„Es gibt keine Bürgerbewegung gegen Windräder“

Der Bodenseekreis und die Energiewende: Grünen-MdL Martin Hahn fordert Vollgas auf allen Ebenen

 

Blickt auf ein Jahr zurück, das von einigen hochemotionalen politischen Konflikten beherrscht war: Martin Hahn, Landtagsabgeordneter der Grünen. (Foto: Joachim E. Roettgers)

Von Gunnar M. Flotow

Martin Hahn, Landtagsabgeordneter der Grünen, musste bei den Neujahrsempfängen im Januar 2012 einige Male auf die Zunge beißen. Wo immer er auch im Bodenseekreis aufkreuzte, durfte er sich unangenehme Fragen der örtlichen Würdenträger zum Thema Straßenbau anhören – in erster Linie natürlich zur B 31. Wenngleich er einiges aushalten könne, störte es ihn doch, dass „ich bei diesen Veranstaltungen nie die Chance hatte, offiziell etwas zu sagen, was ich über diese Straße denke“.

Was Hahn dann bei einem Pressegespräch in Markdorf am 17. Januar 2012 sagte, löste mehr Getöse als ein heranbrausender 40-Tonner aus. Sein Vorschlag, die B 31-neu angesichts der knappen Bundesmittel abzuspecken und zweispurig zu bauen, wurde als „indiskutabel“ (CDU-MdL Ulrich Müller), „herber und tiefer Rückschlag“ (OB Andreas Brand) und „nicht vertretbar“ (SPD-Kreistagsabgeordneter Norbert Zeller) verrissen. Der Gescholtene bleibt aber auch knapp zwölf Monate später dabei: „Wir haben die Kultur des Versprechens ersetzt durch Realismus. Die Zweispurigkeit ist innerhalb der Planfeststellung eine vernünftige Maßnahme, um möglichst viel Straße zu verwirklichen. Dazu stehe ich nach wie vor“, betont Martin Hahn und stellt nebenbei eines klar. „Es ist eine politische Kernausgabe, diese Straße zu schaffen, auch für einen Grünen-Politiker.“

Ein wichtiges Instrument, um die Verkehrsprobleme in der Region zu lindern, sieht der Landtagsabgeordnete auch in der so genannten Bodensee-S-Bahn. „Alles, was wir an hausgemachtem Verkehr haben, wäre mit dieser Linie relativ schnell verbesserbar“, sagt Martin Hahn. Mit großer Spannung wartet er deshalb auf das Ergebnis eine Potenzialstudie, die von den Landkreisen Konstanz und Bodenseekreis sowie von Regionalverbänden und Gemeinden in Auftrag gegeben wurde. Ein schneller stündlicher Zug sowie ein halbstündiger Zug, der an jeder Milchkanne hält – das wäre für ihn eine „prima Sache“.

 

Genauso begrüßenswert wie eine S-Bahn am Nordufer hält Martin Hahn auch die geplanten Windkraftanlagen am Gehrenberg und bei Überlingen. Da die Energiewende gesellschaftlicher Konsens sei, gelte es nun auch, sie umzusetzen. Und das funktioniere eben nur mit moderner Energieerzeugung wie Windkraft. Hahn fordert „Vollgas auf allen Ebenen“, damit „die regenerativen Energien vorangetrieben werden und wir entspannt die Atomkraftwerke abschalten können“. Der Grünen-Politiker ist „überrascht, wie viele Don Quichottes (Windrad-Gegner; Anm. d. Red.) wir in diesem Land inzwischen haben – und wer alles ein Don Quichotte ist“. Bemerkenswert findet er die Heuchelei rund um dieses Thema. Viele Bürgermeister wiesen ohne Skrupel riesige Gewerbegebiete aus, beklagten im Gegenzug aber, dass fünf Windräder die Kulturlandschaft am See zerstörten – das passe nicht zusammen.

Hahn glaubt, dass die Windkraftanlagen kaum jemanden stören, bei der Debatte handelt es sich seiner Meinung nach einzig und allein „um eine Auseinandersetzung der politischen Klasse“. Das Nein der Gemeinderäte von Überlingen und Markdorf spiegelt für ihn nicht die Meinung der Bevölkerung wider. „Es gibt viele Gemeinderäte, die dicke Backen machen“, stellt Hahn fest, „aber es gibt keine Bürgerbewegung gegen Windräder“.

(Erschienen: 03.01.2013 07:00)