B 31: Straßenkämpfer setzen in Berlin ein Verkehrszeichen

Ob im Reichstag oder auf der Flughafenbaustelle: Für die Delegation vom See geht’s in der Hauptstadt fast nur um die Umgehungsstraße

Von Tanja Poimer

FRIEDRICHSHAFEN „Wenn jemand eine Reise tut, so kann er was verzählen.“ Die Feststellung, mit der Lyriker Matthias Claudius sein Gedicht „Herr Urians Reise um die Welt“ beginnt, ist nicht umsonst viel zitiert. Auch den Straßenkämpfern vom See, die am Montag nach Berlin aufgebrochen waren, um lautstark den Weiterbau der B 31 zwischen Friedrichshafen und Immenstaad zu fordern, dürfte die Inhaltsangabe der Tour seit ihrer Rückkehr am Dienstagabend wiederholt über die Lippen gegangen sein.

Und schon allein aufgrund des Reiseanlasses scheint klar, welcher Programmpunkt der Expedition in die Hauptstadt unter den Top-Drei der meist berichteten Geschichten landet: der Termin, bei dem Michael Odenwald (CDU), Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, auf einer Spreebrücke mit Blick auf das Regierungsviertel einiges zu hören bekam. Und zwar vor allem dank eines mit Kieselsteinen befüllten Betonmischers aus Friedrichshafen und eines Lärmmobils, das rein äußerlich mit feinen Ansichten vom Bodensee überzeugte, als innere Werte jedoch lediglich groben Straßenlärm zu bieten hatte.

Die lästigen Nebengeräusche, die dem engen Mitarbeiter des Verkehrsministers Peter Ramsauer in Ohr und Gedächtnis bleiben sollen, besorgte unter anderem Oberbürgermeister Andreas Brand: „Wir warten seit Jahrzehnten auf die Umgehungsstraße und werden nicht nachlassen. Es geht um 19 000 Arbeitsplatze und 100 000 Menschen in der Region.“

Bekenntnisse sitzen locker

Die wenig überraschende Antwort des Staatssekretärs: Für das etwa 108 Millionen teure Projekt ist kein Geld da. Aber: Weil er verwandtschaftliche Beziehungen nach Immenstaad habe, „weiß ich um die Lärmsituation“. Und: Die 1,6 Millionen Euro, die bereits für vorbereitende Maßnahmen zugesagt sind, seien ein klares Bekenntnis zur B 31-neu.

Abgesehen davon, dass Zusagen anders lauten und wenige Monate vor der Bundestagswahl im September klare Bekenntnisse locker sitzen, könnte die Aktion, die CDU-Bundestagsabgeordneter Lothar Riebsamen als „gelungen und sympathisch“ bezeichnete, irgendwann noch das Zünglein an der Waage sein. Das hoffen zumindest Landrat Lothar Wölfle, die Vertreter des Bündnisses Pro B 31-neu, die Mitglieder des Häfler Gemeinderates oder die Repräsentanten der Industrie, die den Lärmpegel in Berlin ebenfalls in die Höhe trieben.

Und sollte die Umgehungsstraße in naher Zukunft tatsächlich gebaut werden, hat Andreas Brand seinen Teil dazu beigetragen. Davon ist nicht zuletzt Eberhard Ortlieb, Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler im Häfler Stadtrat, überzeugt: „Wir sind sehr dankbar, dass der OB das Thema B 31 überall so massiv platziert und vorantreibt.“ Eine gute Gelegenheit dazu, wollte das Stadtoberhaupt am Montagabend nutzen.

Denn nachdem die Delegation vom See am späten Nachmittag gelandet war und sich von Lothar Riebsamen und dessen Kollegen von der FDP, Pascal Kober, durch das geschichtsträchtige Reichstagsgebäude samt moderner Glaskuppel hatte führen lassen, stand ein Essen in der Parlamentarischen Gesellschaft, dem Club der Abgeordneten, an.

Dort sollte planmäßig Volker Kauder mit am Tisch sitzen, und weil der OB aus Friedrichshafen etwas bewegen will, war er auf das Gespräch mit dem Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion entsprechend vorbereitet. Schade nur, dass von Andreas Brands Plan offenbar niemand sonst etwas wusste. Er gab zerknirscht zu: „In der Terminabsprache muss etwas falsch gelaufen sein.“ Abgehakt. Das Menü schmeckte sicher auch ohne Volker Kauder und eine andere Verabredung am nächsten Morgen klappte umso besser.

Auf Einladung der Zeppelin GmbH und in Begleitung des Vorsitzenden der Geschäftsführung, Peter Gerstmann, schauten sich die Straßenkämpfer auf der bekanntesten Baustelle Deutschlands, dem Flughafen Berlin-Brandenburg um. Das nahezu einstimmige Ergebnis: Wenn das was wird mit BER, dann nur weil Baumaschinen und Bauzäune von Zeppelin im Einsatz sind.

Dass mit den 25 Millionen Euro, die das Fremdschämprojekt im Monat kostet, die B 31-neu im Oktober zusammengespart wäre, ist zwar eine sinnlose Rechnung, macht das Ausmaß des Desasters jedoch anschaulich. Apropos anschaulich: Am Montagabend, als die Abordnung vom See der Überlieferung nach eine ganze Weile in gemütlicher Runde zusammensaß, wurde deutlich, dass sich sogar Kommunalpolitiker locker machen können.

Wie die Lockerungsübungen aussahen, ist allerdings eine von den Geschichten, die selbst nach einer Reise nicht erzählt werden. Oder um es erneut mit Lyriker Matthias Claudius zu halten: „Da hat er übel, übel dran getan. Verzähl er nicht weiter, Herr Urian.“

(Erschienen: 05.06.2013 19:50)