Wirtschaft und Verkehr: Hier gehen die Meinungen auseinander

Bodenseekreis/Kreis Sigmaringen -  Von Bundesstraßen, Maut und Rüstungsindustrie: Wie stehen die Direktkandidaten Alexander Gaus (Bündnis 90/Die Grünen), Annette Groth (Die Linke), Jochen Jehle (SPD), Lothar Riebsamen (CDU) und Hans-Peter Wetzel zu Fragen aus dem Bereich "Wirtschaft und Verkehr"?

Wie beurteilen Sie die Bemühungen um den Ausbau der B31? Sind diese Ihrer Meinung nach unterstützenswert? 

Alexander Gaus, Bündnis 90/Die Grünen: Wir brauchen eine Verkehrsentlastung in der Bodenseeregion. Hierbei ist es wichtig, in zusammenhängenden Strukturen aller Verkehrsmittel zu denken. Die Landesregierung hat die in den Verkehrswegeplan eingestellten Projekte anhand nachvollziehbarer Kriterien klar priorisiert. Die Bundesregierung lehnt eine solche Priorisierung ab, weil sie weiß, dass die Mittel für alle geplanten Projekte nicht vorhanden sind. Für eine nachhaltige Verkehrsentlastung und bessere Verkehrsanbindung für unsere Region werde ich mich auch im Bundestag stark machen.

Annette Groth, Die Linke: Der Ausbau der B31 mit wechselseitigen Überholspuren ist ein Schritt in die richtige Richtung. Einen vierspurigen Ausbau der B31 halte ich nicht für sinnvoll. Aber, ausgerechnet Hagnau wird in die B 31 nicht integriert, die Westumgehung ist lediglich 7,1 km lang und kostet insgesamt 108 Millionen Euro, das sind 14 Millionen Euro pro Kilometer. Meiner Meinung nach ist das zu teuer. Durch einen Ausbau des Öffentlichen Verkehrs inklusive der Gürtelbahn könnte wesentlich schneller und besser eine Verkehrsentlastung in der Region erreicht  werden, das schont auch Mensch und Umwelt.

Jochen Jehle, SPD: Das lokale parteiübergreifende Bündnis für die B31 finde ich wichtig. Obwohl die grün-rote Landesregierung die B31 in der Liste der wichtigsten Projekte ganz oben positioniert hat, hat die schwarz-gelbe Bundesregierung die B30 vorgezogen. So kann man mit unserer Region nicht umgehen! Die Möglichkeit einer Vorfinanzierung durch die regionale Industrie finde ich überlegenswert.

Lothar Riebsamen, CDU: Nicht nur unterstützenswert, sie sind unabdingbar. Der Einsatz Aller ist verantwortlich dafür, dass wir bereits drei Jahre nach Planfeststellung - ein vergleichsweise kurzer Zeitraum - mit 1,6 Millionen Euro zur Verlegung des Mühlbachs ein deutliches Signal des Bundes zum Ausbau bekommen haben. Damit sind Baumaßnahmen fest im Bundeshaushalt verankert. Zu Beginn der Legislaturperiode hatte die B31 noch keine Priorität, denn erst mit Beschluss der Planfeststellung 2010 war der Bau rechtskräftig.
 
Hans-Peter Wetzel, FDP: Seit Jahren begrüße und unterstütze ich alle Bemühungen zum Ausbau der B31, da dieses Thema absoluten Vorrang hat. Unsere Region leidet seit Jahren darunter, dass wir im Bodenseekreis nur noch im Stau stehen.

Sind Sie der Auffassung, dass eine Elektrifizierung der Südbahn überhaupt noch nötig ist? Angesichts der Tatsache, dass es mittlerweile moderne Dieselzüge mit Hybridantrieb gibt? 

Alexander Gaus, Bündnis 90/Die Grünen: Eine Elektrifizierung ist sinnvoll, um die Strecke der Südbahn und Bodenseegürtelbahn ins vorhandene Schienennetz besser zu integrieren. Darüber hinaus bedarf es eines weiteren Ausbaus des Schienennetzes, um eine halbstündige Vertaktung zu erreichen und den IRE-Sprinter zu erhalten. Bis zur vollständigen Elektrifizierung kann der Einsatz von Zügen mit Hybridantrieb gegebenenfalls als Zwischenlösung dienen.


Annette Groth, Die Linke: Ich unterstütze die Forderung zur Elektrifizierung der Südbahn,  da auch Strom aus erneuerbaren Energien genommen werden könnte. Ausdrücklich unterstütze ich den Ausbau der Südbahn auf zwei  Trassen. Ich hoffe, dass die Ankündigung des Bundesverkehrsministeriums, die benötigten Gelder ab 2015 dafür zur Verfügung zu stellen, nicht nur ein Wahlversprechen ist,  sondern auch realisiert wird.

Jochen Jehle, SPD: Die Elektrifizierung wird nicht gemacht, weil Elektroloks so toll sind, sondern weil es um die durchgehende Anbindung ab Ulm bzw. Lindau geht. Dieser Elektrifizierung wird eine hohe Wirtschaftlichkeit bescheinigt und sie nutzt der Region.

Lothar Riebsamen, CDU: Sicher ist sie nötig. Um von uns aus in einen elektrifizierten Bezirk wie Ulm oder Vorarlberg fahren zu können, benötigen wir auch den elektrifizierten Zug. Fahrzeiten werden so deutlich reduziert.
 
Hans-Peter Wetzel, FDP: Die Elektrifizierung der Südbahn ist absolut notwendig, insbesondere auch im Hinblick auf das Projekt Stuttgart 21. Dieselloks, auch mit Hybridantrieb, können in den tiefergelegten Bahnhof nicht einfahren.

Glauben Sie, dass wir 2015 den Spatenstich zum Neubau der B31neu erleben werden?

Alexander Gaus, Bündnis 90/Die Grünen: Viele von der Bundesregierung im Bundesverkehrswegeplan eingestellte Vorhaben sind nicht ausreichend finanziert. Zu diesen Vorhaben zählt auch der Neubau der B31. Auch eine Finanzierungszusage von 1,5 Prozent ändert nichts an der Situation, dass die Mittel für den hohen Anteil an nichtfinanzierten Neubauversprechungen im Bund fehlen. Grundlage für die Bundesverkehrsnetzplanung muss ein Gestaltungsszenario mit überprüfbaren Zielen und nachvollziehbaren Priorisierungskriterien sein. Dies wollen wir mit einer Weiterentwicklung des Bundesverkehrswegeplans zu einem Bundesmobiltätsplan erreichen.

Annette Groth, Die Linke: Aufgrund der Unterfinanzierung des Bundesverkehrswegeplanes ist der Beginn der Bauarbeiten völlig offen.  Ob die jetzige Ankündigung nur „Wahlkampfgetöse“ ist, um den Menschen Hoffnungen zu machen, wird sich zeigen. Wenn der Bund zahlt, könnten wir den Spatenstich 2015 erleben; das Planstellungsverfahren ist ja abgeschlossen.


Jochen Jehle, SPD: Mit einer Regierungsbeteiligung der SPD steigen die Chancen für einen Spatenstich in naher Zukunft, da wir 2 Milliarden Euro (+ 20 Prozent) mehr Geld in die Verkehrsinfrastruktur stecken wollen.

Lothar Riebsamen, CDU: Ich, wir alle kämpfen dafür.
 
Hans-Peter Wetzel, FDP: Ich hoffe und wünsche sehr, dass wir 2015 den Spatenstich zum Neubau der B 31 erleben werden. Das wird ein Fest für den Bodenseekreis.
 

Sind Sie der Meinung, dass der Katamaran ein günstiges und zuverlässiges und absolut notwendiges Verkehrsmittel ist?

Alexander Gaus, Bündnis 90/Die Grünen: Als Schiffsverbindung über den See ist der Katamaran seit einigen Jahren ein von Touristen, Einheimischen und Pendlern genutztes Verkehrsmittel. Um die Verkehrsanbindung des gesamten nördlichen Bodenseeufers zu stärken, wäre ein Ausbau der Schnellbusse über die Fähre Staad-Meersburg für viele Reisende und Pendler ein Gewinn.

Annette Groth, Die Linke: Nein, der Katamaran ist vergleichsweise ein teures Verkehrsmittel und wird immer auf Zuschüsse angewiesen sein.  Die Stadtwerke Konstanz und die Technischen Werke Friedrichshafen (TWF) müssen jährlich 400 000 Euro bezahlen, um das Defizit auszugleichen. Wenn der Treibstoffpreis weiter steigt, wovon in den nächsten Jahren auszugehen ist,  dürfte dieses Defizit größer werden.


Jochen Jehle, SPD: Der Katamaran ist ein lokales Verkehrsmittel, über dessen Nutzen und Finanzierung die daran Beteiligten vor Ort beschließen müssen. Unentbehrlich finde ich den Katamaran nicht.

Lothar Riebsamen, CDU: Den Katamaran lediglich auf den Kosten-Nutzen-Effekt zu reduzieren greift meiner Ansicht nach zu kurz. Aber letztlich entscheiden die beteiligten Gemeinden.
 
Hans-Peter Wetzel, FDP: Beim Katamaran bin ich zurückhaltend. Er war meines Erachtens für den Bodensee nicht notwendig.
 

Was halten Sie von der Aussage, dass eine Bodensee-S-Bahn alle Länder rund um den See verbinden soll und diese baldmöglichst gebaut werden soll? 

 
Alexander Gaus, Bündnis 90/Die Grünen: Seit vielen Jahren setzen wir Grünen uns für eine Bodensee-S-Bahn ein. Eine attraktive öffentliche Verkehrsinfrastruktur und nachhaltige Mobilität in unserer Region schaffen wir nur mit einem gut abgestimmten und vertakteten Schienenverkehr. Wir fordern deshalb eine flächendeckende Elektrifizierung und einen Ausbau des Schienennetzes der Bodenseegürtelbahn, um eine halbstündige Vertaktung am nördlichen Seeufer zu erreichen und den IRE-Sprinter nach Ulm zu erhalten.


Annette Groth, Die Linke: Eine sehr gute Idee! Die Schweizer und die Österreichische Bahn sind bereits getaktet und es wäre für Bevölkerung wie für Touristen von großem Vorteil, wenn eine umfassende  S-Bahn die Bodensee Region untereinander verbinden würde.  Eine S-Bahn hätte zudem den großen Vorteil, dass sich der Verkehr auf den Straßen erheblich reduzieren würde.

Jochen Jehle, SPD: Ich bin für eine Angebotsverbesserung auf der Gürtelbahn. Die diesbezüglichen Planungen des Bodenseekreises zeigen auf, wie man in kleinen Schritten (anders geht es meiner Meinung nach nicht) dem Ziel eines 30-Minuten Takts näher kommt und später auch darüber hinaus. Bis eine Elektrifizierung verwirklicht werden kann, dauert es sichern noch Jahrzehnte. Für eine bessere Vertaktung des Schienenverkehrs um den See benötigt man nicht notwendigerweise umsteigefreie Verbindungen.


Lothar Riebsamen, CDU: Das ist eine sehr interessante Vision. Aktuell und für die nächsten Jahre geht es jedoch darum, die Südbahn zu elektrifizieren und zu Verbesserungen bei der Bodenseegürtelbahn zu kommen, die in meinen Augen als Erfolgsgeschichte betrachtet werden kann.
 
Hans-Peter Wetzel, FDP: Ich hoffe und wünsche ebenfalls, dass die Bodensee-S-Bahn, die alle Länder rund um den Bodensee verbindet, bald möglichst gebaut wird. Dadurch wird der Bodensee noch internationaler. Die Städte um den Bodensee rücken dadurch näher zusammen. Wir sind dann wirklich ein See.
 

Der Flughafen Friedrichshafen kann derzeit nur mit öffentlichen Fördermitteln wirtschaften. Halten Sie dies für sinnvoll?

 
Alexander Gaus, Bündnis 90/Die Grünen:
Ein Flughafen muss sich selbst tragen können, um dieses Ziel zu erreichen muss er in angemessenem Maße gebaut werden. Der Flughafen Friedrichshafen erzielt nur die Hälfte der angenommenen Passagierzahlen und zeigt auch im aktuellen Jahr rückläufige Fluggastzahlen. Eine Förderung mit öffentlichen Mittel muss immer gut begründet sein. Es gilt den Nutzen und die Kosten für die Allgemeinheit abzuwägen.


Annette Groth, Die Linke: Nein. 2012 fiel die Zahl der Passagiere um 4,7 Prozent  auf 545121 Passagiere; das ist fast die Hälfte der vor Jahren prognostizierten Zahl von einer Million Fluggäste. Das Defizit erhöhte sich um 1,9 Millionen Euro, von 2,7 Millionen Euro in 2011 auf 4,6 Millionen Euro 2012. Der Bodenseekreis und die Stadt Friedrichshafen müssen in diesem Jahr jeweils 3,5 Millionen Euro bereitstellen, um die Liquidität zu sichern. Nicht nur in Friedrichshafen sinken die Flugpassagierzahlen, sondern auch in anderen Flughäfen. D.h. eine Zunahme der Fluggäste ist eher unwahrscheinlich, falls dann noch eine längst überfällige Steuer auf Kerosin komme sollte, werden die Flugpreise steigen, die Passagierzahlen weiter sinken, das Defizit sich erhöhen. Der Bodenseekreis hat mit zwei Flughäfen in der Nähe, Zürich und Memmingen, einen großen Vorteil, so dass eine Schließung des Flughafens Friedrichshafen keine Katastrophe wäre, im Gegenteil, die Anwohner, die unter dem Fluglärm leiden, wären dafür sicher äußerst dankbar.
 
Jochen Jehle, SPD: Der Flughafen Friedrichshafen ist eine wichtige Infrastruktureinrichtung der Region und macht im laufenden Betrieb Gewinn. Mit den vor kurzem erfolgten Weichenstellungen bei der Kapitalausstattung konnten diese Belastungen reduziert werden. Zudem beteiligt sich die regionale Wirtschaft am Flughafen, was Ausdruck des gemeinsamen Interesses an dieser Einrichtung ist. Und es gibt andere Verkehrsmittel, die ohne öffentliche Subventionen nicht überlebensfähig wären.

Lothar Riebsamen, CDU: Das müssen die Gesellschafter entscheiden. Für die Region ist der Flughafen zweifelsohne wichtig, ich schätze diese Nähe auch sehr.


Hans-Peter Wetzel, FDP: Der Flughafen Friedrichshafen verbindet die Bodenseeregion mit der Welt. Der Flughafen Friedrichshafen ist notwendig für die Wirtschaft, für den Tourismus und für die Menschen insgesamt. Als Kreisrat habe ich mich für die Unterstützung des Flughafens Friedrichshafen ausgesprochen und eingesetzt, da ich diese Förderung für sinnvoll halte.
 
 

Unsere Region leidet insgesamt unter einer mangelhaften Verkehrsinfrastruktur. Befürworten Sie die Einführung einer PKW-Maut, deren Erlös für die Sanierung bzw. Neubau des Straßennetzes verwendet wird?

Alexander Gaus, Bündnis 90/Die Grünen: Unsere Verkehrsinfrastruktur ist unterfinanziert. Es bedarf deshalb einer solideren Finanzierungsgrundlage, um unsere jetzige Verkehrsinfrastruktur zu erhalten. Neben einer ökologischen Steuerreform, zum Beispiel der Abschaffung des Dienstwagenprivilegs, kann auch eine Maut basierte Finanzierung sinnvoll sein. Diese muss allerdings zwingend dem Verkehrshaushalt zu Gute kommen und auch eine verkehrsstromtechnische und ökologische Steuerung ermöglichen. Nur so kann sie zu einer besseren Verkehrsverteilung und einem umweltverträglicheren Verhalten im Bereich der Mobilität beitragen.

Annette Groth, Die Linke: Nein, die Autobahn-Maut bei LKWs zeigt eindeutig, dass die LKWs die Autobahnen vermeiden und auf die Bundesstraßen ausweichen, d.h. der LKW-Verkehr hat auch im Bodenseekreis erheblich zugenommen. Eine PKW-Maut auf allen Straßen würde erhebliche finanzielle Investitionen bedeuten, die meines Erachtens gleich in die Sanierung des Straßennetzes fließen sollte. Darüber hinaus hat die Maut noch einen unerwünschten Nebeneffekt, denn die Kameras würden alle PKW-Bewegungen, Nummernschilder und dergleichen speichern. Insbesondere in Zeiten der großen Abhörspionage - wie die Enthüllungen der NSA und anderer Geheimdiensten zeigen -  bin ich gegen die Maut. Die Maut für ausländische PKWs, wie von CSU-Chef Seehofer vorgeschlagen, verstößt gegen EU-Recht.


Jochen Jehle, SPD: Eine Vignette lehne ich ab, weil sie den Vielfahrer genauso viel kostet, wie den Wenigfahrer. Eine fahrkilometerabhängige Maut lehne ich ab, weil damit ein Überwachungssystem installiert werden muss, das technisch aufwändig und teuer ist. Die Mineralölsteuer hat finanztechnisch zudem schon den Effekt, dass Vielfahrer mehr bezahlen als Wenigfahrer und das auf allen Straßen! Lastwagen schaden den Straßen mehrtausendfach stärker als PKW. Von daher müssen diese Verkehrsmittel stärker für die Straßenfinanzierung herangezogen werden. Fazit: Von einer Ausweitung der LKW-Maut auf die Bundesstraßen erwartet die SPD weniger Ausweichverkehr und jährliche Zusatzeinnahmen von zwei Milliarden Euro, die wir wieder in den Straßenbau investieren.

Lothar Riebsamen, CDU: Ich bin für Einführung einer Vignette, keiner elektronischer Maut – und das nur unter der Bedingung, dass deren Erlös tatsächlich in Neubau und Sanierung des Straßennetzes fließt.
 
Hans-Peter Wetzel, FDP: Ich unterstütze die Forderung nach der Einführung der PKW-Maut, aber nur auf Bundesautobahnen. Die Forderung einer PKW-Maut auf allen Straßen – wie kürzlich Grünen-Verkehrsminister Hermann vorgeschlagen hat – lehne ich mit großer Entschiedenheit ab. Die PKW-Maut auf Autobahnen könnte sinnvoll eingesetzt werden für den Ausbau der Autobahnen und der Bundesstraßen.

Zunehmend haben regionale Unternehmen Probleme, Facharbeiter zu bekommen. Halten Sie die verstärkte Rekrutierung von ausländischen Fachkräften für einen Weg, um dieses Problem zu lösen?

Alexander Gaus, Bündnis 90/Die Grünen: Verstärkte Bemühungen durch Ausbildungsangebote vor Ort und Bindung der Arbeitnehmer durch attraktive Arbeitsbedingungen und eine familienfreundliche Politik sind im Wettbewerb um Fachkräfte unumgänglich. Zusätzlich zu diesen Maßnahmen fordern wir ein Punktesystem, um die Zuwanderung von ausländischen Fachkräften leichter zu ermöglichen.

Annette Groth, Die Linke: Nein, denn ausländische Fachkräfte fehlen dann in ihren Ländern. Meines Erachtens muss Deutschland keinen  „Fachkräftemangel“ haben.  Wir Linke setzen uns dafür ein, dass Menschen ein lebenslanges Recht auf Weiterqualifizierung und Weiterbildung erhalten. Die heutige hochtechnisierte Gesellschaft braucht Menschen, die ohne Sorgen um ihren Arbeitsplatz Weiterbildungsangebote wahrnehmen können. Menschen in unserer Gesellschaft sollen sich dafür entscheiden können, auch ein oder zwei Jahre aus dem Berufsalltag auszuscheiden,  um sich weiterzubilden; dann sollen sie aber das Recht haben, an ihren Arbeitsplatz zurückzukehren. Die Linke tritt dafür ein, dass alle Menschen ein gesetzlich garantiertes Recht auf bezahlten Weiterbildungsurlaub erhalten.  Zur Fachkräftesicherung bedarf es übrigens vieler anderer  "weicher" oder sozialer Bedingungen  wie z.B. gute Kinderbetreuung, bezahlbarer Wohnraum, gute öffentliche Verkehrsanbindung, gute Arbeitsbedingungen und insbesondere gute Löhne.

 
Jochen Jehle, SPD: Es gibt viele Wege, das Facharbeiterproblem zu lösen. Die SPD hat mit ihrem Zuwanderungsgesetz Anfang des 21. Jahrhunderts überhaupt erst durchgesetzt, dass Deutschland sich für Zuwanderung öffnet. Das Anwerben ausländischer Fachkräfte muss dabei mit einer Willkommenskultur verknüpft werden z. B. durch Unterstützung bei der Wohnungssuche, bei Behördengängen, in schulischen Fragen usw. Andere Wege wären für mich eine Stärkung der dualen Ausbildung, eine höhere Erwerbsbeteiligung von Frauen oder eine flexible Verlängerung der Lebensarbeitszeit.

Lothar Riebsamen, CDU: Die Rekrutierung ausländischer Fachkräfte ist angesichts der demografischen Entwicklung notwendig. Für mich liegt hier die Betonung aber auf qualifiziert. Doch zunächst sollten wir unser eigenes Potenzial nutzen. So ist die Arbeitslosigkeit im Osten Deutschlands bspw. immer noch zu hoch.


Hans-Peter Wetzel, FDP: Das Facharbeiter-Problem ist evident. Ich finde es notwendig, dass wir uns im Ausland nach ausländischen Fachkräften umsehen und diese anwerben, um dem Fachkräftemangel bei uns entgegenzuwirken. Die Bundesrepublik muss konkrete Angaben machen, welche Facharbeiter gewünscht werden, um das Problem zu lösen.
 
 

Die Kommunen verfügen nur über die Gewerbesteuer über eine ergiebige Einnahmequelle. Nun gibt es Forderungen, diese Steuer der kommunalen Hoheit zu entziehen. Sind Sie ein Gegner oder Befürworter dieser Pläne?

 
Alexander Gaus, Bündnis 90/Die Grünen: Wir wollen die Kommunen finanziell unterstützen und zwar vor allem die Kommunen, die mit großen Problemen zu kämpfen haben. Die Kommunen sollen eine ausreichende Finanzausstattung erhalten und so in die Lage versetzt werden, ihren Bürger eine gute Daseinsvorsorge und gute Infrastruktur zu bieten und ihren kommunalen Selbstverwaltungsaufgaben wieder gerecht zu werden. Die Gewerbesteuer ist ein eine wichtige Finanzquelle für die Kommunen. Wir wollen sie in kommunaler Hoheit belassen und zu einer kommunalen Wirtschaftssteuer, mit einer breiteren Bemessungsgrundlage, weiterentwickeln.


Annette Groth, Die Linke: Eine ausgesprochene Gegnerin. Steuereinnahmen, die den Kommunen nutzen, gibt es  zu wenige. Kommunen brauchen aber Geld zur Finanzierung der öffentlichen Daseinsvorsorge wie Schulen, Kinderbetreuungseinrichtungen, Jugendzentren aber auch Energie, Wasser und öffentlichen Personennahverkehr. Kommunen, die zu wenige Einnahmen haben,  werden gezwungen, ihre Betriebe der öffentlichen Daseinsvorsorge zu privatisieren. Das lehnt Die Linke ab.
 
Jochen Jehle, SPD: Die Gewerbesteuer hat sich bewährt und ist eine wichtige Finanzquelle der Kommunen. Zudem bietet sie einen Anreiz, Gewerbe anzusiedeln. Die SPD will die Gewerbesteuer so weiterentwickeln, dass die Einnahmebasis für die Kommunen besser wird
 
Lothar Riebsamen, CDU:
Es gibt nicht nur die Gewerbesteuer, auch die Grundsteuer. Die Kommunen erhalten einen Anteil aus der Einkommenssteuer oder erheben Gebühren bei Wasser/Abwasser etc. Ich war fast zwanzig Jahre lang Bürgermeister und weiß wovon ich rede. Und ich weiß auch, dass die Kommunen das gut machen. Deshalb sollte die Gewerbesteuer erhalten bleiben.
 
Hans-Peter Wetzel, FDP: Die Gewerbesteuer ist eine sehr problematische Steuer, da sie die Substanz der Unternehmen besteuert. Die FDP hat sich seit Jahren dafür eingesetzt, dass die Gewerbesteuer abgeschafft wird und dafür die Kommunen ein eigenes Steuerfindungsrecht bekommen. Dadurch wollen wir den Kommunen keine Steuerhoheit entziehen. Das Gegenteil ist der Fall. Die Kommunen bekommen das Recht eine eigene Steuer einzuführen, z. B. um ein bestimmtes Projekt zu finanzieren.

 

Viele Unternehmen im Wahlkreis leben (auch) von der Rüstungsindustrie. Kann es sich die Bundesrepublik leisten, auf die Panzergeschäfte mit Saudi Arabien zu verzichten?

Alexander Gaus, Bündnis 90/Die Grünen: Eine Beachtung der Menschenrechte steht klar vor den wirtschaftlichen Interessen bei Exporten von Rüstungsgütern. Rüstungsexporte müssen stärker als bisher kontrolliert werden. Dazu wollen wir ein Gesetz, das die Kriterien der Rüstungsexportrichtlinie, insbesondere die Menschenrechtslage im Empfängerland und die Gefahr der inneren Repression, fest verankert. Außerdem soll das Auswärtige Amt für Rüstungsexporte zuständig sein. Wir wollen den Bundessicherheitsrat in seiner jetzigen Form abschaffen. Die Geheimhaltung der Beschlüsse über Rüstungsexporte wollen wir aufheben. Der Deutsche Bundestag wird vor einer beabsichtigten Rüstungsexportgenehmigung bei besonders sensiblen Exporten unterrichtet und erhält die Möglichkeit für ein aufschiebendes Veto zur Stellungnahme.
 
Annette Groth, Die Linke: Ja, eindeutig.  Ich bin für die allmähliche Konversion der Rüstungsindustrie, eine alte Forderung der Friedensbewegung. Allein für den Energieumbau brauchen wir viele Investitionen in Solar-, Wasserkraft- und Windkrafttechnologie, da könnten wir Tausende von neuen Arbeitsplätzen schaffen. Baden-Württemberg ist mit nur 5 Prozent an erneuerbarer Energie Schlusslicht in Deutschland, da gilt es viel aufzuholen.
 

Jochen Jehle, SPD: Die Politik hat nicht die Aufgabe die Rüstungsindustrie zu fördern. Vielmehr muss die Rüstungsindustrie die bestmöglichen Waffen zu einem bezahlbaren Preis liefern, die wir für die Erfüllung unserer Aufgaben in internationalen Friedenseinsätzen benötigen. Darüber hinaus müssen Waffenexporte eingehend kontrolliert werden. Meine Kontrolle hat ergeben: Die Bundesrepublik kann darauf verzichten, Panzergeschäfte mit Saudi Arabien zu machen. Allerdings sollte sie sich dabei europaweit abstimmen, wenn das Bestandteil einer sinnvollen, international angelegten diplomatischen Strategie sein soll.
 
Lothar Riebsamen, CDU: Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten kann sich die Bundesrepublik Deutschland leisten, auf diese Art Geschäfte zu verzichten. Es stellt sich die lediglich Frage, ob unser Land sich den Verzicht aus sicherheitspolitischen Erwägungen leisten kann.
 
Hans-Peter Wetzel, FDP: Das Problem der Rüstungsexporte kann meines Erachtens nur im Einvernehmen mit allen Ländern, z.B. in der EU oder der NATO-Länder gelöst werden. Der Verzicht der Bundesrepublik auf Panzergeschäfte, z. B. mit  Saudi Arabien wird keine Wirkung haben, wenn dafür andere Staaten einspringen. Aus diesem Grunde ist es erforderlich, dass die Staatengemeinschaft eine Lösung findet.

 

Überlingen wartet dringend auf den Ausbau der B 31, noch rechtzeitig vor der Landesgartenschau. Doch ist es damit bis 2020 nicht schon viel zu spät und das Geld längst für andere Straßenprojekte verplant?

 
Alexander Gaus, Bündnis 90/Die Grünen:
Viele von der Bundesregierung im Bundesverkehrswegeplan eingestellte Vorhaben sind nicht ausreichend finanziert. Zu diesen Vorhaben zählt auch der Ausbau der B31. Die grün-rote Landesregierung hat die Straßenprojekte klar priorisiert. Auch auf Bundesebene brauchen wir eine Priorisierung nach überprüfbaren Zielen und nachvollziehbare Kriterien. Dies wollen wir mit einer Weiterentwicklung des Bundesverkehrswegeplans zu einem Bundesmobiltätsplan erreichen.

Annette Groth, Die Linke: Ja, dafür ist es wohl zu spät; d.h. der Ausbau des ÖPNV bietet sich geradezu an und sollte vorranging gefördert werden!
 
Jochen Jehle, SPD: Mir sind keine zuverlässigen Zeitplanungen für den Bau der B31 bei Überlingen bekannt. Vorrang haben für mich die Projekte, bei denen die meisten Menschen von Lärm und Verkehrsbelastungen entlastet werden können.
 
Lothar Riebsamen, CDU:
Wir kämpfen dafür, dass dieser Ausbau bis zur Landesgartenschau gelingt. Doch dafür muss das Land Baden-Württemberg die Straße für den nächsten Bundesverkehrswegeplan vorschlagen. Versprechungen kann und will ich hier deshalb auch keine machen.

 
Hans-Peter Wetzel, FDP: Ich hoffe sehr, dass die B31 bei Überlingen früher gebaut wird. Die Straße ist planfestgestellt. Mit dem Bau kann morgen begonnen werden. Ich hoffe sehr, dass der Bau nicht erst im Jahre 2020 erfolgen wird.
 
 

Im Zusammenhang mit der Bodenseeschifffahrt tun sich kleinere Betriebe schwer, ein Angebot in Konkurrenz zur großen BSB aufzubauen. Muss sich die Politik in diese Auseinandersetzung zum Wohl des freien Wettbewerbs einmischen?

 
Alexander Gaus, Bündnis 90/Die Grünen: Einer Gemeinde steht es frei, die Nutzung ihres Hafens als öffentliches Gut mit Auflagen zu verbinden. Hierbei sollte sie die Interessen aller Betroffenen und Nutzern im Auge haben. Ein fairer Wettbewerb muss im Interesse der Passagiere für alle Anbieter von Beförderungsleistungen auf dem Bodensee möglich sein. Allen Anbietern, die ihre Rechte verletzt sehen, steht es frei, diese beim Verwaltungsgerichtshof geltend zu machen.

Annette Groth, Die Linke: Nein, das ist in diesem Fall sicherlich nicht Aufgabe der Politik.
 
Jochen Jehle, SPD: Nein. Dieses lokalpolitische Problem sollten die Verantwortlichen vor Ort selbst klären.
 
Lothar Riebsamen, CDU: Konkurrenz belebt das Geschäft. Letztlich sollten BSB wie kleine Anbieter ihr Potenzial ausschöpfen können. Doch klar ist auch, dass das hervorragende Angebot der BSB von Ostern bis Herbst nicht leiden sollte.
 
Hans-Peter Wetzel, FDP: Die Politik muss darauf achten, dass ein fairer Wettbewerb zwischen den Betrieben der Bodenseeschifffahrt besteht.