Über die B30 Süd wurde heftig
umstritten, obwohl der Neubau unumstritten war
Es gab tatsächlich keinen Politiker, der
gegen diese Straße war. Selbst in der Bevölkerung war und ist die Zustimmung
immens. Einzigartig bei solchen Straßenneubauprojekten: Niemand klagte gegen
die Planung. Ein paar unzufriedene Landwirte, die zunächst ihre Felder nicht
hergeben wollten, konnten durch Grundstückstausch oder Entschädigungszahlungen
beruhigt werden.
Altoberbürgermeister Hermann Vogler (CDU)
rührte zwar unermüdlich die Werbetrommel für das Projekt. Aber sehr dezent, wie
es seine Art ist. Zwischen 2006 und 2010 wurden in Ravensburg immer wieder
Stimmen laut, die den hiesigen Politikern Versagen vorwarfen, weil sich die
Freigabe der Mittel durch den Bund, der für die Finanzierung von Bundesstraßen
und Autobahnen verantwortlich ist, immer weiter verzögerte. Der Ravensburger
CDU-Abgeordnete Andreas Schockenhoff stand oft im
Mittelpunkt dieser Kritik. Sein Gegenspieler dabei der frühere SPD-Abgeordnete
Rudolf Bindig aus Weingarten.
Weil die Friedrichshafener
viel aggressiver und zum Teil auch kreativer für ihr Neubauprojekt der B31
warben, gab es zudem Befürchtungen, die Häfler
könnten die Ravensburger überholen. Obwohl sie erst später Baurecht bekamen
(das mit einem sogenannten Planfeststellungsbeschluss erteilt wird) und es mehr
Widerstand in der Bevölkerung gab. Dabei herrschte in der Region eigentlich
Konsens, dass die B30 Süd vor der B31 dran sein müsste. Oder, wie es Alt-OB Vogler 2009 formulierte: „Herr Brand und ich werden
mit Sicherheit kein Straßenrennen veranstalten. Beides ist notwendig.
Ravensburg Süd ist auch Friedrichshafen Nord.“
Nach dem Regierungswechsel im Land
Baden-Württemberg 2011 verstärkten sich Ängste, dass es vielleicht gar keine
neuen Straßen mehr geben werde, weil Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne)
reichlich unglücklich geäußert hatte: „Die Zeit der Spatenstiche ist vorbei.“
Eine Steilvorlage für CDU-Politiker aus der Region, die daraufhin den schwarzen
Peter für aufgeschobene Straßenbauprojekte dem Land zuschieben konnten. Die
Grünen vor Ort versuchten zu beschwichtigen, und auf einer Prioritätenliste,
die das Land kurz darauf herausgab, standen B31 und B30 Süd auf den drei
vordersten Stellen.
Andreas Brand (parteilos), das
Stadtoberhaupt aus Friedrichshafen, und Voglers Nachfolger Daniel Rapp (CDU)
schrieben dann im Oktober 2012, als der Termin für den Baubeginn immer noch in
den Sternen stand, einen Brandbrief ans Berliner Verkehrsministerium. Das Land
habe seine Hausaufgaben ganz hervorragend gemacht. Jetzt stehe der Bund in der
Pflicht. Denn letztendlich wird in Berlin entschieden, welche Straßenbauprojekte
wann verwirklicht werden. Der SPD-Politiker Rudolf Bindig
stand den beiden Stadtoberhäuptern bei, Andreas Schockenhoff
reagierte giftig. Gegen den Willen des Landes könne der Bund keine Straßen
bauen, die Oberbürgermeister würden sich irren.
Als der Ravensburger CDU-Politiker dann
wenige Wochen später und kurz vor Weihnachten die lang ersehnte Mittelfreigabe
bekanntgab (was nun doch möglich war gegen den angeblichen Willen des Landes),
ging ein neuer Streit los: Weil im Jahr 2013 nur eine Million Euro und 2014
zunächst nur zwei Millionen Euro bereitgestellt werden sollen, argwöhnten SPD
und Grüne ein „Wahlkampfgeschenk“. Wenn in dieser Finanzierungsgeschwindigkeit
gebaut werde, wäre die Straße erst 2050 fertig, lästerte der Biberacher
SPD-Abgeordnete Martin Gerster. „Keine Ahnung vom Straßenbau“ bescheinigte
Andreas Schockenhoff SPD und Grünen daraufhin.
Geringe Anschubfinanzierungen seien bei solchen Projekten ganz normal.
Hase und Igel
Ein Hase-und-Igel-Rennen gab’s dann noch mal
im April 2013. Details zur Streckenführung und den genauen Termin des
Baubeginns wollte Schockenhoff gemeinsam mit dem
Regierungspräsidium Tübingen (RP) auf einer ansonsten eher unbedeutenden
Versammlung der Eschacher CDU verkünden. Dem schob
das Land einen Riegel vor, die RP-Vertreter wurden zurückgepfiffen. Und der
grüne Verkehrsminister Winfried Hermann verkündete den Termin des Spatenstichs
seinerseits drei Tage vor der CDU-Versammlung per Pressemitteilung. Der
Minister, der angeblich keine Spatenstiche mehr wollte, wird am 3. Juli um 11
Uhr selbstverständlich zugegen sein. Der Erfolg hat viele Väter.
(Aktualisiert: 01.07.2013 21:56)