Straßenbau: Hermann lässt den
Bund abfahren
Symbolhaft,
intransparent, unterfinanziert: Landesverkehrsminister lehnt Einladung zum
Spatenstich in Unlingen ab
Von Gunnar
M. Flotow und Tanja Poimer
Eine Weile lang war Unlingen der breiten
Öffentlichkeit nur als Heimatort des Stürmerstars Mario Gomez bekannt. Alle,
die sich seit Jahren für den Bau der B 31-neu einsetzen, verbinden mit dem
Namen des 2500-Einwohner-Dorfs seit dem 3. Dezember 2012 vor allem eines: die
fragwürdigste Entscheidung seit Erfindung der Verkehrspolitik. An jenem Tag
ließ der Biberacher CDU-Bundestagsabgeordnete Josef Rief in einer
Pressemitteilung wissen, dass der Bund dank zusätzlicher Mittel den Bau der
Umgehung Unlingen mit drei Millionen Euro
unterstützt. Die B 31-neu fand überhaupt keine Beobachtung – obwohl sie in der Priorisierungsliste des Landes, die vom Bund anerkannt
wurde, viel weiter oben steht. Der Aufschrei in Friedrichshafen war groß: „Hinterzimmerkomplott“, „Weihnachtsgeschenke“, „Skandal“
hieß es quer durch alle politischen Reihen.
Mit
Unverständnis reagierte damals auch das Landesverkehrsministerium auf den
zweifelhaften Geldsegen. „Das ist alte Spatenstichpolitik zugunsten von
Parteifreunden. Eine effektive, anhand von nachvollziehbaren Kriterien
ausgerichtete Straßenbaupolitik bleibt auf der Strecke“, sagte
Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne). Bei dieser
Meinung ist er geblieben. Aus Protest gegen die Berliner Straßenbaupolitik
schreckt er jetzt auch vor einem Eklat nicht zurück: Am Mittwoch teilte
Winfried Hermann seinem Kollegen Peter Ramsauer mit, dass er am 5. September
nicht „an einem rein symbolischen Spatenstich in Unlingen“
teilnehmen werde. Begründung: „Andere Maßnahmen waren und sind aus der
übergeordneten Sicht objektiv dringender, nennen möchte ich die B 31 Immenstaad-Friedrichshafen“, schreibt Winfried Hermann. Er
könne sich des „Eindrucks nicht erwehren, dass rein politisch motivierte Gründe
zur Auswahl einzelner Maßnahmen geführt haben“. Der Grünen-Politiker nennt das
Vorgehen des Bundesverkehrsministeriums „im Lichte der anstehenden
Bundestagswahl“ ein „Sinnbild einer an nicht durchfinanzierten
Spatenstichen orientierten Straßenbaupolitik“.
„Unprofessionelles“
Verhalten
„Minister Hermann bleibt sich und seinen
Grundsätzen treu und hält an der Priorisierung fest“,
sagt Friedrichshafens Oberbürgermeister Andreas Brand dazu, dass der
Landesverkehrsminister beim Spatenstich in Unlingen
durch Abwesenheit glänzen will. Winfried Hermanns Niederschrift an
Bundesverkehrsminister Ramsauer, der Ausbau der B31 Immenstaad-Friedrichshafen
sei aus der übergeordneten Sicht objektiv dringender, bewertet der OB als
„positiv für uns“. Noch positiver wäre es natürlich, der Termin für den
Baubeginn der Häfler Umgehungstraße stünde bereits
fest, und Hermann hätte sein Kommen für diesen Spatenstich zugesagt. Andreas
Brand: „Es darf aber auch gerne die Kanzlerin sein, wenn sie zum Beispiel im
nächsten Jahr wieder die Eurobike eröffnet.“
Lothar Riebsamen, der CDU-Bundestagsabgeordnete des
Bodenseekreises, findet das Verhalten von Winfried Hermann dagegen
„unprofessionell“. Es sei guter Brauch, dass die Landesregierung bei
Spatenstichen des Bundes vertreten sei, erklärt Riebsamen
– und wirft dem Landesverkehrsminister seinerseits „Symbolpolitik“ vor.
Aus dem
Bundesverkehrsministerium war am Mittwoch keine Stellungnahme mehr zur Hermann’schen Absage zu bekommen.
(Aktualisiert:
22.08.2013 07:41)