SZ trifft die B31-Aktivisten

 

 

Im Oktober 2012 sprühen Unbekannte einen Zebrastreifen auf die B 31 – Wir haben die Aktivisten getroffen

Von Sabrina Pensel

ZU-Studierende und konkrete kommunalpolitische Aktionen? Das gab’s bisher nicht allzu oft. Vielen in Erinnerung geblieben sind die Zebrastreifensprüher vom Seemooser Horn. Wir haben die Aktivisten (die weiterhin aus Angst vor der Polizei anonym bleiben wollen) exklusiv getroffen.

Die B 31 ärgert jeden Tag. Fahrzeug reiht sich an Fahrzeug, der Verkehrslärm dröhnt, für Fußgänger findet sich oft selbst nach minutenlangem Warten keine Lücke, die ein sicheres Wechseln der Straßenseite ermöglicht. Das betrifft auch die Studierenden der Zeppelin-Universität, die auf dem Weg zum Seecampus mehrmals am Tag an der Fahrbahn vorbeikommen.

Besonders das Fehlen von sicheren Überquerungsmöglichkeiten in direkter Nähe zur Universität sorgt immer wieder für Frustration. Während andere nur in Gesprächen ihrem Ärger Luft gemacht haben, entschieden Anne (Name von der Redaktion geändert) und einige ihrer Freunde, dass eine Protestaktion her muss, die in der Stadt für Gesprächsstoff sorgt.

 

„Der Fahrbahnübergang zwischen Kaufland und Seemooser Horn ist eine echte Zumutung. Wir haben die Situation eine Weile beobachtet. Als wir erkannt haben, dass keiner etwas dagegen unternimmt, war für uns klar, dass wir ein Signal setzen müssen“, erklärt sie die Beweggründe. So entstand die Idee zum Zebrastreifen auf der B 31 – ein Verkehrszeichen, das einerseits eine sichere Straßenüberquerung ermöglichen soll, aber Autofahrer auch dazu anhält, Respekt zu zeigen und für Fußgänger auf die Bremse zu treten. Genau das sollte es sein – ein Symbol der Achtsamkeit.

Kein jugendliches Aufbegehren

„Wir haben diese Aktion sehr genau geplant und viele Szenarien im Kopf durchgespielt. Besonders das Risiko, dass eventuell Menschen beim Überqueren des unechten Zebrastreifens verletzt werden könnten, hat uns Sorgen bereitet“, sagt Anne. Ein Indiz dafür, dass es sich bei der Protestaktion keinesfalls um ein unüberlegtes, jugendliches Aufbegehren gehandelt hat. Sich der Gefahren offenbar bewusst, bemühte sich die Gruppe schließlich, den Zebrastreifen möglichst originalgetreu abzubilden, um unnötige Verwirrung zu vermeiden. Gewappnet mit Farbe und Pappkartonschablonen machten sich die jungen Leute in dunkler Kleidung in der Nacht vom 21. auf den 22. Oktober 2012 auf den Weg zur B 31. „Ich war die ganze Zeit über sehr aufgeregt. Natürlich hatten wir Angst, dass wir erwischt werden. Einer von uns hat Schmiere gestanden, während die anderen gearbeitet haben. Sobald ein Auto kam, haben wir uns im Gebüsch oder im Schatten versteckt, um nicht erkannt zu werden“, erzählt Anne, während auch jetzt das Gefühl von Aufregung noch deutlich in ihrer Stimme mitschwingt.

Trotz der heiklen Situation haben sich die jungen Leute viel Mühe mit dem Zebrastreifen gegeben und hatten dabei keine Ahnung, wie dieser bei Tageslicht wirken würde. Auch das Risiko, erwischt zu werden, konnten sie zur Tatzeit nicht einschätzen. „Wenn man uns geschnappt hätte, wären wir natürlich für diese Aktion geradegestanden. Das war für uns völlig klar. Wir hatten vereinbart, dass wir alle rennen, sollte uns jemand bemerken. Wäre doch einer von uns erwischt worden, dann hätten wir natürlich zusammengehalten“, so Anne.

In der Tatnacht ging alles gut, trotz einiger vorbeifahrender Fahrzeuge blieb die Protestgruppe unentdeckt. Abgerundet mit dem Spruch „Für mehr Studentenleben“ verschönerte der Zebrastreifen am Folgetag die B 31 – und sorgte für Tumult.

Auffahrunfall schockiert

Viele Autofahrer hielten für die Studenten an, zeigten Achtsamkeit und Verständnis für die Aktion. Doch es gab auch negative Rückmeldungen, wie Anne berichtet. „Als wir im Laufe des Tages erfahren haben, dass es an der Stelle zu einem Auffahrunfall gekommen ist, waren wir sehr erschrocken. Das war genau das Szenario gewesen, was wir uns als schlimmsten Fall ausgemalt hatten. Bis heute wissen wir nicht genau, wie der Unfall abgelaufen ist. Am Tag selbst war das unser absolutes Tief, heute schiebt man es sehr von sich weg.“ Dann folgte der Medienrummel, die Berichte in der Schwäbischen Zeitung und im Regionalfernsehen RegioTV, die den jungen Leuten das Gefühl gaben, gehört zu werden und mit der Aktion für Aufmerksamkeit gesorgt zu haben. Der Protest hatte sein Publikum gefunden.

Anne und ihre Freunde hoffen bis heute, dass ihre Maßnahme auch auf allgemeine Missstände in der Straßenführung der Stadt hindeuten konnte. An vielen heiklen Verkehrsstellen wie am Bahnübergang zum Strandbad gebe es bereits Zebrastreifen, doch oft werde dort nicht angehalten. Und auch am Fahrbahnübergang zum Seemooser Horn wechseln nicht nur Studenten die Seite, sondern auch Kinder und Jugendliche auf dem Weg zum Sportverein. „Ich würde nicht wollen, dass meine eigenen Kinder dort über die Straße gehen müssen, wenn sie zum Sportplatz wollen.“ Dafür müsse ein Bewusstsein geschaffen werden, betont die Protestgruppe.

„Ich würde nicht sagen, dass diese Aktion ein riesiger Erfolg war. Uns war wichtig, dass wir nicht einfach nur offen protestieren, sondern gleichzeitig eine Lösung anbieten, mit der wir kommunizieren: So könnte das an dieser Stelle funktionieren. Deshalb haben wir uns für den Zebrastreifen entschieden, auch wenn die Maßnahme nicht ungefährlich war“, so Anne.

Die weißen Streifen wurden schnell wieder von der B 31 entfernt, die Polizei ist Anne und ihren Freunden bis heute nicht auf die Schliche gekommen. Jetzt erinnern nur noch schwache Konturen an den Zebrastreifen von damals – ob als Symbol der Achtsamkeit oder als Erinnerung an ein studentisches Aufbegehren. Eine Botschaft ist es allemal.

(Aktualisiert: 22.05.2013 11:51)