Von vierspurig ausgebaut bis lieber gar nicht

Von Olaf E. Jahnke

Kressbronn Vielfältig ist das Informations- und Meinungsbild, das sich dem interessierten Grenzlandbewohner und Straßenbenutzer zwischen Baden-Württemberg und Bayern bietet. Besonders zum Entwicklungsstand beim möglichen Ausbau der B 31 zwischen Kressbronn und Lindau Während das Bayerische Innenministerium schon die Volksmeinung zu einem geplanten vierspurigen Ausbau per Internet einholt (Bericht in SZ / Lindauer Zeitung), gibt man sich im Stuttgarter Verkehrsministerium eher zurückhaltend. Pressesprecher Edgar Neumann sprach von „wenig zur Verfügung stehenden Mitteln“ und „einer riesigen Menge unerledigter wichtiger Projekte“, um die es hier gehe. Wenn Bayer den vierspurigen Ausbau annehme und der Bund dem Ländervorschlag zustimme, werde man neu abwägen. Auf der Prioritätenliste des Landes ist der Bauabschnitt B31 Kressbronn-Lindau bis jetzt gar nicht verzeichnet. Aber:„Sollten die Bayern das Projekt anschieben, werden wir gegebenenfalls überlegen, ob wir nachziehen“, so der Sprecher des Verkehrsministeriums.

In München, beim Staatsministerium des Inneren, zuständig für Verkehrssicherheit und Straßenbau, herrscht bei Presssprecherin Katja Winker zumindest vorsichtiger Optimismus. Man werte gerade die Befragung aus – und habe überwiegend positive Resonanzen. Dabei könne man davon ausgehen, dass wenn die Prüfung positiv bleibe, man das Projekt für 2015 auf die Bundesliste setzen lasse. Üblicherweise werde dann auch über eine landesübergreifende Zusammenarbeit entschieden. In der Regel gebe es dann eine Planfeststellungsbehörde – und auch der Bund habe bei den Bundesstraßen ja noch etwas mitzureden. „Eine unvollständige Teillösung sei aber nicht zu erwarten.“

Bürgermeister Edwin Weiß sieht das inzwischen leicht resigniert. Nachdem man die Seegemeinden bisher ohne dringend notwendige Auffahrt lasse, Gutachten und Vermessungsarbeiten gelaufen seien, höre man nun gar nichts mehr vom Kreis oder vom Land. Die Notwendigkeit sowohl für den Ausbau wie für die Zufahrten sei nahezu unbestritten, dafür stehe die Verkehrsgefährdung und der Bedarf der Gemeinden sich vom Durchgangsverkehr zu entlasten. Als „Kuriosum“ sieht der Kressbronner Schultes mittlwerweile die Angelegenheit. „Eine vernünftige Planung wäre von Anfang an von Friedrichshafen bis zur Autobahn gegangen.“ Das sage er schon seit vielen Jahren. Er hofft, durch eine von bayerischer Seite aus angeschobene Kooperation könne sich vielleicht etwas tun. Zeit werde es jedenfalls.

Robert Eberl Verkehrsreferent bei der Polizeidirektion Friedrichshafen verweist sieht ein hohes Verkehrsaufkommen und schwierige Verhältnisse. Wobei die Unfallzahlen im Verhältnis zu Länge, Verkehrsaufkommen und Überholmöglichkeiten keinen untypischen Unfallschwerpunkt ergäben. Eberl hält zusätzliche Überholverbote, Geschwindigkeitsbegrenzungen und Radarfallen auf der Strecke für „eher wenig zielführend“. Die beste Lösung seien Überholstrecken wie die bei Überlingen.

Die Lindauer Naturschützer Umweltschützer sehen Ausbaupläne jeder Art eher kritisch. Sie sehen eine Gefährdung des Unterreitnauer Mooses (einem FFH-Gebiet, besonders schützenswert nach Europäischer Fauna-Flora-Habitat-Schutzrichtlinie). Zwar hätten „der Lindauer Landrat, die Gemeinden Bodolz, Wasserburg und die Stadt Lindau einen Ausbau mehrheitlich gutgeheißen.“ Man habe aber trotzdem Bedenken, so der Kreisvorsitzende Erich Jörg. Die möglichen Maßnahmen seien nicht ausgeschöpft. Kosten und Landverbrauch findet Sprecherin Isolde Miller „unmöglich“ und meint, „vierspurig geht gar nicht.“ In einer Anfrage des Bundes für Naturschutz an den Kressbronner Bürgermeister und das Kemptener Staatliche Bauamt wollen Jörg und die Lindauer Naturschützer wissen, worum es geht und wer zuständig ist. Sprecherin Miller sieht das Vorhandensein des Tunnels und verschiedene Engstellen als besonderes Problem. Außerdem habe man die Gegend „schon genug belastet.“ Die Ministerien wissen wohl tatsächlich wenig voneinander und können noch nicht sagen, was kommt. Das ändere sich, so die Sprecherin des bayerischen Ministeriums, wenn es zur Aufnahme der Straßenerweiterung in den Bundesmaßnahmenplan komme. Das ändere sich, so der Sprecher des baden-württembergischen Ministeriums, sobald konkrete Maßnahmen auf bayerischer Seite ergriffen würden.

(Erschienen: 11.01.2013 17:45)

 

 

Kommentar: Überholspuren könnten die Lösung sein

 

Von Olaf E. Jahnke

Ja, da ist was dran, es bewegt sich etwas beim Thema B 31. Zumindest auf bayerischer Seite. Und wer sich zuerst bewegt, hat nicht verloren, sondern eher das Handlungsheft in der Hand. Aber ob sich schlussendlich wirklich etwas bewegt? Der Bund möchte mehr Mittel reduzieren, die Landes-Ministerien sind vorsichtig und sparsamer geworden, die Kommunalpolitiker, die mit den Problemen vor Ort kämpfen, erbost oder resigniert.

Angst vor einseitigen „ausgebremsten“ Bauprojekten scheint zwar verbreitet, nicht aber wirklich begründet. Obwohl, wenn man an die A 96 denkt, wie dann nach jahrelanger Schwebe plötzlich relativ schnell Ergebnisse erzielt werden. Mancher mag nun befürchten, dass hier durch die Hintertür doch eine Bodensee-Autobahn-Querspange realisiert werden könnte.

Der Föderalismus ist nicht immer einfach zu handhaben, wie sich bei den Recherchen zeigt. Da können auch die beweglichen Pressesprecher der Ministerien nicht weiterhelfen. Örtliche Sachfragen, Minderung der Unfallzahlen und Beruhigung der Ortsdurchfahren der Seegemeinden vom Durchgangsverkehr sind durchaus ehrenwerte und nachvollziehbare Gründe. Allein die Argumente der Vielzahl „dringender“ Verkehrsprojekte und harter Bewertungskriterien für eine Priorisierung der Ausbaumaßnehmen scheinen hier problematisch.

Es kann durchaus sein, vor allem wenn keine Lobbyarbeit stattfindet, dass die Dringlichkeit 2015 nicht für ausreichend erachtet wird. Und das in Bayern und Baden-Württemberg. Wer weiß, wann dann der nächste Anlauf stattfindet. Und sollte der stattfinden, ist immer noch nicht gesagt, ob es eine Zufahrtslösung gibt. Heute kaum nachvollziehbar, aber in Frankreich hatte man in den 60erJahren auf den Nationalstraßen schon eine dritte Mittelspur. Und die war zuweilen von beiden Verkehrsrichtungen nutzbar. Mitdenken und Vorausschauen waren angesagt, aber es ging meist zügig voran. Ob das um den Bodensee beim heutigen massiven Verkehrsaufkommen möglich ist? Wohl eher nicht.

Aber zwei Überholstrecken für jede Fahrtrichtung an landschaftlich wenig bedenklichen Stellen würden viel helfen. Ebenso Zufahrten und Parkplätze. Dazu müsste man nicht vierspurig bauen, keine neuen Tunnelanlagen planen, und auch die Umwelt würde geschont. Eigentlich ein Thema für grüne Verkehrsminister.

(Erschienen: 11.01.2013 17:55)