nachtbegehung zur Erfassung von Eulen erfolgte laut Seite 5 des Gutachtens AG TP lediglich einmal. Zu welcher Uhrzeit die Nachtbegehung stattfand, ist aus den Unterlagen nicht ersichtlich. Eine einmalige Nachtbegehung reicht nicht aus. Diese stellt bestenfalls eine Momentaufnahme dar, die keinesfalls zur Beurteilung des Bestandes oder einer vollständigen Erfassung der Individuen geeignet ist. Eine mindestens vier Mal stattfindende Nachtbegehung ist zu fordern.

 

Bei der Fledermausfauna erfolgten insgesamt sechs Detektorbegehungen. Auch hier stellt sich die Frage, ob der Erfassungszeitraum zwischen 15.06 und 06.09.2006 ausreicht. Die letzte Kartierung der Fledermausfauna fand am 06.09.2006 statt. Damit fehlt der Herbstzeitraum fast vollständig. Da im September die Paarungszeit beginnt und in dieser spezielle Paarungsquartiere gesucht werden, muss auch der Spätsommer und der Herbst erfasst werden. Eine einmalige Erfassung am 06.09.2006 reicht nicht aus.

 

AG TP führten lediglich Detektorbegehungen durch. Mit Hilfe einer flächigen Detektorkartierung kann aber lediglich ein eingeschränktes Vorkommen von Arten ermittelt werden. Das räumen die Gutachter auf Seite 10 selbst ein. Beispielsweise können allein aufgrund von Detektornachweisen das Braune und Graue Langohr sowie die Kleine und Große Bartfledermaus nicht unterschieden werden. Die ausschließliche Detektorbegehung erfüllt nicht die artenschutzrechtlichen Anforderungen, da eine Beurteilung des günstigen Erhaltungszustandes einer Population ohne die entsprechende Unterscheidung nicht getroffen werden kann. Immerhin gibt es Unterschiede zwischen der lokalen Population der einzelnen Fledermausarten. Netzfänge wären zusätzlich erforderlich gewesen. Nur aus einer Kombination von Detektorkartierung und Netzfang kann das gesamte Artenspektrum der Fledermäuse erfasst werden. Insbesondere bei leise rufenden Arten wie beispielsweise dem Braunen und Grauen Langohr sowie der Kleinen und Großen Bartfledermaus wäre leicht eine Unterscheidung mittels Netzfang möglich gewesen. Eine Feststellung von Baumquartieren mit Hilfe von besenderten Tieren per Telemetrie erfolgte, soweit dies aus den Unterlagen ersichtlich ist, nicht, obwohl dies erforderlich ist, um das ganze Artenspektrum abzudecken und Baumhöhlen und Baumquartiere ausreichend zu orten. Gründe, weshalb Netzfang und Telemetrie nicht erfolgten, ergeben sich aus den Unterlagen nicht.

 

Ob eine Kartierung der waldgebundenen Fledermausfauna erfolgt ist, ergibt sich aus den Unterlagen nicht. Dies würde beispielsweise das Große Mausohr und die Wasserfledermaus betreffen.

 

Der Anspruch einer vollständigen Erfassung von Raumnutzung und/oder Quartieren erhebt die AG TP nicht (vgl. Seite 12). Eine vollständige Darstellung von Raumnutzung und insbesondere den Quartieren wäre aber zur Beurteilung der individuenbezogenen artenschutzrechtlichen Verbotstatbestände zwingend erforderlich. Die Unterlagen sind damit unvollständig.

 

Bei der Haselmaus fand 2006 erstmals eine Erfassung statt. Die Gutachter stellen zwei Methoden zur Ermittlung des Vorkommens der Haselmaus dar. Weshalb der aufwändigere Lebendfang nicht erfolgte, wird nicht begründet. Auf Seite 16 des Gutachtens wird ausgeführt, dass kein Nachweis der Art gelungen sei. Über die Bestandssituation im Untersuchungsraum lägen keine Detailinformationen vor. Es sei aber ein Vorkommen zumindest in bestimmten Strukturen nicht auszuschließen. Welche Konsequenzen hieraus gezogen werden, ist offen.

 

Bei den Amphibien liegen bereits ältere Untersuchungen vor. Ausführungen zur Methodik der Bestandserfassung enthält die Stellungnahme nicht. Bei der Zauneidechse wurde an vier Terminen gezielt innerhalb des engeren Trassenkorridors gesucht. Sofern Einzelflächen mit erwartetem Vorkommen ohne Nachweis vorhanden waren, wurden diese als potentielle Habitate dokumentiert. Welche Auswirkungen dies auf die Population und vor allem auf deren günstigen Erhaltungszustand hat, ist offen. Es ist nicht klar, ob sich die Population bereits vor dem Eingriff in einem günstigen Erhaltungszustand befand, was für die Erteilung einer Ausnahme nach den Schlussanträgen der Generalanwältin Kokott im Verfahren C 342/05 gegen die Republik Finnland vom 30.11.2006 (Rdnr. 47, 48) erforderlich wäre.

 

Bei der Kleinen Flussmuschel/Bachmuschel wurden zwar drei Hauptbachsysteme und zwar die Brunnisach, der Lipbach und der Mühlbach sowie der Ober- und Mittellauf des Manzeller Bachs untersucht. Ziel der Gutachter war es, die Gewässer möglichst in ihrer Gesamtausdehnung auf vorhandene Bachmuschelbestände zu kontrollieren. Zur Kleinen Flussmuschel/Bachmuschel sollen bereits Daten vorhanden sein. Bei der Kartierung gab es, worauf die Gutachter selbst hinweisen, Probleme, beispielsweise wegen der mangelnden Zugänglichkeit auf Privatflächen und der dichten undurchdringlichen Ufervegetation. Wie die Gutachter mit den auf Seite 7 dargestellten Einschränkungen umgehen und vor allem welche Konsequenz sie für die Individuen, den Bestand der Population und deren Erhaltungszustand ziehen, ergibt sich aus den Unterlagen nicht. Welche weiteren Erkenntnisse sich aus den Untersuchungen, die 2006 parallel durchgeführt worden sein sollen, ergeben, ist unklar. Zwar wird in dem Literaturverzeichnis auf Seite 33 auf eine Untersuchung zum aktuellen Stand der Kleinen Flussmuschel auf der Gemarkung von Friedrichshafen, die im Auftrag der Stadt Friedrichshafen durch Heitz 2005 durchgeführt wurde, Bezug genommen. Zu welchen Ergebnissen dieser kam, ist allerdings nicht überprüfbar. Ob sich Abweichungen zwischen der Untersuchung von Heitz und der der AG PT aus 2006 ergeben haben und wie sich ggf. Differenzen erklären lassen, kann nicht überprüft werden.

 

Inwieweit die Gutachter Unterlagen zur Gewässergüte und Gewässerstruktur in ihre Betrachtung einbezogen haben, ist offen.

 

Bei der Überprüfung möglicher Vorkommen des Nachtkerzenschwärmers wurde lediglich eine Geländebegehung durchgeführt und zwar am 03.07.2006. Da Fraßspuren und Kotballen festgestellt wurden, wurde auf eine weitere Suche bei Nacht verzichtet. Auch hier reicht eine Untersuchung nicht aus, um ein repräsentatives Bild der Individuen zu erhalten. Es handelt sich dabei um eine Momentaufnahme, die weder eine ausreichende Individuenbestimmung noch eine Feststellung der lokalen Population zulässt.

 

2.2.1.3 Zu einzelnen Ergebnissen

 

Ab Seite 8 nimmt AG TP Stellung zu den einzelnen Ergebnissen zu den streng geschützten Vogelarten. 2002 sollen innerhalb des 300 m-Korridors entlang der Trasse neben den genannten weitere Vogelarten nachgewiesen worden sein, vor allem der Baumfalke, der Grünspecht, der Grauspecht und der Schwarzspecht. Diese Ergebnisse ergaben sich trotz der Tatsache, dass damals keine gezielte Suche nach Bruthöhlen, Horsten bzw. Nestern erfolgte. Spechte seien in der Untersuchung 2006 nicht weiter bearbeitet worden, was ebenfalls ein Manko der Untersuchung zu den streng geschützten Arten darstellt. Insbesondere der Grauspecht und der Schwarzspecht sind Arten nach Anhang I der EU-Vogelschutz-RL. Weshalb keine weitere Erfassung, insbesondere von Höhlenbäumen und Spalten u.ä. durchgeführt wurde, ist nicht nachvollziehbar. Stattdessen wird auf Seite 9 lediglich festgestellt, dass im TG 11 ein Vorkommen / eine Nutzung durch Grün- und Schwarzspecht anzunehmen sei. Welche Konsequenzen die Gutachter hieraus ziehen, ist nicht klar. Bei der Rohrweihe und dem Wespenbussard sollen Beobachtungen vorliegen. Ob 2006 nochmals gezielt nach Vorkommen dieser Arten gesucht wurde, ist nicht klar.

 

Auf die Probleme bei der Erfassung der Fledermäuse wurde bereits eingegangen. Bei der Kleinen und Großen Bartfledermaus kommen die Gutachter auf Seite 15 zum Ergebnis, dass konkrete Quartiernachweise aus dem Untersuchungsgebiet nicht vorliegen, aber wahrscheinlich sind. Es stellt sich dann die Frage, wo die Gutachter ein solches Quartier unterstellen und vor allem, ob sie dies als betroffen ansehen. Bei der Zwergfledermaus und der Mückenfledermaus liegen nur vermutete Fledermausquartiere vor, die in Karte 2 eingetragen sind. Ob die Zuordnung der Fledermausquartiere richtig ist, lässt sich nicht nachvollziehen. Bei der Rauhautfledermaus wird darauf hingewiesen, dass die Art auch Baumhöhlen und Nistkästen als Quartiere nutzt. Eine Baumhöhlenkartierung wurde aber – soweit ersichtlich - nicht durchgeführt. Beim Großen Abendsegler kommen die Gutachter zum Ergebnis, dass dieser im Untersuchungsgebiet sicher weiter verbreitet sei, als dies durch die konkreten Nachweise in Tabelle 2 belegt ist. Von welchem Stand die Gutachter ausgehen, erschließt sich nicht. In Karte 2 werden wichtige Jagdhabitate für die Fledermäuse dargestellt. Wie es genau zu diesen kreisrunden Ausformungen kommt und vor allem wie die Fledermausflugstraßen und Verletzungslinien bestimmt wurden, ist offen.

 

Bei den streng geschützten Amphibienarten gehen die Gutachter von Nachweisen von Kammmolch und Gelbbachunke im NSG Lipbacher Senke aus. Diese seien allerdings nicht betroffen, da das NSG Lipbacher Senke zur geplanten Trasse mindestens 500 m entfernt liegen soll. Dabei lassen die Gutachter die Weiterführung der Trasse im nächsten Planfeststellungsabschnitt völlig außer Betracht. Sie legen nicht dar, ob durch Immissionen Auswirkungen auf die dort vorhandenen streng geschützten Amphibienarten entstehen können oder nicht. Grundsätzliche Kritik ist an den Karten 1 und 4 deshalb anzubringen, weil das geplante Vorhaben nicht in die Karten mit den Nachweisen der streng geschützten Arten eingetragen wurde. Nur so könnte man eindeutig nachvollziehen, welche Quartiere welcher Arten unmittelbar und möglicherweise mittelbar vom Vorhaben betroffen sind. Die Karten, die hierzu im LBP enthalten sind, verharmlosen die zu erwartenden Auswirkungen, da die B 31 neu nur als „kleiner Strich“ in der Landschaft dargestellt wird.

 

Beim Laubfrosch stellt sich die Frage, mit welchen Wanderungsbewegungen zu rechnen ist. Es erfolgte nur eine Momentaufnahme, so dass nicht klar ist, mit welchen Wanderbewegungen bei dieser Amphibienart zu rechnen ist. Dies wäre aber beispielsweise schon deshalb erforderlich, um mögliche Minimierungsmaßnahmen in ihrer fachlichen Wirksamkeit beurteilen zu können.

 

 

Die Bachmuschel wurde im Gutachten von AG TP ab Seite 18 bis 22 ausführlich dargestellt. Die Erfassung wurde beschrieben und die jeweiligen Untersuchungsabschnitte dokumentiert. Ob hierbei u.a. auch die auf der Homepage der Stadt Friedrichshafen eingestellte „Gewässergüteuntersuchung und Gewässergütekarte“ aus dem Jahre 2005, die von Schmidt und Gomm bearbeitet wurde und einen Abschnitt zur Indikatorart Bachmuschel enthält, berücksichtigt wurde, ist unklar.

 

Aus dem Gutachten AG TP unter 3.6 ist nicht ersichtlich, wo es zu den auf Seite 7 beschriebenen Problemen bei der Bestandserfassung gekommen sein soll. Es ist unklar, wie die Gutachter bei der Füllung der Datenlücken vorgegangen sind. Teilweise kommen die Gutachter zu Ergebnissen, die sie sich selbst nicht erklären können, wie beispielsweise auf Seite 19 und 20 zu der Frage der Nachkommensdichte in den Abschnitten BRI 14 - BRI 16. Wieso bei der Kartierung nicht auch die dort in Bezug genommenen Wirtsfische und dessen Vorkommen im betreffenden Bereich untersucht wurden, erschließt sich nicht. Für die Brunisach kommt AG TP zum Ergebnis, dass die Abschätzung von Heitz aus 2005 mit 2570 Tieren zu hoch liegt. Woraus sich diese Unterschiede ergeben und vor allem, wie man auf die Hochrechnung und Schätzung der Population von 1000 Tieren durch AG TP kommt, wird nicht dargestellt. In den Abschnitten MUE 01 - MUE 10 verweisen die Gutachter darauf, dass durch eine Beräumung des Bachabschnitts die Teilpopulation größtenteils vernichtet wird. Welche Konsequenzen sich hieraus für den günstigen Erhaltungszustand der Art und die Möglichkeit einer Ausnahme ergeben, wird nicht beleuchtet. Auf Seite 22 kommen die Gutachter oberhalb von Schnetzenhausen zum Ergebnis, dass kein Nachweis der Bachmuschel erbracht werden konnte und eine dauerhafte Besiedlung des Bereichs kaum anzunehmen sei, obwohl Einzelfunde im Oberlauf von Heitz 2005 nachgewiesen wurden. Andererseits stellt AG TP dar, dass der Einzelfund aufgrund des völlig zugewachsenen Bachlaufs nicht überprüft werden konnte. Wie man dann zu dem Ergebnis kommen kann, dass eine dauerhafte Besiedlung des Bereichs kaum anzunehmen sei, ist klärungsbedürftig.

 

Auf Seite 22 stellen die Gutachter im Ergebnis dar, dass die Bestandsgröße bei allenfalls 1500 bis 2000 Tieren der Bachmuschel liegen dürfte. Es wird konstatiert, dass bei einer Beibehaltung der Bachräumungen, der massiven Grünlanddüngung bis zum Bachrand und dem Bisamfraß ein deutlicher Negativtrend hinsichtlich der langfristigen Populationsentwicklung befürchtet werden müsse. Es ist unklar, ob die Gutachter von einem nicht günstigen Erhaltungszustand der Bachmuschel auch ohne das Vorhaben B 31 neu ausgehen. Wäre dies der Fall, ist eine Ausnahme nicht zulässig.

 

In der Gewässergüteuntersuchung und Gewässergütekarte Friedrichshafen 2005, die auf der Homepage der Stadt Friedrichshafen eingestellt ist, wird zur Bachmuschel auf S. 30 ausgeführt, dass mit ca. 15.000 Muscheln auf 7.000 ha Gemarkungsfläche Friedrichshafen eine landesweite Schutzverantwortung zum Erhalt dieser europäisch geschützten Muschelart zukomme. 90% aller derzeit bekannten Muschelvorkommen im Regierungsbezirk Tübingen konzentrierten sich auf das Gemarkungsgebiet Friedrichshafen. Ein FFH-Gebiet zum Erhalt der Bachmuschel wurde allerdings nicht ausgewiesen, was angesichts der besonderen Bedeutung und des Vorkommenschwerpunkts der Art auf der Gemarkung Friedrichshafen nicht nachvollziehbar ist.

 

Beim Nachtkerzenschwärmer haben die Gutachter keine vollständige Bearbeitung durchgeführt und dies auch für nicht zwingend erforderlich angesehen. Die genannten Gründe dürften aber für den Nachtkerzenschwärmer allgemein gelten und stellen keine Besonderheit im vorliegenden Verfahren dar. Immerhin handelt es sich beim Nachtkerzenschwärmer um eine streng geschützte Tierart, die entsprechend berücksichtigt werden muss.

 

2.2.1.4 Relevante Beeinträchtigungen

 

Neben der Darstellung des rechtlichen Rahmens, die durch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.01.2007 zur Umfahrung Halle (Az. 9 A 20.05) ergänzt werden müsste, werden überwiegend nur unmittelbare Beeinträchtigungen berücksichtigt. Zwar wird im LBP bei Vögeln auch auf Lärmwirkungen hingewiesen. Nicht berücksichtigt wurden allerdings Auswirkungen durch Schadstoffeinträge und Depositionen, die zu weiteren Beschädigungen, zumindest aber zu Störungen der Stätten der streng geschützten Arten und der europäischen Vogelarten führen könnten. Dies ist ein erhebliches Manko.

 

 

Die Voraussetzungen einer Ausnahme nach § 62 BNatSchG und der Art. 12, 16 FFH-RL werden auf Seite 28 zwar angesprochen, aber nicht im Einzelnen behandelt. Beim Hinweis auf das Guidance Document ist auf die aktuelle Version von Januar 2007 hinzuweisen. Mit „anderen zufriedenstellenden Lösungen“ setzt sich der Gutachter nicht auseinander. Der LBP enthält Hinweise, auf die noch gesondert eingegangen wird.

 

Auf Seite 31 werden Maßnahmen genannt, die einen günstigen Erhaltungszustand der Arten gewährleisten sollen. An den Nachweis sind besondere Anforderungen zu stellen. Ob die Minimierungsmaßnahmen tatsächlich nach wissenschaftlich anerkannten Standards dazu führen, dass eine Beeinträchtigung der Population ausgeschlossen werden kann, ist nicht ersichtlich. So wurden bei der Kleinen Flussmuschel beispielsweise Schutzmaßnahmen während der Baustellenabwicklung, die Entnahme und zwischenzeitliche Hälterung betroffener Bestände und deren Rücksetzung in geeignete Bachabschnitte nach Verlegung bzw. in Teilen in andere Fließgewässer vorgesehen. Welche Fließgewässer an welcher Stelle das sein sollen, ergibt sich aus dem Gutachten von AG TP nicht. Insbesondere ist nicht beurteilbar, ob für die Bachmuschel in den betreffenden Bereichen tatsächlich die Habitatstrukturen und die Wasserqualität vorhanden sind, um eine dauerhafte Besiedlung zu gewährleisten. Daneben wäre nachzuweisen, dass das sonstige ökologische Umfeld, d.h. beispielsweise die auf Seite 19 des Gutachtens genannten Wirtsfische, vorhanden sind, um einen langfristigen Erhalt der Population zu gewährleisten. Welche anderen Gefährdungen, in dem für Minimierungsmaßnahmen vorgesehenen Bereich zu befürchten sind, ist offen. Die Frage der Durchfluss- und Fliessgeschwindigkeit sowie die Gefahr eines Trockenfallens des Bachlaufs bei dem ins Auge gefassten „Ersatzhabitat“ werden nicht dargestellt. Daneben ist fraglich, ob es tatsächlich wissenschaftlich nachgewiesene und abgesicherte Erkenntnisse zur Wiederbesiedlung der Bachmuschel gibt und inwieweit diese auf die vorgesehenen „Ersatzbereiche“ für die Bachmuschel zur Anwendung kommen können. Bevor für die Minimierungsmaßnahmen nicht sämtliche, sich konkret abzeichnenden Risiken und die besten einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnisse abgerufen, dokumentiert und berücksichtigt wurden,, können diese Maßnahmen nicht als Minimierung unterstellt werden. Die Abweichungsprüfung wäre ebenfalls von derartigen Mängeln „infiziert“, auch von solchen, die bereits auf der Ebene der Prüfung der Verbotstatbestände vorhanden sind.

 

Bei den Vögeln und Fledermäusen sollen durch eine „über die derzeitig zu erwartende Umtriebszeiten hinaus reichende Erhaltung einzelner Waldbäume bzw. Laubbaumbestände“ kurzfristig eine Minimierung erfolgen können. Eine Vorauswahl geeigneter Bestände soll bereits stattgefunden haben, die in den Unterlagen nicht dokumentiert ist. Eine Kartierung über kurz- bis langfristig wirksame Maßnahmen und welche Bereiche hier besonders geeignet sind, insbesondere welche Bäume in welchen Altersklassen mit welcher Stammdicke in den Blick genommen werden, ist unklar. Eingriffe in Altholzbestände lassen sich nur schwer kurzfristig ausgleichen. Auch diese Situation hat das Guidance Document 2007 in den Blick genommen und dafür eine Erweiterung der Maßnahmen in der Fläche vorgesehen. Dies ist, soweit ersichtlich, hier nicht erfolgt.

 

Ob die Querungshilfen bei den strukturgebundenen fliegenden Fledermausarten positive Wirkungen haben und inwiefern dies nachgewiesen ist, ergibt sich aus dem Gutachten nicht. Zu den kollisionsbedingten Verlusten und deren Quantität äußert sich das Gutachten nicht.

 

2.2.2    LBP

 

In der Unterlage 12.0 A werden die Auswirkungen auf besonders streng geschützte Arten ab Seite 48 dargestellt. Die Darstellung beruht u.a. auf dem Gutachten von AG TP. Die Vorhabenträgerin kommt im LBP zum Ergebnis, dass mit dem vorliegenden landschaftspflegerischen Konzept die naturschutzrechtlichen Anforderungen erfüllt werden, die sich u.a. aus den Regelungen zum besonderen Artenschutz im Hinblick auf das geplante Vorhaben ergeben. Diese Auffassung kann aus folgenden Gründen nicht geteilt werden:

 

            2.2.2.1 Bei den Brutvögeln wird ab Seite 48 u.a. auch die Beeinträchtigung streng geschützter Vogelarten durch Lärm zumindest angesprochen. In Abb. 7.1 werden die Isophone 55 dB(A) und 59 dB(A) dargestellt. Berücksichtigt wird nicht, dass das BMVBS zur Zeit noch einen Schwellenwert von 52 dB(A) annimmt. Dies ergibt sich aus einer Fortschreibung der Untersuchungen, die  in den Niederlanden durchgeführt wurden und auf einer anderen Berechnungsmethode als in Deutschland basierten. Inzwischen gibt es weitere Untersuchungen, insbesondere aus Österreich, die in einem Workshop des Österreichischen Verkehrsministeriums am 23./24.10.2006 vorgestellt wurden. Außerdem läuft derzeit ein Forschungsvorhaben des BMVBS zum Thema Verkehrslärm und Avifauna. Eine Veröffentlichung des Endberichts soll im Juni 2007 erfolgen. Zwischenberichte und Zwischenergebnisse werden nicht herausgegeben. Insofern ist zu erwarten, dass sich bei der Frage der Auswirkungen von Lärm auf Vögel bei Straßenbauvorhaben weitere, aktuellere Erkenntnisse ergeben, die dann im Verfahren zu berücksichtigen sind. Unabhängig davon, dass nach den bisherigen Angaben des BMVBS aus 2005 ein Wert von 52 dB(A) als Erheblichkeitsschwelle anzusetzen ist und der LBP mit 55 - 59 dB(A) Belastung darüber bleibt, wurde im Workshop des Österreichischen Verkehrsministeriums im Oktober 2006 festgehalten, dass starke artbezogene Unterschiede der Lärmempfindlichkeit von Vogelarten gegeben sein dürften. Ein einheitlicher Wert, so wie er hier für alle Brutvögel angesetzt wurde, ist danach nicht zulässig.

 

            2.2.2.2 Völlig unberücksichtigt bleiben die Auswirkung der Luftschadstoffe auf die Habitate und deren Funktion.

 

            2.2.2.3 Die Beeinträchtigungen der Bachmuschel sollen vor allem wegen der 460 m langen Überbauung des Gewässerabschnitts des Mühlbachs entstehen. Dort ist die Anschlussstelle Schnetzenhausen geplant und das Gewässer soll südöstlich der B 31 neu zur Wiederherstellung der Gewässer- und Lebensraumfunktionen verlegt werden. Bei den geeigneten Bachabschnitten, in denen die vorübergehende Entnahme, Hälterung und Rücksetzung erfolgen soll, werden nicht dargestellt. Ob die Beeinträchtigungen durch Schwebstoffeinträge während der Bauphase tatsächlich durch die Maßnahmen und Auflagen gemäß Maßnahme 14.1 vermieden und räumlich begrenzt werden können und inwieweit dies zu einer tatsächlich nachgewiesenen Verbesserung führen kann, ist nicht überprüfbar. Auf der Stufe der Maßnahmen zur Vermeidung und Minderung erheblicher Beeinträchtigungen streng geschützter Arten wird bei der Bachmuschel ein Anschluss Schnetzenhausen mit sog. holländischen Rampen geprüft, allerdings verworfen, da keine wesentlichen Eingriffsminimierungen damit verbunden seien. Was genau unter den „Holländerrampen“ zu verstehen ist, ist unklar. Weshalb andere Lösungen, wie beispielsweise eine Nordverschiebung heraus aus dem gerade zum zentralen Bereich der Bachmuschelpopulation sowie ein Verzicht auf die Anschlussstelle oder eine komplette Verlegung nicht geprüft wurde, die Südumfahrung von Schnetzenhausen allerdings schon, ist nicht nachvollziehbar. Bezüglich der Entnahme, zwischenzeitlichen Hälterung und Rückversetzung von Tieren in den verlegten neuen Gewässerabschnitt wird im LBP auf Seite 59 davon ausgegangen, dass eine Wiederbesiedlung gegeben sei. Es wird in der Fußnote Bezug genommen auf aktuelle Erhebungen und Nachkontrollen am Bampfen im Rahmen der B 30 neu bei Ravensburg. Die Erhebungen liegen nicht vor. Ein Vergleich der dort gewonnenen Ergebnisse mit den vorliegenden ist nicht möglich. Eine Garantie, den dauerhaften Lebensraumverlust für die Bachmuschel auszuschließen, liegt demnach nicht vor.

 

            2.2.2.4 Auf Seite 60, 61 werden die Maßnahmen dargestellt, die gewährleisten sollen, dass die vom Vorhaben besonders und streng geschützten Arten in einem günstigen Erhaltungszustand verweilen. Zur Bachmuschel werden insgesamt drei Maßnahmen vorgesehen. Ob diese allerdings die Anforderungen insbesondere der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.01.2007 zur Umfahrung Halle gerecht werden, ist offen. Insbesondere das Gelingen einer Umsiedlung sowie der Verlegung und Wiedereinsetzung der entnommenen Bachmuscheln im neu errichteten Gewässerabschnitt ist fachlich nicht nachgewiesen. Ob die Maßnahme 19.1 mit der Infektion von Fischen und dem Einbringen der Fische in den Appenweiler Mühlbach tatsächlich funktionieren wird, ist fraglich. Angaben zur Gewässerstruktur und Wassergüte dort liegen nicht vor. Fließgeschwindigkeit und ein mögliches Trockenfallen des Bachabschnitts werden nicht geprüft. Es ist unklar, ob sich die vorgesehenen Fische dort tatsächlich auf Dauer halten. Offen ist, wie die Maßnahme 19.2 (Umbau von Fichtenbestockungen entlang des Baches zu standortgemäßem Laubmischwald) den Erhalt der Population der Bachmuschel gewährleisten kann. Auf den ersten Blick erschließt sich dies zumindest nicht.

 

            2.2.2.5 Bei den Maßnahmen für die Vögel und Fledermäuse soll eine qualitative Aufwertung anderer Waldbestände erfolgen. Welche Maßnahmen kurz und welche langfristig wirksam sein sollen, wird nicht dargestellt. Auch müsste eine Kartierung der alten Laubbaumbestände vorhanden sein, um überhaupt beurteilen zu können, ob die Flächen grundsätzlich geeignet sind. Insbesondere die Schaffung von Altholzinseln dürfte eine mittel- bis langfristige Maßnahme sein. Sollte ein sogenanntes „time lag“ entstehen, muss dies nach dem Guidance Document 2007 durch einen größeren Flächenumgriff „kompensiert“ werden.

 

 

            2.2.2.6 Bei den streng geschützten Arten nach Anhang 4 der FFH-RL kann eine Befreiung nach Art. 16 Abs. 1 FFH-RL nur gewährt werden, wenn es keine anderweitige zufrieden stellende Lösung gibt. Insofern ist eine besondere Alternativenprüfung unter dem Aspekt des Artenschutzes notwendig. Bei den Alternativen wird auf S. 63 der UVS und die Ausführungen in Kap. 7.2.1 verwiesen. Allerdings wird eine großräumige andere Alternative, beispielsweise die Trassenführung über die sogenannte Mülltrasse und andere großräumige Alternativen überhaupt nicht geprüft. Eine Verschiebung des Knotens Schnetzenhausen oder dessen vollständiger Verzicht wurden als anderweitige zufrieden stellende Lösung überhaupt nicht in den Blick genommen. Die Anforderungen an die artenschutzfachliche Alternativenprüfung nach Art. 16 Abs. 1 FFH-RL sind damit nicht erfüllt. Zur Frage des günstigen Erhaltungszustandes der Population der betroffenen Art wurde bereits ausführlich Stellung genommen. Insgesamt ist davon auszugehen, dass die Voraussetzungen des Art. 16 Abs. 1 FFH-RL nicht vorliegen.

 

            2.2.2.7 Bei den besonders geschützten europäischen Vogelarten ist nach Art. 9 VS-RL ebenfalls wie bei Art. 16 FFH-RL erforderlich, dass es keine andere zufrieden stellende Lösung gibt. Auch hier werden, unabhängig von der mangelhaften Darstellung der Auswirkungen des Straßenverkehrslärms auf Vögel und mögliche Beeinträchtigungen der Habitate durch Schadstoffeinträge, erhebliche Fehler bei der Ausnahmeprüfung gemacht.

 

2.3       Lärm

 

Schon in der Stellungnahme vom 07.07.2003 haben wir die unzulängliche Untersuchung der Lärmwirkungen des Vorhabens beanstandet. Im Mittelpunkt der Kritik stand die Aussage, dass der Planungsfall Zwischenstufe nicht berücksichtigt und die Ermittlung des LKW-Anteils fehlerhaft durchgeführt wurde. Eine Überprüfung des LKW-Anteils in der Verkehrsprognose fand nicht statt. Dem ersten Kritikpunkt wurde – teilweise – Rechnung getragen, als zusätzliche Lärmberechnungen für den Planungsfall Zwischenstufe 2020 durchgeführt wurden (Erläuterungsbericht Ziff. 5.1.6). Eine unzulängliche Darstellung der Ergebnisse dieser zusätzlichen Berechnungen findet sich unter Ziff. 11.3 A der Planunterlagen. Für die Orte Kluftern, Lipbach und Efrizweiler wurden zusätzliche Lärmberechnungen durchgeführt. Bemerkenswert ist, dass diese zusätzlichen Betrachtungen zu keinen Auswirkungen hinsichtlich des Schallschutzes führen. Lapidar wird in Anlage 11 A durchgängig festgestellt, dass die Immissionsgrenzwerte für Dorf- und Mischgebiete schon im Prognosenullfall überschritten werden, und die Lärmzunahme unerheblich sei, da diese unter der Hörbarkeitsschwelle von 3 dB(A) liege. Diese Betrachtung ist aus verschiedenen Gründen fehlerhaft:

 

            2.3.1 Die Einstufung der Gebäude in den Ortsdurchfahrten durchgängig als Dorf- und Mischgebiet ist falsch. Die Gebäude sind vielmehr als Wohngebiete einzustufen. Maßgebend ist die tatsächliche Nutzung. Alle betrachteten Ortschaften sind überwiegend durch Wohnbebauung geprägt. Für die Einstufung in ein Dorfgebiet fehlt ein prägender Anteil landwirtschaftlicher Nutzung. Die Einstufung Mischgebiet ist fehlerhaft, weil ein Mischgebiet ein gleichwertiges Nebeneinander von Wohnen und gewerblicher Nutzung voraussetzt. Dies ist bei keinem der betrachteten Orte der Fall.

 

            2.3.2 Der Vergleich zwischen Prognosenullfall und Planungsfall ist nicht maßgeblich. Richtiger Betrachtungsmaßstab ist vielmehr die Zunahme im Planungsfall gegenüber dem Ist-Fall. Der Begriff „Prognosenullfall“ ist eine planerische „Nebelkerze“ mit der die Auswirkungen des Vorhabens verharmlost und verschleiert werden sollen. Der Begriff des Prognosenullfalls taucht weder im BImSchG, der 16. BImSchV oder der RLS 90 auf. Die in Anlage 11 A vorgenommene Gegenüberstellung von Ist- und Prognosewerten beruht auf einem grundlegend falschen rechtlichen Maßstab.

 

            2.3.3 Falsch ist schließlich die weitere Aussage, die Hörbarkeitsschwelle betrage 3 dB(A). Diese Aussage ist längst überholt. Der Wert von 3 dB(A) betrifft nicht die Hörbarkeit oder Wahrnehmbarkeit, sondern vielmehr markiert er die Schwelle, ab der eine Lärmzunahme nach der 16. BImSchV nicht mehr hinzunehmen ist. Die Hörbarkeits- oder Wahrnehmbarkeitsschwelle liegt bei der Rechtsprechung des BVerwG bei 1 dB(A). Nur ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass unter der Geltung der 16. BImSchV bzw. der RLS 90 bereits eine Differenz von 2,1 dB(A) auf 3 dB(A) aufgerundet wird. Nicht mal diese Erkenntnis hat das Regierungspräsidium zu Gunsten der Bürger berücksichtigt.

 

            2.3.4 Insgesamt ist damit festzuhalten: Auf der Grundlage der Anlage 11 A und der dazu ergangenen Berechnungen kann eine Beurteilung der Lärmbetroffenheit der Bürger im Planungsfall Zwischenstufe nicht stattfinden.

 

 

3.         Verfahrensfragen

 

Im Anschluss an die erste Offenlage der Planunterlagen aus dem Jahr 2003 hat das Regierungspräsidium auf Grund zahlreicher Planänderungen eine erneute Offenlage für erforderlich gehalten. An der Notwendigkeit dieses Schrittes ist nicht zu zweifeln. Unverständlich ist allerdings in welcher Form und mit welchem Inhalt das Regierungspräsidium diesen ergänzenden Verfahrensschritt durchführt. Die Unterlagen sind derart mangelhaft und unvollständig, dass das ergänzende Verfahren seiner Anstoßfunktion nicht genügt. Als wesentliche Fehler sind hervorzuheben:

 

            3.1 Obwohl die Verkehrsuntersuchung von Modus Consult im Jahr 2005 grundlegend überarbeitet wurde, ist dieses Gutachten nicht den Planunterlagen beigefügt. Dies stellt einen wesentlichen Mangel dar. Eine halbwegs belastbare Aussage hinsichtlich der Prognose und der Veränderung ist nur auf der Grundlage der Kenntnis des vollständigen Gutachtens möglich. Die im Erläuterungsbericht auszugsweise beigefügten Karten erlauben keine sichere Beurteilung.

 

            3.2 Obwohl den Luftschadstoffen zunehmend Bedeutung zukommt, war das überarbeitete Gutachten Lahmeyer aus dem Jahr 2005 nicht Gegenstand der Planunterlagen. Auch dies stellt einen groben Verfahrensfehler und eine Missachtung des rechtlichen Gehörs dar.

 

            3.3 Die UVS ist nach wie vor auf dem Stand September 2002. Eine dringend notwendige Überarbeitung der mittlerweile 5 Jahre alten Studie hielt das Regierungspräsidium nicht für nötig. Die beigefügten Ergänzungen (Module) des Umweltbüros sind nichts als Stückwerk und für die Beurteilung des Vorhabens ungeeignet.

 

            3.4 Die Auswirkungen der Planänderung sind für den betroffenen Bürger nicht nachvollziehbar. Dies gilt vor allem für Lärm und Luftschadstoffe. Es fehlen Differenzbetrachtungen, aus denen der Bürger seine neue bzw. zusätzliche Betroffenheit erkennen kann. Damit erfüllen die Planunterlagen nicht die Voraussetzungen, die nach der Rechtsprechung an die Anstoßfunktion von Planunterlagen zu stellen sind.

 

 

4.         Ergebnis

 

Wie schon in den ersten Einwendungen aus dem Jahr 2003 ist festzuhalten, dass die Planunterlagen in wesentlicher Hinsicht mangelhaft sind, die Notwendigkeit des Vorhabens nicht begründet sowie die Bewertung wesentlicher umweltrelevanter Sachverhalte wie Luftreinhaltung, Artenschutz und Lärm unzureichend und mangelhaft ist. Nach wie vor enthält die Planung gravierende Verstöße gegen nationales und europäisches Recht. Der Antrag auf Planfeststellung ist zurückzuweisen.

 

 

Mit freundlichem Gruß

 

 

Wurster                                                                                                         Fridrich

Rechtsanwalt                                                                                                  Rechtsanwältin

(nach Diktat verreist)