B30: Wie eine Straße zum Zankapfel der Parteien wurde

Über die B30 Süd wurde heftig umstritten, obwohl der Neubau unumstritten war

Von Annette Vincenz

RAVENSBURG Der Erfolg hat viele Väter. Wenn am Mittwoch sieben Jahre, nachdem das Baurecht ergangen ist, endlich mit dem weiteren Ausbau der B 30 im Ravensburger Süden begonnen wird, werden ziemlich sicher Politiker aller Parteien aus Bund, Land und kommunaler Ebene dabei sein wollen und einen symbolischen Spaten in den Boden rammen.

Es gab tatsächlich keinen Politiker, der gegen diese Straße war. Selbst in der Bevölkerung war und ist die Zustimmung immens. Einzigartig bei solchen Straßenneubauprojekten: Niemand klagte gegen die Planung. Ein paar unzufriedene Landwirte, die zunächst ihre Felder nicht hergeben wollten, konnten durch Grundstückstausch oder Entschädigungszahlungen beruhigt werden.

Altoberbürgermeister Hermann Vogler (CDU) rührte zwar unermüdlich die Werbetrommel für das Projekt. Aber sehr dezent, wie es seine Art ist. Zwischen 2006 und 2010 wurden in Ravensburg immer wieder Stimmen laut, die den hiesigen Politikern Versagen vorwarfen, weil sich die Freigabe der Mittel durch den Bund, der für die Finanzierung von Bundesstraßen und Autobahnen verantwortlich ist, immer weiter verzögerte. Der Ravensburger CDU-Abgeordnete Andreas Schockenhoff stand oft im Mittelpunkt dieser Kritik. Sein Gegenspieler dabei der frühere SPD-Abgeordnete Rudolf Bindig aus Weingarten.

Weil die Friedrichshafener viel aggressiver und zum Teil auch kreativer für ihr Neubauprojekt der B31 warben, gab es zudem Befürchtungen, die Häfler könnten die Ravensburger überholen. Obwohl sie erst später Baurecht bekamen (das mit einem sogenannten Planfeststellungsbeschluss erteilt wird) und es mehr Widerstand in der Bevölkerung gab. Dabei herrschte in der Region eigentlich Konsens, dass die B30 Süd vor der B31 dran sein müsste. Oder, wie es Alt-OB Vogler 2009 formulierte: „Herr Brand und ich werden mit Sicherheit kein Straßenrennen veranstalten. Beides ist notwendig. Ravensburg Süd ist auch Friedrichshafen Nord.“

Nach dem Regierungswechsel im Land Baden-Württemberg 2011 verstärkten sich Ängste, dass es vielleicht gar keine neuen Straßen mehr geben werde, weil Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) reichlich unglücklich geäußert hatte: „Die Zeit der Spatenstiche ist vorbei.“ Eine Steilvorlage für CDU-Politiker aus der Region, die daraufhin den schwarzen Peter für aufgeschobene Straßenbauprojekte dem Land zuschieben konnten. Die Grünen vor Ort versuchten zu beschwichtigen, und auf einer Prioritätenliste, die das Land kurz darauf herausgab, standen B31 und B30 Süd auf den drei vordersten Stellen.

Andreas Brand (parteilos), das Stadtoberhaupt aus Friedrichshafen, und Voglers Nachfolger Daniel Rapp (CDU) schrieben dann im Oktober 2012, als der Termin für den Baubeginn immer noch in den Sternen stand, einen Brandbrief ans Berliner Verkehrsministerium. Das Land habe seine Hausaufgaben ganz hervorragend gemacht. Jetzt stehe der Bund in der Pflicht. Denn letztendlich wird in Berlin entschieden, welche Straßenbauprojekte wann verwirklicht werden. Der SPD-Politiker Rudolf Bindig stand den beiden Stadtoberhäuptern bei, Andreas Schockenhoff reagierte giftig. Gegen den Willen des Landes könne der Bund keine Straßen bauen, die Oberbürgermeister würden sich irren.

Als der Ravensburger CDU-Politiker dann wenige Wochen später und kurz vor Weihnachten die lang ersehnte Mittelfreigabe bekanntgab (was nun doch möglich war gegen den angeblichen Willen des Landes), ging ein neuer Streit los: Weil im Jahr 2013 nur eine Million Euro und 2014 zunächst nur zwei Millionen Euro bereitgestellt werden sollen, argwöhnten SPD und Grüne ein „Wahlkampfgeschenk“. Wenn in dieser Finanzierungsgeschwindigkeit gebaut werde, wäre die Straße erst 2050 fertig, lästerte der Biberacher SPD-Abgeordnete Martin Gerster. „Keine Ahnung vom Straßenbau“ bescheinigte Andreas Schockenhoff SPD und Grünen daraufhin. Geringe Anschubfinanzierungen seien bei solchen Projekten ganz normal.

Hase und Igel

Ein Hase-und-Igel-Rennen gab’s dann noch mal im April 2013. Details zur Streckenführung und den genauen Termin des Baubeginns wollte Schockenhoff gemeinsam mit dem Regierungspräsidium Tübingen (RP) auf einer ansonsten eher unbedeutenden Versammlung der Eschacher CDU verkünden. Dem schob das Land einen Riegel vor, die RP-Vertreter wurden zurückgepfiffen. Und der grüne Verkehrsminister Winfried Hermann verkündete den Termin des Spatenstichs seinerseits drei Tage vor der CDU-Versammlung per Pressemitteilung. Der Minister, der angeblich keine Spatenstiche mehr wollte, wird am 3. Juli um 11 Uhr selbstverständlich zugegen sein. Der Erfolg hat viele Väter.

(Aktualisiert: 01.07.2013 21:56)