(FRIEDRICHSHAFEN/sz) Wie
die drei Richter entscheiden werden, hat sich nicht angedeutet, wohl aber, dass
heute sicher kein Urteil fallen wird.
Wer Gerichtsverfahren nur
von Barbara Salesch aus dem Fernsehen kennt, der
dürfte sich gestern am ersten Tag der mündlichen Verhandlung in Sachen B-31-neu
ganz schön die Augen gerieben haben. Vordergründig spannend war das nämlich
nicht, was sich vor dem 5. Senat des Verwaltungsgerichtshofs, der zwei Tage
lang im GZH tagt, abgespielt hat. Verfahrensfragen klären, Gutachten erläutern,
Aktenlage prüfen, Rechtsfragen diskutieren. Trotzdem waren um die 100 Zuhörer
gekommen und viele blieben auch bis zum Abend. Im Publikum saßen unter anderem
Oberbürgermeister Andreas Brand, Baubürgermeister Dr. Stefan Köhler und Landrat
Lothar Wölfle.
Verhandelt werden zwei
Klagen gegen den Planfeststellungsbeschluss zum Bau der B-31-neu, der
Ortsumfahrung im Westen der Stadt, vom 27. Juni 2008. Im ersten Verfahren haben
sich drei Landwirte, die um ihre Existenz fürchten, und der Bund für Umwelt und
Naturschutz Deutschland (BUND) zusammengetan, der zu große Gefahren für die
Umwelt ins Feld führt. Die zweite Klägergruppe sind Anlieger aus Spaltenstein,
die unter anderem mit Lärmschutz argumentieren.
Die erste Hälfte der
gestrigen Verhandlung bestimmte die Bachmuschel. Das vom Aussterben bedrohte
Tier kommt im Mühlbach und in der Brunnisach vor.
Beide Gewässer würden durch die neue Straße beeinträchtigt, der Mühlbach sogar
auf einer Länge von 500 Metern verlegt. Die Kritiker der Planung bemängelten,
dass die artenschutz- und naturschutzrechtlichen Vorgaben missachtet werden.
Das Regierungspräsidium (RP) Tübingen, das für die Planungen verantwortlich
ist, widersprach. Beide Seiten haben Gutachter beauftragt, die sich zumindest
in zwei Dingen einig sind: Vor allem im Mühlbach gibt es außergewöhnlich viele
Bachmuscheln. Und: Eine Umsiedlung der Tiere bachaufwärts
ist durchaus möglich.
Verwirrung brachte die
Frage der Klägeranwälte, warum der Mühlbach nicht als FFH-Gebiet
nach der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie gemeldet
worden sei. In FFH-Gebieten sind Eingriffe in die
Natur an hohe Auflagen gebunden. Die Vertreter des RP hatten vor der
Verhandlung mitgeteilt, dass es Gründe für die Nichtmeldung als FFH-Gebiet gegeben habe. Welche das sind, konnten sie
während der Verhandlung nicht erklären. Die Auskunft soll jetzt nachgereicht
werden.
Zweiter großer Punkt des
gestrigen Verhandlungstags war die Verkehrsprognose, die der Straßenplanung in
der Region zugrunde liegt. Auch hier hatten beide Seiten eigene Gutachter
benannt, die sich gegenseitig vorwarfen, nach der falschen Methode zu arbeiten
und deshalb falsche Ergebnisse zu produzieren.
Ein Vorwurf der Kläger war
auch, dass mit dem Bau der B-31-Anschlussstelle Kluftern
der umstrittene spätere Bau der bahnparallelen Trasse der Ortsumfahrung Kluftern vorherbestimmt sei. Der 5. Senat des
Verwaltungsgerichtshofs unter Vorsitz von Richter Heinz Bölle
machte an der Stelle deutlich, dass er der Argumentation der Kläger nicht
folgen könne.
Letztes Thema gestern
Abend: Alternativen zur vorgeschlagenen Trassenführung mit den beiden
Anschlussstellen Kluftern und Schnetzenhausen.
Dabei unterstrich die Klägerseite ihre Auffassung, dass ein vierspuriger Ausbau
nicht nötig sei. Zudem favorisiere man die Überlegung, nur eine Anschlussstelle
zu bauen und die Müllstraße zwischen Markdorf und Jettenhausen
auszubauen. Das sei billiger, ökologischer und effektiver. Dass RP widersprach
auch in diesem Punkt.
Die Verhandlung wird heute
ab 9 Uhr im GZH fortgesetzt. Mit einem Urteil ist alsbald nicht zu rechnen –
unter anderem deswegen, weil das Thema "FFH-Meldung"
noch schriftlich geklärt werden muss.
(Erschienen: 28.07.2009)